Künstlerportrait: Schauspieler spricht über das Schöne an seinem Beruf, Traumrollen und das Rottweiler Publikum

Rottweil. Bagdasar Khachikyan ist Sänger und Schauspieler. Im Zimmertheater war er auf der Bühne zu sehen in: "Kabale und Liebe", "Alice im Wunderland", "Der Glöckner von Notre Dame", "Die Zauberflöte", "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand", "Always crashing in the same car", "Der Kaufmann von Venedig" und "Peter Pan". In "Woyzeck" hat er den Chor geleitet.

Wo kommen Sie her? Wo sind Sie zu Hause?

Ich komme aus Krasnodar (Russland). Von 2010 bis 2013 war ich mit dem Don Kosaken Chor auf Europa-Tournee und habe unter anderem auch ganz Deutschland bereist. Später habe ich an der Musikhochschule in Trossingen studiert. Die Frage nach dem Zuhause ist für mich bis heute kompliziert. Seit sechs Jahren stelle ich sie mir immer wieder. In Deutschland fühle ich mich erst seit zwei Jahren wohl und kann mir vorstellen, dass mein Lebensmittelpunkt auch in der Zukunft hier sein wird. Die Schwierigkeiten der ersten Zeit waren natürlich mit der Sprache verbunden, aber auch mit der Mentalität. Integration war für mich ein langsamer Prozess, aber ich habe mich sehr bemüht.

Warum sind Sie Sänger geworden? War das immer schon Ihr Traumberuf?

Ich habe mir immer schon vorgestellt, in diese Richtung zu gehen. Mit elf Jahren habe ich angefangen, Blockflöte und später Klarinette zu spielen. Ich habe auch immer wieder in verschiedenen Chören gesungen und mich für die Chorarbeit und klassische Musik interessiert. Drei Semester lang habe ich in Krasnodar Chorleitung studiert und bin dann zum Gesang gewechselt.

Wie war Ihr Werdegang als Schauspieler?

Die Schauspielerei hat sich spontan entwickelt. In Peter Staatsmanns Inszenierung "Die Hochzeit des Figaro" an der Hochschule in Trossingen habe ich Cherubino gespielt. Es war eine große pantomimische Rolle. Ich konnte zeigen, dass ich auch kreativ sein und viele Sachen selbst entwickeln kann. Und dann hat Peter Staatsmann mir vorgeschlagen, am Zimmertheater zu spielen.

Was ist das Schöne an diesem Beruf?

Wenn man mich fragt, welche Hobbys ich habe, dann antworte ich: Ich liebe meinen Beruf. Ich lerne in der Freizeit zwar gern Fremdsprachen, ich interessiere mich für neue Technologien, aber ich brauche eigentlich kein richtiges Hobby. Bei meiner Arbeit ist schon jeden Tag genug los. Das Interessante ist aber, dass es auch in diesem Beruf Routine gibt. Das Leben eines Künstlers ist nicht immer ein Fest.

Was ist das Schwierige an diesem Beruf?

Das Schwierige ist, Stabilität zu bekommen und Geld zu verdienen. Man muss sich immer wieder neu bewerben. Das finde ich manchmal nervig. Gleichzeitig ist es aber auch interessant, neue Leute und neue Orte kennenzulernen. Ich glaube, ein Künstler kann nie im Leben Ruhe haben. Man reflektiert auch sehr viel. Was, wenn ich das nicht schaffe? Kann ich meinen Erfolg noch wiederholen oder übertreffen? Manche sind dann irgendwann müde und möchten etwas anderes machen. Ich finde, ich bin ein glücklicher Künstler. Ich habe in verschiedenen Chören gesungen, ich habe Theater gespielt, getanzt, Musik komponiert, Chorleitung gemacht. Und sogar Liedtexte auf Deutsch habe ich für Inszenierungen geschrieben!

Seit wann spielen Sie im Zimmertheater Rottweil?

Seit Oktober 2014. Meine allererste Rolle in "Kabale und Liebe" war eher musikalisch als schauspielerisch geprägt. Seitdem habe ich viele Produktionen gemacht, aber die Schauspielerei ermüdet mich immer noch mehr als der Gesang. Ich kann problemlos ein Konzert mit 14 Arien singen, aber nach einer zweistündigen Probe bin ich oft total erschöpft. Da ich mit professionellen, erfahrenen Schauspielern zusammenarbeite, ist es immer eine Herausforderung.

Mit der Zeit ist es entspannter geworden. Man kommuniziert viel miteinander, man lernt sich immer besser kennen. Das Zimmertheater ist für mich inzwischen eine richtige Familie geworden.

Wie ist das Publikum in Rottweil?

Ich finde, das Publikum ist sehr aufmerksam und sehr ehrlich. Es ist sehr wertvoll, wenn die Zuschauer nicht nur loben, sondern auch auf schwache Stellen aufmerksam machen.

Wie entsteht eine Inszenierung? Ist die Probenzeit eine anstrengende Zeit?

Die Probenzeit ist immer anstrengend. Ich bereite ja oft das Musikkonzept vor. Und manchmal stellt es sich bei der Endprobenwoche heraus, dass wir etwas Neues brauchen und schnell lernen müssen. Diese Veränderungen sind erschöpfend. Etwa zwei Wochen vor der Premiere beginnt die anstrengendste Zeit, dann sind alle angespannt.

Was bedeutet eine Premiere für Sie?

Es ist eine Mischung aus großer Feier und gleichzeitig großer Arbeit. Oft entwickeln sich nach der Premiere noch viele Sachen, es erschließen sich weitere Bedeutungen, neue Tiefen. Es ist spannend zu beobachten, wie sich die Vorstellung entwickelt.

Haben Sie eine Lieblingsrolle?

Ich habe Antonio in "Der Kaufmann von Venedig" sehr gern gespielt. Da hatte ich großartige Monologe und die Möglichkeit, mein Können zu zeigen. Beim Sommertheater herrscht schon eine besondere Atmosphäre.

Haben Sie eine Traumrolle?

Meine Traumrolle ist die Rolle von Sesto in Georg Friedrich Händels Oper "Julius Cäsar". Es ist ein temperamentvoller junger Mann, der großartige Arien singt und den ich auch vom Charakter her interessant finde. Meine zweite Traumrolle ist Oscar aus "Ein Maskenball" von Giuseppe Verdi. Aber diese Rolle singen fast immer die Frauen. Auch Dr. Frank N. Furter aus "Rocky Horror Show" würde ich gerne spielen.

An welchem Projekt arbeiten Sie aktuell?

Ich mache im Moment eine Produktion am Komödien- und Volkstheater Fischer-May in Münster bei Dieburg. Die Produktion heißt "Zwei Apfelsinen im Haar" und besteht aus vielen alten Schlagern. Ich spiele einen Studenten, der sich als Macho gibt, und am Ende stellt sich heraus, dass er in einen Mann verliebt ist.   Die Fragen stellte Tatsiana Zelenjuk.