Der Bürgerentscheid ist abgelehnt: Der Gemeinderat kann seinen Beschluss, die Grundschule in Schenkenzell zu schließen, umsetzen. Foto: Wegner

Mehr Nein-Stimmen: Bürgerentscheid ist abgelehnt - Gemeinderat kann seinen Beschluss umsetzen. Mit Kommentar

Schenkenzell - Denkwürdiger Tag für Schenkenzell: Die kleinste selbstständige Gemeinde im Kreis Rottweil gibt ihre Grundschule auf – freiwillig. Beim Bürgerentscheid gestern sprach sich die Mehrheit faktisch für eine Fusion mit der Nachbarstadt Schiltach aus.

Das ist die Konsequenz aus der Volksabstimmung, deren deutlicher Ausgang überrascht. Rund 54 Prozent stimmten für die Fusion, eine klare Mehrheit. Im Vorfeld hatte es so ausgesehen, als hätte die Bürgerinitiative "Rettet die Grundschule Schenkenzell" die besseren Karten. Bei einem Bürgerbegehren im Frühjahr hatte die Initiative bereits rund 470 Unterschriften gegen den Beschluss des Gemeinderats, die Fusionsverhandlungen mit Schiltach aufzunehmen, gesammelt. Darauf hin machten Rat und Verwaltung den Weg frei für den Bürgerentscheid; übrigens der erste in der Geschichte der Gemeinde.

Wochenlang hatten die Schenkenzeller gerätselt, was wohl die schweigende Mehrheit im Ort zum Thema sagt. Offensichtlich entschied sich gestern an der Wahlurne der eine oder andere noch um. Die Bürgerinitiative erreichte zwar das Quorum von 20 Prozent der Wahlbeteiligten für ihre Sache, erhielt aber weniger als 400 Stimmen.

Noch deutlicher fiel das Ergebnis im Ortsteil Kaltbrunn aus. Die Grundschüler von dort müssen ohnehin mit dem Bus oder von den Eltern in die Grundschule gebracht werden. Ob die Kinder rund sechs Kilometer nach Schenkenzell oder acht Kilometer nach Schiltach fahren, ist für die dortigen Eltern wohl nicht so entscheidend.

Die geplante Grundschule Schiltach/Schenkenzell befindet sich genau an der Gemarkungsgrenze zwischen Schiltach und Schenkenzell, für beide Seiten außerorts gelegen. Denn auch Schiltach (4000 Einwohner) schließt die kleine Grundschule in der Stadtmitte. Im Gebäude der bisherigen Werkrealschule, die aufgegeben wird, entsteht eine neue Grundschule mit Ganztagsbetreuung als Wahlangebot. Schon bislang haben 15 Schenkenzeller Familien deshalb ihre Kinder dort angemeldet. Dieses Angebot kann die Schenkenzeller Grundschule nicht machen, dafür ist sie zu klein. Derzeit besuchen rund 60 Mädchen und Buben die Schule, Tendenz fallend und Flüchtlingskinder bereits eingerechnet. Die Schiltacher Schule hat 200 Kinder und gilt damit als stabil.

Die Bürgerinitiative hatte für den Erhalt der Dorfschule gekämpft, die als familiär gilt und deren Angebot sie für gut einstuft. Es gebe im Augenblick keine Notwendigkeit, die Schule aufzugeben. Die Kommunalpolitik sieht das anders, könne jetzt auf Augenhöhe die Konditionen mit Schiltach verhandeln. Außerdem geht Schenkenzells Rektorin Angelika Klevenz-Fischer in den Ruhestand. Überhaupt hat die Schulfrage eine größere Dimension: Die Gemeinde mit rund 1750 Einwohnern braucht junge Familien. Womit ist sie attraktiver – mit einer eigenen Grundschule ohne Ganztagsbetrieb oder mit einer gemeinsamen Schule mit Ganztagsangeboten? Die Mehrheit sieht in der Fusion den besseren Weg. Ohnehin arbeiten beide Kommunen schon lange auf vielen Ebenen zusammen.

Rund 70 Interessierte waren gestern Abend auf den Rathausplatz gekommen, um das Ergebnis aus erster Hand zu erfahren. Bei den Eltern, einige hatten ihre Kinder dabei, machten sich Trauer und Enttäuschung breit. Einige standen den Tränen nahe. Aber sie trugen das Ergebnis mit Fassung. Bürgermeister Thomas Schenk und Katrin Kilguß, Sprecherin der Bürgerinitiative, gaben sich die Hand. Schenk bedankte sich für die Fairness der Debatte und ließ keinen Zweifel daran, dass die Gemeinde mit dem klaren Ergebnis die Verhandlungen mit Schiltach aufnehmen wird. Dies solle nach der Urlaubspause erfolgen.

Kommentar: Kopf über Herz

Von Volker Rath

Kopf über Herz – so lässt sich das Ergebnis des Bürgerentscheids zusammenfassen. Denn an einer Dorfschule hängen immer Emotionen. Schenkenzell hat sich Gedanken gemacht, wie die hohe Wahlbeteiligung und das überraschend klare Ergebnis zeigt. Es war weitaus schwerer, die Fusionsbefürworter für die Abstimmung zu mobilisieren. Die Bürgerinitiative steht auf den ersten Blick als Verlierer da.

Das stimmt aber nicht. Sie hat mit ihrem Engagement überhaupt erst ermöglicht, dass Kommunalpolitik mal wieder so breit diskutiert wurde. Die Fairness, mit der beide Seiten ihren Standpunkt vertreten haben, ist beeindruckend. Die Dorfgemeinschaft hat nicht gelitten, das Leben geht weiter. Das können Gemeinde und Schulleitung honorieren – in dem sie die Schenkenzeller Kinder nicht als Manövriermasse betrachten, sondern die Klassenverbünde erhalten!