Erdrutsch im Zundelgraben des Witticher Tals am 28. Dezember 1882 / Noch heute sind Spuren zu sehen

Von Willy Schoch Schenkenzell. Naturkatastrophen gab es im Schwarzwald in der Vergangenheit wohl immer wieder. Die schlimmste Tragödie in der Gemeinde Kaltbrunn ereignete sich wohl 1882. Es bot sich ein grauenvolles Bild der Zerstörung. Fünf Menschen starben unter den Erdmassen. Es waren die letzten Dezembertage des Jahres 1882. Also vor rund 130 Jahren. Starke Regenfälle gingen über das Tal in Hinterwittichen hinweg. Wärmer war es geworden. Tage zuvor war es noch eisig kalt. Der Schnee lag sehr hoch. Der vor allem an den steilen Hängen des Zundelgrabens auf dem Buntsandstein nur in dünner Schicht aufsitzende Boden wurde durchnässt und aufgeweicht und konnte dem Druck des nass und schwer gewordenen Schnees nicht mehr standhalten. An vielen Stellen gingen Erdrutsche nieder. Dann das dahertosende Wasser. Alles wurde weggerissen. Gebüsch, Bäume, Wohnhäuser und Ökonomiegebäude. Der ganze Hang wälzte sich in Richtung Witticher Talbach. Es geschah noch vor Tagesanbruch. Genau um 6.30 Uhr. Die heute 86–jährige Maria Armbruster aus Hinter-Wittichen erzählte, dass ihr Schwiegervater Johann Armbruster dies als sechsjähriger Junge selbst miterlebt hatte. Mit Donnergetöse löste sich der halbe Berghang als Folge von schmelzenden Schnee- und Eismassen mit rasender Geschwindigkeit. Das im Zundelgraben stehende Wohnhaus von Lorenz Armbruster war plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Lorenz und Rosalia waren zusammen mit ihren beiden Töchtern unter den Erdmassen begraben. Auch das andere Wohnhaus im Zundelgraben wurde stark beschädigt. In ihm wohnte Roman Hauer, ein 34jähriger Witwer und Vater von fünf minderjährigen Kindern. Er soll, so erzählt man, die Katastrophe vorausgeahnt haben. Auch er überlebte den Erdrutsch nicht. Noch heute sind im Witticher Tal Spuren dieses fürchterlichen Erdrutsches zu sehen. Ein breiter Wall von Schuttmassen, durchsetzt mit mächtigen Buntsandsteinblöcken. Fünf Menschenleben waren mit einem Schlag ausgelöscht.

Ein grauenvolles Bild der Zerstörung

Zuerst begann die Suche nach den Toden. Die Aufräumarbeiten wurden von Bürgermeister Konrad Armbruster und dem Bezirksratsmitglied Anton Schmid geleitet. Bürger aus Wittichen, dem Vortal und aus Kaltbrunn beteiligten sich an den Fronarbeiten. Über die Aufräumarbeiten liegt ein Bericht des damaligen Ratschreibers Martin Armbruster vor: "Die Leiche des Lorenz Armbruster wurde schon in der Früh, nachdem es Tag geworden war, aufgefunden. Die Tochter Rosalia, ledige Dienstmagd, 24 Jahre alt, welche sich Tags vor dem Unglück zu ihren Eltern begeben hatte, wurde nachmittags aufgefunden. Am 29. Dezember vormittags fand man ganz nahe beieinander, oberhalb des Wohnhaus des Ortsdieners Andreas Hauer, die Leichen von Rosalia Armbruster geb. Bühler und deren jüngerere Tochter Anna, zehn Jahre alt. Der verunglückte Roman Hauer wurde erst am 4. Januar 1883 beim Aufräumen des Baches von den Fürstlich Fürstenbergischen Waldarbeitern gefunden".

Der Fürst von Fürstenberg als Großgrundbesitzer im Witticher und Kaltbrunn Tal war persönlich herbeigeeilt. Hilfsmaßnahmen wurden eingeleitet. Der Fürst und das Bezirksamt übernahmen einen Großteil des Schadens. Zudem erhielten die Geschädigten noch "Milde Beiträge" von Bürgern aus Schenkenzell, Bergzell, Schiltach und Lehengericht. Nahrungs- und Kleidungsmittel stellte das Bezirksunterstützungs-Comité zur Verfügung. Das gesamt Erdrutschholz wurde versteigert zugunsten der Hinterwitticher. Noch heute lebt bei den Bewohnern dieses Ereignis als traurige Erinnerung weiter. Bereits 152 Jahre vorher, am 23. März 1730, zerstörte eine ähnlich große Erdschleife Im Müllerswald in Schenkenzell ein Doppelwohnhaus. Elf Einwohner kamen damals ums Leben. Ein Bildstock erinnert heute noch an dieses Unglück.

Weitere Informationen: Auf dieses Kleindenkmal und noch einige andere interessante Begebenheiten wird Willy Schoch in seinem Vortrag "Kleindenkmale und Grenzsteine in Schenkenzell und Kaltbrunn" am Donnerstag, 10. April 2014,im Haus des Gastes in Schenkenzell eingehen.