Wissenschaftler Rudolf Widmer-Schnidrig vom BFO neben dem verpackten Seismografen tief unter der Erde. Fotos: Kiolbassa Foto: Schwarzwälder-Bote

Raumfahrt: Exzellente Bedingungen im BFO

Sich tief unter der Erde wie auf dem Mars fühlen – das konnten vergangene Woche die Wissenschaftler am BFO in Schenkenzell. Denn im Heubachtal wurde der Seismograf-Prototyp beheimatet, der für die NASA und Europa auf Marsmission gehen wird.

Schiltach. Am Montag wurde das Qualifyingmodel, also das "Schwestergerät" des letztendlich genutzten Seismografens, am Geowissenschaftlichen Gemeinschaftsobservatorium des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Stuttgart (Black Forest Observatory – BFO) in Schiltach aufgebaut. Jetzt begannen die Messungen.

Das BFO liegt in einem ehemaligen Silberbergwerk im Gestein der Triberger Granitmasse und wird seit 1971 von beiden Institutionen gemeinsam betrieben. In der Experimentierkammer, die sich etwa 110 Meter tief unter der Erde und etwa 375 Meter entfernt vom Stolleneingang befindet, lag der Seismograph, kurz SEIS, gut geschützt unter einem silbergrauen Plastikzelt. Direkt daneben waren zwei weitere Seismografen zum Vergleich der exakten Aufzeichnungsergebnisse angeschlossen.

Der hochempfindliche Seismometer soll das Hauptinstrument an Bord der für 2018 geplanten Marsmission "InSight" sein. Ein gemeinsames 425 Millionen Dollar schweres Projekt der NASA und europäischer Partner. Der Name der Mission "InSight" steht für Interior Exploration using Seismic Investigations, Geodesy and Heat Transport.

Mithilfe des Seismometers sollen Eigenschaften des "roten Planeten" untersucht werden, die zur Klärung grundlegender Fragen des Planeten- und Sonnensystems beitragen. Etwa um die Entstehungsgeschichte der Planeten und des inneren Sonnensystems besser zu verstehen. Wie es Erdbeben auf der Erde gibt und auch auf dem Mond Beben nachgewiesen wurden, erwarten die Wissenschaftler, dass auch auf dem Mars solche Beben statt finden. SEIS soll diese Marsbeben beobachten und dokumentieren, sodass Aussagen über den Aufbau des Marses sowie über Größe und Aggregatzustand des Kerns und die Dicke der Kruste gemacht werden können.

"Den weitaus größten Teil unserer Kenntnisse über die Eigenschaften von Erdmantel und Erdkern haben wir aus der Analyse seismischer Wellen gewonnen. Dieses Werkzeug soll nun auch zur Untersuchung der inneren Struktur des Mars verwendet werden", so Thomas Forbriger vom KIT, der zugleich als Wissenschaftler am BFO arbeitet. Rudolf Widmer-Schnidrig von der Universität Stuttgart, der die aktuellen Tests koordiniert, erläutert: "Erdbebenwellen breiten sich durch den gesamten Erdkörper aus. Analog zur Röntgentomographie in der Medizin, kann von den Erdbebenwellen ein tomographisches Abbild des Erdinneren abgeleitet werden." Aufgrund dessen hoffen die Wissenschaftler, dass SEIS viele neue Erkenntnisse über das Marsinnere liefern wird. "Ob der Kern flüssig ist oder nicht, hat große Auswirkungen auf die Schwingungen des Planeten. Denn bereits ein dünner flüssiger Kern, der um den harten Kern herumliegt, würde den Mantel des Planeten soweit abschirmen, dass er völlig unabhängig von dessen Schwingungen wäre", erklärt Widmer-Schnidrig.

Sechs Seismometer werden sich auf der Raumfahrt im Instrumentenpaket SEIS befinden. Mit ihnen kann die Bodenbewegung sowohl in der vertikalen als auch in zwei horizontalen Richtungen erfasst werden. Falls einer der Seismografen ausfallen würde, könne immer noch mit den restlichen fünf gemessen werden. Die Testphase fand jedoch nur mit drei Seismografen statt. "In akribischer Handarbeit stellen wir die Seismometer auf der Erde auf, justieren sie und schirmen sie gegen Störungen ab. Auf dem Mars bewerkstelligt das der Landeroboter selbstständig, was eine technische Meisterleistung erfordert", so Forbriger. Dieser ist auf dem Dach des Raumschiffes angebracht, welches mit seinen drei Füßen auf der Marsoberfläche landet und durch ein Kabel mit dem Seismografen verbunden ist. Innerhalb dieser Raumsonde werden schließlich die Daten digitalisiert und auf die Erde zurück geschickt.

Am BFO überprüften die Wissenschaftler das Zusammenspiel der verschiedenen aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien, der Schweiz und den USA stammenden Komponenten. "Die meisten der Wissenschaftler, die zu uns kommen, arbeiten normalerweise in hoch staubfreien Labors. Die Geräte, die sie mitbringen sind meist hochwertig eingepackt, um sie vor jeglicher Erschütterung zu schützen. Unser Stollen ist jedoch kein Clean-Labor. Wir packen die Geräte aus und transportieren sie mit einem Schubkarren durch die matschigen und unebenen Gänge des Stollens", erzählt Widmer-Schnidrig. Die Seismographen seien im Imperial College in London entwickelt worden, die Stative am Max- Plank-Institut in Göttingen und für die Steuer- und Messelektronik hätte die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich gesorgt.

Wissenschaftler aus aller Welt, unter anderem aus Kanada und Japan, kommen gerne ans BFO, denn dort herrschen exzellente Messbedingungen. Die Bodenunruhe im stillgelegten Erzbergwerk ist besonders gering, die dort betriebenen Seismometer liefern Daten, die zu den rauschärmsten im globalen Vergleich gehören, so können Schwingungen wahrgenommen werden, die an anderen Messstandpunkten erst Jahre später sichtbar sind. Der innere Teil des Stollens, der die Messkammern für die Instrumente enthält, ist durch zwei Druckschleusen von der Außenwelt abgeschirmt. Dieser Teil des Stollens liegt etwa 170 Meter unter der Erdoberfläche und 7000 Meter entfernt vom Stolleneingang. Die dadurch erreichte Abschirmung der Instrumente vor dem Einfluss direkter Luftdruck- und Temperaturschwankungen sowie eine Entfernung von mehr als fünf Kilometer zu zivilisatorischen Störquellen wie Industrie und Verkehr machen das BFO zu einem außergewöhnlich ruhigen Messstandort. "Mitten in der Großstadt kann man eben nicht entscheiden, ob ein Seismograf gut oder sehr gut ist", erklärt Widmer-Schnidrig.

Neben dem Seismografen zur Erschütterungsmessung wird zudem eine Sonde zur Wärmeflussmessung das kleine "Raumschiff" ergänzen. Sie wird sich selbstständig etwa fünf Meter tief in die Erde eingraben, um einen Unterschied des Wärmeflusses festzustellen.