Im Ruanda-Prozess in Stuttgart sind am Montag die Urteile gefallen. Foto: dpa

Zwei Männer sind vor dem Landgericht Stuttgart zu langen Haftstrafen verurteilt worden, weil sie sich von Deutschland aus in den Bürgerkrieg im zentralafrikanischen Kongo eingeschaltet haben.

Stuttgart - Ende eines Mammutverfahrens: Das Stuttgarter Oberlandesgericht hat am Montag gegen einen Drahtzieher von Kriegsverbrechen im Ostkongo 13 Jahre Gefängnis verhängt. Er und ein zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilter Komplize haben von Deutschland aus eine Rebellengruppe in Ostafrika geführt. Der Vorsitzende Richter Jürgen Hettich übte massive Kritik an der langen Prozessdauer. „So geht es nicht“, sagte er mit Blick auf den hohen organisatorischen und zeitlichen Aufwand von über vier Jahren.

Ein Verfahren mit solchem Auslandsbezug sei mit der deutschen Strafprozessordnung nicht in den Griff zu bekommen. Das Erheben der Beweismittel in einer 6000 Kilometer entfernten Region sei eine „Herkulesaufgabe“ gewesen, sagte Hettich. Er betonte, es habe sich um ein Strafverfahren und nicht - wie von der Verteidigung behauptet - um ein politisches Verfahren gehandelt.

Der 52 Jahre alte Hauptangeklagte wurde wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Beihilfe zu Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen. Ein 54-Jähriger erhielt wegen Rädelsführerschaft eine Haftstrafe von acht Jahren, muss aber wegen langer Untersuchungshaft nicht mehr hinter Gitter.

Nach Ansicht des Gerichts war der 52 Jahre alte Funktionär als Präsident der Hutu-Miliz FDLR („Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas“) für Verbrechen im Kongo 2008 und 2009 verantwortlich. Die Delikte habe er von Deutschland aus per Satellitentelefon, SMS und E-Mail gesteuert. Für ihn hatte die Bundesanwaltschaft lebenslange Haft gefordert, für seinen Stellvertreter zwölf Jahre Haft. Die Verteidigung hatte Freispruch für die beiden ruandischen Staatsangehörigen verlangt.

Angeklagte hatten Vorwürfe zurückgewiesen

Hettich berichtete von mehreren Übergriffen des militärischen Arms der FDLR auf Dörfer im Kongo, bei denen zahlreiche Zivilisten ums Leben kamen. So seien bei einer Aktion im Mai 2009 mindestens über 90 Menschen getötet worden. „Sie wurden erstochen und erschlagen.“ Ziel der FDLR sei es gewesen, in Ruanda wieder an die Macht zu kommen, sagte Hettich. Beiden Angeklagten sei es bewusst gewesen, dass es dabei zu Kriegsverbrechen kommen könne. Das hätte das Dou billigend in Kauf genommen. Die Verteidigung kritisierte den Schuldspruch. Das Verfahren sei nicht rechtsstaatlich gewesen.

Der ruandische Justizministers Johnston Busingye bezeichnete das Urteil als „guten Schritt“ auf dem Weg der juristischen Wiederaufarbeitung. „Die Opfer werden zufrieden sein, denn die Gerechtigkeit hat gesiegt.“ Dies sei ein guter Schritt, sowohl um den Opfern der FDLR Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen als auch für den Kampf gegen die dahinterstehende Ideologie, betonte er. Der Minister beklagte jedoch, dass die Miliz im Ost-Kongo weiter aktiv sei und dort ungestraft die Bevölkerung terrorisiere. „Die Welt spricht viel davon, dem ein Ende zu bereiten, aber es passiert nichts.“

Der Schuldspruch gegen die Angeklagten zeige, dass die Welt für Kriegsverbrecher immer enger werde, sagte Géraldine Mattioli-Zeltner von Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

Die FDLR geht auf den Völkermord in Ruanda 1994 zurück. Nach Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen der Hutu und Tutsi, bei denen rund 800 000 Menschen starben, flohen mehr als zwei Millionen Ruander - mehrheitlich Hutus - in die angrenzende Demokratische Republik Kongo. Dort wurde später die FDLR gegründet, die Teile Kongos kontrollierte.

Beide Angeklagten haben die Vorwürfe in dem rund fünf Millionen Euro teuren Verfahren zurückgewiesen. Die Bundesanwaltschaft hatte dem Duo Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Diese Delikte sind vom Völkerstrafgesetzbuch abgedeckt, auf dessen Grundlage das Stuttgarter Gericht Recht sprach.