Tarsem Singh Chandi und seine Kinder Sellin und Jessica sind mitten in Rottweil zu Hause – und fühlen sich auch so. Foto: Schickle

Der Inder Tarsem Singh Chandi und seine Familie leben seit fünf Jahren in der Stadt.

Rottweil - Schmeckt Heimat nach Lamm-Curry oder nach Spätzle? Diese Frage dürfte für Familie Chandi nicht leicht zu beantworten sein. Zwar liegen ihre Wurzeln in Indien, zu Hause ist sie aber mitten in Rottweil.

Tarsem Singh Chandis Schwäbisch wird jeden Tag ein bisschen besser. "Am Anfang habe ich gar nichts verstanden", erzählt er schmunzelnd. Dabei ist der 39-Jährige ein Sprachtalent. Der gebürtige Inder spricht Punjabi, Hindi, Englisch und Deutsch. Was für eine hohe Hürde die Sprache sein kann, hat er allerdings nicht nur bemerkt, als er von Indien nach Deutschland kam, sondern auch bei seinem Umzug von Sachsen-Anhalt nach Baden-Württemberg. Seit 2007 ist er mit seiner Familie in der ältesten Stadt des Landes zu Hause.

Nicht immer war sein Leben so beschaulich wie hier in Rottweil. Der 39-Jährige ist 1993 nach Deutschland gekommen. Damals herrschte in dem nordindischen Bundesstaat Punjab, wo er herkommt, Krieg zwischen Sikh und Hindus. Viele seiner Bekannten seien getötet worden. "Wir hatten Angst damals", erzählt er. Viele haben darum ihr Dorf verlassen. Weil sein älterer Bruder bereits in Saarbrücken lebte, war auch Tarsem Singh Chandis Ziel Deutschland, die erste Unterkunft in der Fremde ein Asylantenheim in Magdeburg. Über Freunde ist er schließlich in den Südwesten gekommen und 2007 dann nach Rottweil. "Es hat uns gefallen", sagt er. Die Stadt sei ruhig und gemütlich.

Inzwischen betreiben die Chandis nicht nur ein indisches Restaurant, das "Taj Mahal" in der Hauptstraße, sondern gleich gegenüber auch ein Kleidergeschäft. Darüber wohnt die vierköpfige Familie auch – mitten in der Stadt.

Unterschiede zwischen Indern und Deutschen kann Chandi keine großen ausmachen. Eher schon sieht er, wie anders die Rottweiler im Vergleich zu den Menschen in Magdeburg sind. "Die Leute waren ganz gegen Ausländer", erinnert er sich an seine Zeit in Sachsen-Anhalt. "Geh raus aus unserem Land!", hätten ihn Nazis angepöbelt, viele seiner Landsmänner seien auch verprügelt worden. In Rottweil sei ihm so etwas noch nie passiert.

44 Inder in der Stadt

"Wir sind freundlich, die sind freundlich", beschreibt Chandi das Verhältnis zu seinen Kunden, "es gibt keine Probleme". Allzu viel Gelegenheit, um darüberhinaus mit Rottweilern in Kontakt zu kommen, hat die Familie nicht – Chandi und seine Frau Ranjeet arbeiten jeden Tag von 8 Uhr bis Mitternacht. Allerdings hält sich auch die Zahl ihrer indischen Bekannten hier in Grenzen. Sie kennen nur einige der 44 Inder, die in der Stadt gemeldet sind.

Berührungsängste hat der 39-Jährige dennoch keine: In Magdeburg war er mit einer deutschen Frau verheiratet. Die unterschiedlichen Kulturen, sagt er, seien nie das Problem gewesen. Während er allerdings die halbe Welt zwischen sich und Indien gebracht hatte, wollte sich seine Frau nicht einmal von Magdeburg trennen. Ein Umzug nach Süddeutschland sei für sie nicht infrage gekommen. An der Distanz scheiterte schließlich die Beziehung.

Die Scheidung ist lange her, Chandi inzwischen längst mit einer anderen Frau verheiratet: mit einer indischen diesmal. Gemeinsam mit Ranjeet hat er die beiden Kinder Jessica (7) und Sellin (4). Auch die beiden fühlten sich wohl hier.

Etwas allerdings fehlt dem Ehepaar Chandi dann doch hier in Rottweil: "Die Freunde vermisst man, und die Eltern." Deshalb wird jeden Tag nach Indien telefoniert, und jeden Winter fährt die Familie nach Punjab in Urlaub.

Und wo ist ihre Heimat? "Momentan hier", sagt Tarsem Singh Chandi. "Wo mein Mann ist, da ist meine Heimat", fügt seine 36-jährige Frau lachend hinzu. Nicht unbedingt für immer in Rottweil, so viel steht fest. Denn in der Beziehung denkt Chandi in europäischen Dimensionen: Sollte Deutschland durch die Eurokrise in eine ähnliche finanzielle Schieflage wie Spanien oder Portugal geraten, würden die Chandis sich neu orientieren. "Wenn's schlechter geht, dann kann man umziehen", meint das Familienoberhaupt. Einmal Weltenbummler, immer Weltenbummler.u Integration – gelungen oder nicht? In den kommenden Wochen wollen wir verschiedene Geschichten zu dem Thema veröffentlichen und schauen, wie es um die Integration in Rottweil steht.