Die Soldatengedenkstätte Schenkenzell und der Grabstein für Andreas Goetz, der gestern nach der Restaurierung wieder aufgestellt wurde. Fotos: Schoch Foto: Schwarzwälder-Bote

Grabstein für Andreas Goetz steht wieder / Blick in Geschichte der Pfarrkirche Schenkenzell

Von Willy Schoch

Schenkenzell. Die aus einer Mönchszelle hervorgegangene Schenkenzeller Kirche Sankt Ulrich musste in ihrer 400-jährigen Geschichte der Pfarrgemeinde immer wieder vergrößert werden. Beim Kirchenabbruch im Jahre 1774 verunglücke der örtliche Chirurgus Andreas Goetz. Der mittlerweile restaurierte Grabstein für ihn hat seit gestern wieder einen Platz.

Sein vom Verfall bedrohter Grabstein wurde gerettet, konserviert und in der Gedenkstätte auf dem Friedhof wieder neu aufgestellt. Dieser Anlass bietet sich an, keinen Blick auf die Kirchengeschichte und das persönliche Schicksal von Goetz zu werfen.

Die Besiedelung des oberen Kinzigtals verdichtete sich Ende des 11. Jahrhunderts. Mit dazu bei trug auch die Gründung des Benediktinerklosters Alpirsbach. Das wohl erste Bauwerk in Schenkenzell war eine Zelle auf einer Anhöhe zwischen den beiden Wasserläufen Kinzig und Reinerzau. Um das Gebiet der westlichen Ecke zu kennzeichnen, setzte das Kloster ein Kirchlein dorthin und wies es einem Mönch als Aufenthalt an.

Erstmals wurde 1275 ein Plebanus (Pfarrer) de Cella pincerne erwähnt, dem Dekanat Kirnbach zugehörig. Von einer Pfarrkirche jener Zeit gibt es keine Nachrichten. Wann genau diese Zelle zur Pfarrkirche wurde, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich war sie von jeher dem Schutz des Schwabenheiligen Sankt Ulrich von Augsburg anvertraut gewesen. 1331 übertrug Bischof Ulrich von Konstanz das Patronatsrecht auf das Kloster Wittichen und damit auch die Einkünfte von Schenkenzell. Als Gegenleistung musste das Kloster einen Pfarrverweser in Schenkenzell einsetzen und diesem "ein gebührendes Gehalt" bezahlen, damit er "seinem Stande gemäß" leben konnte. Hieran änderte sich bis zur Aufhebung des Klosters im Jahre 1803 nichts mehr. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde in Schenkenzell der Neubau einer Kirche eingeweiht; genau an der Stelle, wo 400 Jahre früher die Mönchszelle errichtet wurde. Lange Zeit später wurde aus dem Boden des Friedhofs ein Teil eines Türbogens gehoben mit der eingehauenen Zahl 1515. Der Stein wurde dann in die Friedhofsmauer eingesetzt, die heute verputzt ist.

Es verstrichen die Jahrzehnte. Die Seelenzahl in der Gemeinde stieg. Der Platz reichte nicht mehr aus. Ortspfarrer Segismann drängte auf die Erweiterung des mittelalterlichen Kirchenbaus: "Daß unser vorgehabtes Kirchengebäu wiederummen solle zurückgestellt werden, ist mir leid." Im Jahre 1709 war es dann aber soweit. Die Kirche wurde vergrößert, und der Konstanzer Weihbischof weihte die Kirche samt den Altären. Das Kirchlein war dann im Langhaus 40 Schuh (zwölf Meter) lang und 30 Schuh neu Meter) breit und im Chor neun Meter lang und sechs Meter breit. Das ganze Bauwerk war verhältnismäßig niedrig.

Rund 50 Jahre später standen am Hochaltar zwingende Reparaturen an. Ein Verzeichnis der "Opfer und Beisteuer zu dem Hochaltar" aus dem Jahre 1758 weist darauf hin, dass man damals unter der Mithilfe "der Bürger, Bauern, Halbbauern, Taglöhner und lediger Personen" eine Erneuerung vornahm. Rund 60 Jahre nach der letzten Kirchenvergrößerung wurden "795 Kommunikanten und 203 Kinder" in der Pfarrgemeinde gezählt. Wieder stellte sich ein Platzmangel ein. Das Gotteshaus sei "am Dachstuhl und Mauerwerk ziemlich ruinös" und "dergestalt zu erweitern, dass durch solche Reparation wenigstens 120 Personen ehender Platz verschafft werden möge".

Es waren schließlich Pfarrer Franz Hildbrant und das Kloster Wittichen, die damals entsprechende Vorstellungen in der Bischofsstadt Konstanz erhoben. Um alle damit zusammenhängenden Fragen zu klären, wurde Karl Bob, Pfarrer in Bösingen, beauftragt, an Ort und Stelle mit den Beteiligten und mit Sachverständigen zu prüfen, welche Bauarbeiten notwendig wären und wer die Kosten dafür zu tragen hätte. Das geschah am 27. Oktober 1772.

Als Zehntherr und Patron musste das Kloster Wittichen die Baupflicht und die Kosten übernehmen, da der Kirchenfonds selbst dazu nicht in der Lage war. Eine nochmalige Erweiterung und Ausbesserung der alten Kirche zeigte sich bald als unmöglich. Am 16., 17. und 18. März 1774 wurde die Kirche bis auf den Turm abgerissen. Bei diesen Abrissarbeiten gab es am letzten Tag einen tödlichen Arbeitsunfall. Der örtliche Chirurgus (Arzt) Andreas Goetz, der mit 72 Jahren noch selbst Hand anlegte, war abgestürzt und brach sich hierbei das Genick.

Goetz wurde auf dem örtlichen Friedhof beerdigt. Der schmucke Grabstein war bis 1982 in der rechten Friedhofsmauer eingelassen. Mit dem Ausbau der B 294 wurde die Friedhofsmauer verlegt und der Grabstein entfernt. Über 30 Jahre schlummerte der historische Grabstein bei einem Steinmetz in der Werkhalle in Haslach so vor sich hin. Im Zusammenhang mit der Erfassung der Kleindenkmale im vorigen Jahr ist man auf dieses Grabepitaph wieder aufmerksam geworden. Ein Restaurator hat diesen heimatgeschichtlichen Zeitzeugen konservatorisch behandelt. Nach seiner Meinung sollte der zwischenzeitlich 240 Jahre alte Sandstein künftighin vom Wetter geschützt aufgestellt werden. Dies wird im ehemaligen "Beinhaus" sein – ein würdiger Platz nahe der Unfallstelle.