Die Klosterkirche Wittichen und der "Lange Bau". Foto: Fritsche Foto: Schwarzwälder-Bote

Wittichen: Nach über 200 Jahren Pause zieht erneut eine Schwester im "Langen Bau" ein

Von Johannes Fritsche

Schwester Elisa-Maria führt im Kloster Wittichen als Eremitin ein Leben des Gebets und der Kontemplation. Damit lebt wieder eine Schwester im "Langen Bau" – nach mehr als 200 Jahren.

S chenkenzell-Wittichen. Bei der Altarweihe am Samstag hatte es Weihbischof Michael Gerber öffentlich gemacht: In der alten Klosteranlage in Wittichen wird nach mehr als zwei Jahrhunderten wieder nach den klösterlichen Regeln gebetet und meditiert. Seit August lebt Schwester Elisa-Maria dort. "Zurückgezogen von der Welt, aber trotzdem sichtbar und da für alle Menschen", umschreibt sie selbst ihre Bestimmung.

Sichtbar, wenn sie in ihrer braunen Schwesterntracht gelegentlich nicht nur in Wittichen, sondern auch in Kaltbrunn oder Schenkenzell unterwegs ist oder an einer Messe teilnimmt, wie am Samstag bei der Altarweihe.

Eremitin führt Gespräche mit Pilgern und anderen Sinnsuchenden

Sichtbar auch, wenn Schwester Elisa-Maria um 6.30 Uhr in der Klosterkirche die Laudes betet, das Morgengebet bei Anbruch des Tages. Der Ursprung der Laudes ist in den frühchristlichen Gemeindeversammlungen am Morgen zu sehen, mit denen der Auferstehung Christi gedacht wurde. Und sichtbar ist Schwester Elisa-Maria auch um 20 Uhr beim Komplet, beim Nachtgebet in der Klosterkirche. Beide gehören zu den Stundengebeten, wie sie von allen Schwestern und Mönchen in den Klöstern zu Gottes Lob und für die Menschen gebetet werden.

Das besondere Glockengeläut der Klosterkirche um 6.30 und 20 berührt Schwester Elisa-Maria besonders. Sie geht davon aus, dass die Klarissinen früher auch zu diesen Zeiten gebetet haben: "Das schafft eine spirituelle Verbindung." Luitgard, zur ihrer Zeit eine bewegte, emanzipierte Frau, ist ihr großes Vorbild und "eine gute kleine heilige Mutter", die sie stärke.

Schwester Elisa-Marias Anwesenheit in Wittichen kann als eine Art geistliche wiederbelebte Nachfolge der Klarissinen gesehen werden. Sie selbst gehört dem Orden nicht an. Sie ist einer Berufung als Eremitin gefolgt, geprüft von der katholischen Kirche, dem Weihbischof verpflichtet, geweiht nach den evangelischen Riten der katholischen Kirche. "Ich bin dem Ruf gefolgt. Vorher habe ich ein normales Leben geführt. Ich habe den Mut zur Umkehr gehabt", bekennt sie. Die Sakramente, vor allem die Beichte, hätten ihr geholfen, sie geleitet.

Die Berufung führte sie zu der Frage: "Wo finde ich meine Einsiedelei für Gebet, Stille, Schweigen, Fasten und Buße, um im Gebet mit Jesu Tröstung und Mut zu erfahren?" Der Hinweis eines Pfarrers lenkte sie auf den Weg nach Wittichen. Der Geistliche hatte eine Fernsehsendung über das alte Kloster gesehen. Darin war es auch darum gegangen, was man mit den Räumen des Klosters Wittichen machen solle, mit dem "Langen Bau", der das Tal abriegele und den Bereich dahinter mit der Klosterkirche sozusagen schütze. Eine rein geistliche Nutzung wurde gesucht. Das Fürstenhaus Fürstenberg hatte die Gebäude schon vor Jahren an die Kirchengemeinde übergeben, Baupflichten aber weiter übernommen. Eine Nutzung, die eine spirituelle Verbindung mit der Zeit der Klarissinnen schaffe, war auch im Sinne von Weihbischof Gerber.

Schon immer kommen viele Besucher zur Klosterkirche und zum Grab von Luitgard, im Sommer auch viele Wanderer und Pilger auf dem Jakobusweg, der dort vorbei führt, dort allerdings nur ein Halt hat, um zu beten, keine Jakobusweg-Herberge. Und regelmäßig finden Wallfahrten statt. Pilger und andere Besucher der Klosterkirche können sie ansprechen und ein spirituelles Gespräch führen. Über Fragen wie zum Beispiel: Was sind eigentlich unsere Wurzeln? Was ist christliches Leben, was ist christliche Familie?

Der Eingang zu ihrer Klause ist am Vorplatz der Klosterkirche an der Stirnseite des "Langen Baus". Es sei "ein Anliegen der Kirche, wahrhaft Suchende des Glaubens zu stärken, ihnen Mut zu machen und ihnen dabei zu helfen, einen neuen Zugang zu finden", erklärt sie. Gemeint sei damit ein besseres Verständnis, ja eine Versöhnung mit der katholischen Kirche, indem man die Wurzeln betrachte. Dabei lässt Schwester Elisa-Maria sich leiten von dem Gedanken: "Alle Menschen kommen von Gott, ob jemand das bewusst ist oder nicht. Jeder will geachtet, geliebt, mit allen seinen Fehlern angenommen werden".

Die Klostergründerin Luitgard wurde 1291 als Tochter eines Bauern in Wittichen geboren. Schon als Kind sei sie laut historischen Quellen fromm und hilfsbereit gewesen. 1324 sah sie in einer mystischen Begegnung mit Jesus den Auftrag, ein Kloster zu gründen, das entsprechend den Lebensjahren von Jesus 34 Jungfrauen aufnehmen sollte. Sie zog ins Wittichertal und gründete mit 33 Schwestern eine Klause. Später wurde die Gemeinschaft als Kloster anerkannt, das nach den Ordensreglen der Heiligen Klara lebte. 25 Jahre lang war Luitgard die Äbtissin des Klosters in Wittichen. Sie soll die Gabe gehabt haben, Kranke zu heilen und in die Zukunft zu blicken. Am 16. Oktober 1347 starb sie. Der Überlieferung nach geschahen viele Krankenheilungen an ihrem Grab. Als man 1629 ihre Gebeine in die Klosterkirche überführte, fand man das Gehirn der Toten unversehrt vor. Seither pilgerten Hunderttausende von Gläubigen nach Wittichen. Jedes Jahr am zweiten Sonntag im Oktober findet dort das Luitgardfest statt. 1803 war das Kloster während der Säkularisation aufgelöst worden. Klosteranlage und -kirche fielen dem Fürstenhaus Fürstenberg zu.