Auf dem Dachboden der Gerberei hängt Besitzer Carl-Friedrich Trautwein Hunderte Fälle zum Trocknen auf. Foto: Danner Foto: Schwarzwälder-Bote

Serie: 50 000 Felle im Jahr / Von Orthopädie bis zum Musikinstrument – Trautwein hat viele Standbeine

Von Vera Danner

Rottweil/Schiltach. Das Gerbereigewerbe hat den Ruf, ein im wahrsten Sinne des Wortes stinkendes zu sein. Auch die rund 17 Gerbereien Schiltachs wurden im 17. Jahrhundert deswegen vor die Stadtmauer verbannt und hatten einst in den Fachwerkhäusern eines gesamten Straßenzugs ihre Werkstätten. Von dem ehemals florierenden Geschäft in der "Gerbergasse" ist heute nichts mehr zu sehen – lediglich der Straßenname hat die Jahrhunderte überdauert. Der Straßenname und die Gerberei Trautwein.

Der Letzte seiner Art geht seiner Arbeit ein paar Straßen weiter nach: Carl-Friedrich Trautwein führt die einzige verbliebene, handwerkliche Gerberei im Schwarzwald. Außer dem seinen gebe es heute deutschlandeweit vielleicht noch drei oder vier weitere Betriebe dieser Größe, erzählt er.

Trautwein führt die Gerberei in der 13. Generation. Doch dass das Traditionshaus seit 1650 erfolgreich bestehen konnte, ist kein Zufall. Denn in den vergangenen 100 Jahren ist für Gerber ein potenzieller Absatzmarkt nach dem anderen weggefallen.

Die Textil- und Schuhproduktion hat sich schon vor langer Zeit ins kostengünstigere Ausland verlagert, selbst Feinleder zur Herstellung von Handschuhen oder Geldbeuteln wird meist im Ausland eingekauft. Und wurde in der Gerberei Trautwein in der Nachkriegszeit noch hauptsächlich Weißleder für die Orthopädie gegerbt, die Kriegsveteranen mit Prothesen und Stützen versorgte, so stellt dieser Bereich heute nur noch eines ihrer vielen Standbeine dar. "Wir haben uns Märkte gesucht, die wir bedienen können", erklärt Trautwein.

Abnehmer der Gerberei, die im Jahr bis zu 50 000 Schafsfelle bearbeitet, sind heute vor allem Versandhäuser von Naturtextilien. Aber auch für Musikinstrumente wird hier produziert, das feine, weiche Leder kommt beispielsweise im Orgelbau oder in Geigenbögen zum Einsatz. Ein nicht unerheblicher Teil gehe zudem zurück an die Schäfer aus der Region.

Dass die Felle fast ausschließlich von Tieren stammen, die auf Baden-Württembergs Wiesen weideten, macht die Meistergerberei für Kunden attraktiv. Schadstofffrei, gegerbt nach hohen Standards und versehen mit dem Qualitätssiegel des internationalen Verbandes der Naturtextilwirtschaft – Leder, das diese Ansprüche erfüllt, locke noch immer viele Kunden. Dass sein Vater zum richtigen Zeitpunkt auf den "Öko-Zug" aufsprang, habe den Betrieb vor einigen Jahrzehnten wortwörtlich die Haut gerettet, erzählt Trautwein.

Denn Ende der 80er-Jahre, als Trautwein gerade seine Ausbildung zum Pelzveredler in Stauffen abschloss, sei der viele Jahre andauernde Pelztrend, auf den die Familie in ihrem Unternehmen gesetzt hatte, plötzlich radikal zurück gegangen.

Zuvor schon wurde den kleinen Gerbereien, die sich die neuartigen Technologien im Gegensatz zu den großen Lederfirmen nicht leisten konnten, durch neue Umweltauflagen in den 70ern das Leben erschwert – eine nach der anderen schloss. Preislich mit der Konkurrenz im Ausland mitzuhalten, wurde immer schwieriger.

Die west-deutsche Gerberschule in Reutlingen, jahrzehntelang bundesweit die wichtigste und renommierteste Ausbildungsstätte für Lehrlinge im Ledergewerbe, ging 2011 insolvent und musste schließen.

Der Gerberei Trautwein geht es heute gut, die acht Angestellten und ihr Chef sind ausgelastet. Das Modehaus "Trautwein – Leder, Mode, Tracht" dient seit 40 Jahren als zusätzliches Standbein. "Im Moment sind wir sorgenfrei." Doch man müsse sich ständig neu orientieren und bereit sein, mit der Zeit zu gehen. Trotzdem oder gerade deshalb liebt Trautwein seinen Beruf: "Es macht mir einfach Freude, aus einem eigentlich dreckigen Produkt etwas Schönes zu machen."