Werke des Heimatkünstlers Franz Kinle zeigen Brauchtümer / Große Ausstellung im Frühjahr

Von Willy Schoch

Schenkenzell. Gemeinde Schenkenzell und der Historische Verein bereiten eine Ausstellung mit Werken von Franz Kinle vor. Der Heimatkünstler hielt in seinem Werk seine Heimat und ihre Bräuche fest. Dazu gehören auch die "Säcklestrecker".

Dieser alte Brauch, der allen so viel Freude bereitete, kann oder wird heute kaum noch wahrgenommen. Früher war er im Herbst fester Bestandteil im Schwarzwälder Jahreslauf. Die Tage werden merklich kürzer und die Nachtfröste kündigen den nahen Winter an. Das war einst die Zeit, als es dem grunzenden Borstenvieh an den Kragen ging. Das war auch die Zeit der Hausmetzger. Josef Lehmann aus Schenkenzell war so einer. Von seinem Vater Johannes hatte er das Metzgerhandwerk erlernt. Frühmorgens schulterte der "Metzger-Sepp", wie er im Dorf genannt wurde, seinen Rucksack mit den notwendigen Werkzeugen und Wurstspritze und suchte das "Kundenhaus" auf. Anfangs zu Fuß, später mit dem Fahrrad und Motorrad. Recht weit waren die Wege zu den Höfen und Taglöhnerhäusern.

Wenn der "Sepp" kam, kochte schon das Wasser im Kessel. Die Stimmung war gut, denn die Familie freute sich schon auf die frische "Metzelsupp", eine Brühsuppe, dazu Kesselfleisch und frische Brat-, Blut- und Leberwürste. Ein Großteil des Fleisches aber wurde für die anstehende Winterzeit gepökelt oder im Rauchapparat konserviert. Den anstrengenden Schlachttag ließen die Hausleute dann in froher Runde ausklingen – wenn sich nicht noch "ungebetene" Gäste anmeldeten, die "Säcklestrecker". Junge Burschen der Nachbarschaft, des Dorfes, aus der Verwandt- oder Bekanntschaft versuchten dann – mehr oder weniger geschickt – ihren Teil vom Schlachtfest abzubekommen. Zumeist endete das "Säcklestrecken" für alle Beteiligten mit einer Mordsgaudi. Bei beginnender Dunkelheit stellten die "Säcklestrecker" ein an einer Bohnenstange befestigtes Säckchen unerkannt am Stubenfenster ab. Im Säckchen befanden sich außer Süßigkeiten der "Säcklebrief", ein Bettelbrief, der an die Hausleute gerichtet war. Dieser Brief begann immer mit der Anrede "Liebe Sauwedelgesellchaft" oder "Grüß Gott Metzgersleut". Dann ging es durchs Haus: "Kommet schnell, d’ Säcklestrecker sin do!" Der Ablauf: Die Bohnenstange mit dem Säckchen wird hereingeholt. Beim Verlesen des Briefes gibt es einiges zu lachen. Nun wird gerätselt, wer der Absender sein könnte. Die Hausfrau richtet dann die den "Säcklestreckern" zudachte Portion her. Aus Jux werden oft noch die Sauborsten – gut in Zeitungspapier verpackt – und Steine zur Beschwerung eingepackt. Die Stange wird ans Haus gelehnt, ab und zu auch angebunden. Jetzt wird es spannend: Die "Säcklestrecker" wollen nun an ihre Beute kommen, ohne erwischt zu werden. Aber überall im Haus lauert die Familie. Das Licht wird gelöscht. Sobald einer der "Säcklestrecker" Hand an die Stange legt, geht die Jagd los. Gelingt es, das Säcklein unerkannt zu holen, liegt die Ehre bei den Angreifenden. Können aber die Hausleute die "Säcklestrecker" erwischen, werden die Verlierer in die Stube geführt. Da gab es alte Rituale: Ihnen wurden die Hände auf den Rücken gebunden oder die Gesichter zur Strafe schwarz angeschmiert. Unter dem Gelächter der Sieger, mussten dann die "Säcklestrecker" die feinen Gaben des Schlachttages vom gefüllten Teller aufessen. Lediglich für den Schnaps wurde Hilfestellung gewährt. Doch oft ließ man Gnade vor Recht walten.

So ging es dann mit frohen Reden und lustigen Liedern bis in die frühen Morgenstunden. Ein Brauch mit viel Sinn für Humor. Aber auch ein Beweis für Großzügigkeit und Gutmütigkeit der Bauern.

Das "Säcklestrecken" bleibt heute zwangsläufig auf der Strecke. Es werden kaum noch Schweine in der Gemeinde gehalten, ein Schlachtfest wird heute nur noch kommerziell durch Vereine und die Gastronomie betrieben.

u  Vom 10. bis 19. April 2015 findet im "Haus des Gastes" in Schenkenzell eine Ausstellung mit Werken von Franz ‘ statt.