Sanieren der alten Krankenhäuser lohnt sich nicht, ein neues Großklinikum ist die wirtschaftlich bessere Lösung: Zu diesem Ergebnis kommt eine am Dienstag vom Klinikverbund Südwest vorgestellte Untersuchung zur Zukunft des Klinikums Sindelfingen-Böblingen. Foto: Leif Piechowski

Gutachter rät, die Häuser in Böblingen und Sindelfingen für einen 334 Millionen Euro teuren Neubau aufzugeben.

Sindelfingen - Der Krankenhausbetrieb ist ein schwieriges Geschäft. Es geht ums Wohl der Patienten, aber auch ums Geld. Bei letzterem hat der Klinikverbund Südwest die hohen Erwartungen bisher nicht erfüllt. Die Holding, 2006 gegründet von den Landkreisen Böblingen und Calw sowie der Stadt Sindelfingen, schreibt rote Zahlen. Erwartet worden war von dem Zusammenschluss die „schwarze Null“. Die Häuser in Sindelfingen und Böblingen, die zu einem Klinikum verschmolzen wurden, sowie die Standortorte Herrenberg, Leonberg, Calw und Nagold sollten sich selbst tragen und ihre Investitionen erwirtschaften. Davon sind sie sechs Jahre nach der Gründung weit entfernt. „Ernüchterung ist eingekehrt“, sagt der Böblinger Landrat Roland Bernhard.

Die roten Zahlen und der bei einer internen Prüfung festgestellte hohe mittel- und langfristige Sanierungsbedarf für das Klinikum Sindelfingen-Böblingen haben zu dem Gutachten geführt, das am Dienstag im Sindelfinger Krankenhaus vorgestellt wurde. „Das Ergebnis hat uns nicht überrascht“, sagt Sindelfingens OB Bernd Vöhringer. Er und auch Bernhard – die Stadt Sindelfingen und der Landkreis Böblingen sind die Gesellschafter des Klinikums – hatten damit gerechnet, dass ein großes Haus langfristig günstiger ist als zwei.

Die harten Fakten sehen laut der 500 Seiten starken Untersuchung der Tübinger Firma Teamplan, einem bekannten Unternehmen für Klinikplanung, so aus: Ein Neubau auf dem Flugfeld, dem gemeinsamen Wohn- und Gewerbegebiet der Städte Böblingen und Sindelfingen, ist die wirtschaftlich sinnvollste Lösung. Das neue Großklinikum würde rund 334 Millionen Euro kosten. Teamplan-Geschäftsführer Martin Kern geht von einer Planungs- und Bauzeit von insgesamt sieben Jahren aus. Das Gebäude würde eine Fläche von 52.000 Quadratmetern haben. Den Bettenbedarf beziffert Kern im Jahr 2030 auf 734. Heute hat das Klinikum 710 Planbetten, davon 375 in Sindelfingen.

Einen der alten Standorte auszubauen, ist laut Gutachter zu teuer und dauert zu lange

Andere Varianten empfiehlt der Gutachter nicht. So würde die Zusammenlegung der Häuser in Sindelfingen voraussichtlich 356 Millionen Euro kosten. Die Bauarbeiten würden sich, da der Klinikbetrieb weiterlaufen muss, über 19 Jahre hinziehen. In Böblingen, wo noch vor wenigen Jahren ein neues Bettenhaus hingestellt wurde und die Kinderklinik ein neues Gebäude bekommen hat, würden sich die Baukosten auf 294 Millionen Euro belaufen. Die Bauzeit gibt Kern mit 17 Jahren an. Gar keine Chance hat der heutige Zustand. Der Weiterbetrieb der Häuser in Sindelfingen und Böblingen würde in den nächsten 50 Jahren ein Defizit von knapp einer halben Milliarde Euro einfahren. Das Großklinikum auf dem Flugfeld ist laut Gutachter auch die einzige Möglichkeit, um aus den roten Zahlen zu kommen. Die kommunalen Betreiber könnten damit 7900 Patienten im Jahr mehr bekommen. Das entspricht einer Steigerung von zehn Prozent.

„Der Neubau ist die große Chance für uns , die medizinische Versorgung der Bevölkerung für die nächsten Jahrzehnte sicherzustellen“, sagt Vöhringer. „Das Gutachten hat objektive Fakten gebracht, doch die harte Arbeit beginnt erst jetzt“, so Bernhard. In den nächsten Monaten sollen die Kreis- und Stadträte, die in den Aufsichtsratsgremien des Klinikverbunds Südwest und seiner Gesellschaften sitzen, von dem Neubau überzeugt werden. Ein Grundsatzbeschluss wird Ende dieses Jahres erwartet. Dann folgen die Verhandlungen mit dem Sozialministerium des Landes. Positive Signale, so Vöhringer und Bernhard, habe es bei ersten Gesprächen bereits gegeben.

Der Calwer Landrat Helmut Riegger , der dritte Partner im Klinikverbund, unterstützt den Neubau auf dem Flugfeld. Er will jetzt für die Häuser in Calw (199 Betten) und Nagold (227) ebenfalls ein Gutachten erstellen lassen. Auch hier geht es darum, ob die Kliniken zusammengelegt werden.