Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hofft für die Fahrgäste auf das beste Angebot für den Schienennahverkehr. (Archivfoto) Foto: dpa

Der Wettbewerb von Verkehrsminister Winfried Hermann hat funktioniert: Die Deutsche Bahn ist im Wettbewerb um das Stuttgarter Netz unterlegen, das Land muss künftig weit weniger für den Schienennahverkehr bezahlen. Hermann selbst freut sich über das „sensationell gute Ergebnis“ der Ausschreibung.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn hat einen Großauftrag für den Schienennahverkehr im Südwesten wegen eines Verstoßes gegen Mindestkriterien nicht erhalten. Bei der Bewerbung um das lukrative Stuttgarter Netz habe der Konzern die Anforderung nicht erfüllt, die Preise pro Zugkilometer im ersten Jahr des Betriebs nicht mehr als zehn Prozent höher zu gestalten als in den Folgejahren, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Dennoch habe der Preis von derzeit noch 11,69 Euro pro Zugkilometer mit der Ausschreibung und dem Zuschlag für andere Anbieter halbiert werden können.

Die Bahn sei zwar der günstigste Anbieter für die in drei Abschnitte aufgeteilte Strecke, aber wegen des Verstoßes nicht zum Zug gekommen. Ihr Ausschluss aus dem Vergabeverfahren falle dem Land „wahrlich nicht leicht“, betonte Hermann am Dienstag in Stuttgart. „Es gibt da Regeln, und an die muss man sich halten“, erläuterte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Ein Bahnsprecher sagte: „Wir werden den Sachverhalt zunächst bewerten und eventuelle im Vergabeverfahren üblichen Schritte wie immer sorgsam prüfen.“

Zuschlag für Go-Ahead

Den Zuschlag für den Betrieb des durch Stuttgart führenden Netzes ab 2019 erhalten die Tochter des britischen Unternehmens Go-Ahead Verkehrsgesellschaft und die zur niederländischen Abellio-Gruppe gehörende Abellio Rail Südwest GmbH. Der Auftrag umfasst 14,8 Millionen Zugkilometer im Jahr. Das Umsatzvolumen auf 13 Jahre Vertragslaufzeit liegt bei 2,7 Milliarden Euro, der Zuschussbedarf des Landes bei rund 1,4 Milliarden Euro. „Go-Ahead kann auf eine langjährige Erfahrung im britischen Markt zurückgreifen. Dort befördern wir 30 Prozent aller Bahnreisenden“, sagte Stefan Krispin, Deutschland-Geschäftsführer von Go-Ahead.

Edith Sitzmann, Vorsitzende der Landtagsgrünen meinte: „Alle Strecken sind zusammen trotz deutlich besserer Leistungen wie mehr Sitzkomfort, Klimaanlagen oder barrierefreien Toiletten in neuen Wagen günstiger geworden.“ In den Stuttgarter Netzen werde das Land künftig nur etwa die Hälfte des Preises aus dem schlechten Verkehrsvertrag der CDU bezahlen.

Angebote von sieben Unternehmen

Die verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Nicole Razavi, erklärte: „Minister Hermann trägt die Verantwortung dafür, dass diese guten Preisen mit neuen Fahrzeugen nicht schon ab 2016 mit Auslaufen des Großen Verkehrsvertrages gelten, sondern erst 2019/2020.“ Dies bedeute einen Schaden von 200 bis 300 Millionen Euro und schlechtere Fahrzeuge in den Übergangsverträgen, für die das Land 9,60 Euro pro Zugkilometer bezahle.

Die Endpunkte des Stuttgarter Netzes befinden sich in Mannheim, Bruchsal, Osterburken, Tübingen, Crailsheim, Ulm, Karlsruhe, Würzburg und Aalen. Das Netz wurde für die Ausschreibung in drei Lose aufgeteilt, wobei Abellio das Neckartal und Go-Ahead Rems-Fils und Franken-Enz betreiben wird. S-Bahnen gehören nicht dazu. Ein Angebot hatten sieben Unternehmen abgegeben. Neben der Bahn war auch ein weiterer Bieter wegen fehlender Angaben zum Sicherheitspersonal vom Wettbewerb ausgeschlossen worden.

Hermann: “Sensationell gutes Ergebnis“

Abellio soll von Juni 2019 an stufenweise jährlich 6,8 Millionen Zugkilometer anbieten. Nach eigenen Angaben wird das Unternehmen dann 43 fabrikneue Züge bereitstellen. Go-Ahead versprach moderne Züge, W-Lan in erster und zweiter Klasse sowie mehr Pünktlichkeit und besseren Service für die Passagiere.

Für die Übergangsverträge im Stuttgarter Netz bis 2019 hatte die Bahn kürzlich die Zuschläge erhalten. Diese haben keine Loslimitierung, nur bei den langlaufenden Verträgen gibt es die Regel, dass bei drei Losen ein Bieter nur für maximal zwei Lose den Zuschlag erhält. Die Widerspruchsfrist für die erfolglosen Bieter beträgt zehn Tage. Falls sie wahrgenommen wird und es zu einem Gerichtsverfahren kommt, kann sich die endgültige Vergabe laut Hermann sogar bis nach der Landtagswahl im März 2016 hinziehen.

Hermann sprach von einem „sensationell guten Ergebnis“ der Ausschreibung. Die Kostensenkung ermögliche es, das Angebot für die Fahrgäste zu verbessern, zum Beispiel mit Stunden- und Halbstundentakten je nach Auslastung der Strecke. Zudem kommen nach Auskunft Hermanns barrierefreie und voll klimatisierte Neufahrzeuge mit ausreichend Fahrradmitnahme-Möglichkeiten in allen drei Losen zum Einsatz.

CDU vergab Auftrag ohne Ausschreibung an Bahn

Die CDU-geführte Vorgängerregierung hatte den sogenannte Großen Verkehrsvertrag mit insgesamt 40 Millionen Zugkilometern ohne Ausschreibung komplett an die Deutsche Bahn vergeben - zu nach Ansicht von Grün-Rot überhöhten Preisen.

Der Landesvorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD), Matthias Lieb, erklärte: „Die DB AG ist der große Verlierer dieser Ausschreibung - trotz angebotener günstiger Preise wurde sie aufgrund eines Formfehlers ausgeschlossen. Es ist zu hoffen, dass nun keine langwierigen Einsprüche des unterlegenen Bieters die Umsetzung verzögern.““Der VCD erwartet, dass die neuen Betreiber, die anderswo schon erfolgreich bewiesen hätten, dass sie leistungsfähigen Nahverkehr auf die Schiene brächten, die Zeit bis zum Start gut nutzen würden, um ausreichend Personal und Fahrzeuge bis zum Start 2019 aufzubauen und hofft, dass dabei auch Lokführern und Zugbegleitern des bisherigen Betreibers ein Übernahmeangebot gemacht werde.