Schiltach 1914: Stadt spürt schon im ersten Jahr die Folgen des Weltkriegs immer stärker

Von Hans Harter

Schiltach. Schiltach 1914: Der Erste Weltkriegs hatte rasch immer stärkere Auswirkungen auf den Alltag in der Stadt – allem Pathos zum Trotz.

Während immer mehr Männer an die Fronten geholt wurden, zog in der Stadt eine "Bahnschutz-Wache" auf: Landsturmleute aus Bruchsal, die die Bahnanlagen bewachen mussten, da man Aktionen französischer Saboteure befürchtete. Dabei geriet einer von ihnen nachts unter einen Zug. Er war der erste, der hier, wie es hieß, "im Dienst fürs Vaterland" zu Tode kam. Noch anders erreichte der Krieg das Städtchen. Mit dem Ruf "Nun hebt die Arbeit der Frauen an" sollten sie sich zur Krankenpflege oder Näh- und Strickarbeit melden und sich wie die Männer in einer "gewaltigen Opferwilligkeit und Begeisterung" fürs Vaterland einsetzen. In der Schule wurde ein Lazarett eingerichtet, "um auf diese Weise den tapferen Soldaten die Dankesschuld abzutragen". Es gab freiwillige Helferinnen und es flossen Spenden, die "Zeugnis ablegen von warmen Herzen und offenen Händen". Für ältere Buben wurde eine "Jugendwehr" gebildet, in der sie unter Leitung von Bürgermeister Wolpert eine vormilitärische Ausbildung erhielten, um bald tüchtige Soldaten sein zu können. Zu spüren waren auch wirtschaftliche Auswirkungen, so der Mangel an Arbeitskräften in der Industrie, die ihrerseits vom Krieg profitierte: Die Tuchfabrik Karlin suchte "Schneider und Näherinnen für Militärlieferung. " Die Buchhandlung hatte "Feldpostartikel" und ein französisches Wörterbuch im Angebot, "begehrt von den Soldaten im Feld". Die Drogerie warb: "Sendet den Truppen Haarelemente! Wirksamstes Mittel gegen Läuse!" Der Frauenverein sammelte Spenden "für unsere Braven im Felde", Kleider und 1500 Mark. Zugleich nähten und strickten "fleißige Kinder- und Frauenhände für unsere Soldaten", stand doch die erste "Kriegsweihnacht" bevor. Denn, so schrieb die Zeitung, "das frohe Fest wird für viel Tausende eines der Tränen und des bitteren Schmerzes". Am Ende waren 290 Weihnachtspakete gepackt, bei denen "unsern Soldaten die Augen leuchten werden". Sie enthielten ein Hemd, eine Unterhose, ein Paar Socken, ein Taschentuch, eine Leibbinde, Zigarren, ein Schnitzbrot, zwei Paar Landjäger, ein Päckchen Würfelzucker, eine Kerze und ein Büchlein, begleitet von dem Gruß: "Gott schütze und behüte Sie und gebe Sieg unserm tapfern Heer!" Von dort kamen auch Meldungen über Auszeichnungen "für Tapferkeit vor dem Feinde", so für Eduard Böckh das Eiserne Kreuz erster Klasse: "Seine Heimatstadt Schiltach ist stolz auf die Ehrung, die dem tapferen Offizier zuteil geworden". Immer häufiger eilten jedoch Gefallenmeldungen durchs Städtchen, die sich zu Jahresende auf 14 Schiltacher und vier Lehengerichter summierten. Viel Anteilnahme erfuhr Fabrikant Korndörfer, dessen Sohn Hermann "den Heldentod gefunden". Die Zeitung berichtete über den "noblen Charakter ", dem "beschieden war, den größten Dienst am Vaterland zu leisten, indem er sein junges, hoffnungsvolles Leben gab". Ende 1914 gab es "Gedanken eines Lehgrichters", der "e still Gebet eisiri bravi Soldate weihte, wo den Heldentod gstorbe sinn un wo ihr Lebe eisetzet. Wie wär, wenn d’ Franzose reikumme wäret? Do wäret Reiche un Armi gleich übel dra gsei. " Die Botschaft ist klar: Es geht um Verteidigung, die auch den "Heldentod" rechtfertigt, schlimmer als Krieg wäre die Besetzung. Die Frage, ob nicht auch die Gegner Gleiches beanspruchten und der verheerende Krieg nicht hätte vermieden oder beendet werden können, stellten nur wenige. Er wurde als Schicksalsschlag gesehen, dem man sich unterwarf und den man, trotz aller Opfer, durchstehen musste.