Hier am Bockshof in Rottweil könnte ein Baumfeld zur Erinnerung an Opfer des NS-Zeit entstehen. Doch nicht alle Gemeinderäte sind mit der Standortwahl glücklich. Foto: Nädele

Erinnerungsort für jüdische Opfer der NS-Zeit: Gemeinderat diskutiert über geeigneten Standort.

Rottweil - Die Grundlinie stimmt: Der Gemeinderat verleiht der Erinnerungskultur an die Opfer der NS-Zeit in der Stadt mehr Gewicht. Nicht ganz einig war sich das Gremium jedoch in der Frage, wie man der jüdischen Opfer gedenkt. Vor allem der Ort scheint umstritten. Dieser Punkt wurde zurückgestellt.

Am Anfang gab es ein Ziel: Ein öffentlicher Konflikt über die Form der Erinnerung an die NS-Opfer, wie es teilweise in anderen Städten vorgekommen sei, solle es in Rottweil nicht geben. Das war den Beteiligten – Stadtverwaltung, Vertreter der Kirchen, der jüdischen Gemeinde, des Bischöflichen Konvikts und des Vereins Ehemalige Synagoge – wichtig.

Das ist offensichtlich zum großen Teil auch gelungen. Einen Konflikt trugen die Stadträte in ihrer öffentlichen Sitzung am Mittwochabend, nachdem sie zuletzt 14 Tage zuvor im Fachausschuss darüber hinter verschlossenen Türen beraten hatten, nicht aus. Einigkeit herrschte wiederum auch nicht. Diskussionsbedarf gab es vor allem in der Frage, wie man an die jüdischen Opfer der NS-Zeit erinnern könne. Die Meinungen gingen auseinander: FFR-Stadträtin Heide Friederichs plädierte in Anlehnung an Beispiele in anderen Städten für so genannte Stolpersteine. Das sind auf dem Boden eingelassene kleine Tafeln, die auf Name, Wohnort, Geburtsjahr und Todesdatum des jüdischen NS-Opfers hinweisen.

Der Großteil des Gremiums indes war sich einig, mithilfe der Symbolkraft von Bäumen auf die einstigen jüdischen Mitbürger hinzuweisen, die in der NS-Zeit ungebracht wurden. Das Baumfeld solle ein lebendiger und wachsender Erinnerungsort werden. Es solle eine Tafel mit einem erläuternden Text, den Namen der jüdischen Opfer und den Bezug zu allen anderen Opfern sowie auf die Entwicklung jüdischen Lebens in Rottweil unter der NS-Herrschaft erhalten.

Ratskollege Herbert Sauter (CDU) wiederum warf im Laufe der Debatte, als keine Einigung auf einen Standort dieses Baumfelds absehbar war, ein, lediglich eine Erinnungstafel an die neu zu errichtende Synagoge anzubringen. Doch Oberbürgermeister Ralf Broß entgegnete, dass dies nicht im Sinne der jüdischen Gemeinde sei, die darüber hinaus auch die Form der Stolpersteine ablehne, da diese mit Füßen getreten würden.

Man muss wissen, dass sich die Gruppe seit fast zwei Jahren mit Art und Weise der Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit befasst, darüber diskutiert und in vielen Punkten eine Übereinkunft erzielt hat.

Beispielsweise, was die Veranstaltungsreihe anbelangt. So solle es nun keine mehrwöchige Veranstaltungsreihe mehr geben, da der Spannungsbogen über einen längeren Zeitraum nicht gehalten werden könne. Mit der künftigen Nutzung der Synagoge werde jüdisches Leben in Rottweil immer mehr zum Alltag gehören, ist die Einschätzung der Gruppe. Veranstaltungen mit jüdischen Inhalten sollten selbstverständlich Teil des Rottweiler Veranstaltungsprogramms sein.

Festhalten wolle man indes an der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht am 9. November im Konvikt. Zudem solle eine Internetdokumentation zu den Häusern ehemaliger jüdischer Inhaber erstellt werden. Tafeln an den Gebäuden sollen an die früheren Bewohner erinnern, vorausgesetzt, die jetzigen Bewohner sind damit einverstanden. Das wurde am Mittwochabend einstimmig beschlossen.

Bleibt die Idee mit dem Baumfeld. Hier wurde eine Grundsatzentscheidung getroffen. Bei drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen wurde entschieden, an einem entsprechenden Ort in der Stadt symbolträchtige sieben Bäume für die 24 jüdischen Opfer zu pflanzen.

Aber wo? In der Diskussion wurden vor allem zwei mögliche Standorte genannt: Bockshof und Zwinger. Entschiedenster Gegner des Bockshofs, auch aus persönlicher Betroffenheit, war Stadtrat Jörg Stauss (Freie Wähler). Der Bockshof sei der einzige grüne Aufenthaltsort für die Bewohner des angrenzenden Wohnviertels. Durch die Bäume und einen Wendehammer würde die Aufenthaltsqualität geschmälert, meint Stauss.

Der Zwinger kommt wiederum für SPD-Rat Jürgen Mehl nicht in Frage. Der Zwinger sei früher ein Stadtgraben gewesen, eine Müllhalde mit Abwasserkanal. Es gebe keine Beziehung zum Lorenzort oder Johanniterort, zu jenen Orten, an denen früher Juden lebten. Stadträtin Monika Hugger wiederum brachte den Weg vom Hochturm zum Nägelesgraben ins Spiel. Wenn einmal die Feuerwehrgebäude abgerissen würden, gäbe es neuen Spielraum zur Gestaltung des Weges. Das dauere etwas länger, habe aber seine Vorzüge.

Viele Vorschläge, Argumente und Ideen und ein Beschluss: Wo die Bäume hinkommen, solle zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden.