Ansturm auf die neue Obrigkeit: Die Proklamation am Sonntag lockt Jahr für Jahr mehr Zuschauer. Fotos: Schnekenburger Foto: Schwarzwälder-Bote

Proklamation: Narrenzunft übernimmt mit der Macht auf dem Rathaus auch ein echtes Luxusproblem

Dieses Jahr ist ein besonderes: Nicht nur, dass Rottweil 2017 den Narrentag des Viererbundes feierte – und der noch immer nachklingt –, als die Zunftoberen gestern das Rathaus inspizieren, fällt ihnen Geld in die Hände!

Rottweil. Jahr für Jahr ein bisschen mehr, Zuschauer, nicht etwa Geld, verbuchen die Narren, wenn sie über die Proklamation resümieren. Da reiht sich 2017 elegant ein: So viele wie gestern dürften es selten gewesen sein, die die Übernahme der Macht auf dem Rathaus und die Ausrufung der Fasnet aus nächster Nähe erleben wollen. Die Tagwachkapelle spielt noch ein bisschen mit der Vorfreude der Gäste vor dem Alten Rathaus: Sie spielt noch eine Runde mehr, bevor Proklamator Georg Hauser das Wort ergreift und vom Anbruch großer Zeiten berichtet. Die werden dieses Jahr nicht nur wie "ällaweil glanzvoller, aber au deurer", sondern "aber au no schener!" Noch schöner? Die Kasse macht’s möglich.

Statt der alljährlich aus den Amtsschubladen mühsam zusammengeklaubten Kreuzerchen haben die Narren richtig viel Kapital zum Investieren vorgefunden. Da hätten sich die 150 000 Euro für die Fortbildung des Ratspersonals doch ausgezahlt, wenn nicht nur die wieder drin sind, sondern gar noch ein kleines Plus bleibt.

Es ist indes so groß, dass die Fülle der Ideen, die die Narren entwickeln müssen, um den unverhofften Reichtum zu verpulvern, kaum zu bewältigen ist. Nur gut, dass im neuen Einkaufsparadies im alten Postgebäude genügend Jobs entstehen, um die Zunftoberen neigungs- und kompetenzgemäß zu beschäftigen. Angesichts des Abgleichs von Personal- und Aufgabenliste steht zu hoffen, dass den Kundinnen, denn nur diese möchten die Narren umschwärmen, tatsächlich ein Paradies auf Erden blühen wird. Mal sehen.

Für ein Großprojekt zum Geldverjubeln hat man sich in Stuttgart umgeschaut. Die Rottweiler Variante heißt "Koroko 21", die Tieferlegung des Lorenzorts nebst Überbauung mit einem Parkhaus. Dort hat das mit "unter der Erde" ja lange Tradition. So verwundert es nicht, dass einer der Anwohner damit zitiert wird, es sei ihm egal, wenn über seinem Haus bald ein Auto parke und er durch die Fenster nur noch auf Erde blicke, so lange er die "vermaledeite" Brücke nicht sehen müsse.

Geld ausgeben will man auch auf der anderen Seite der historischen Innenstadt, allerdings jenseits der Stadtmauern: Die Stadtgrabenanlage soll zur Skisprungschanze werden. Und damit Rottweil auch in Sachen Taubenkot bald Spitze sein wird, gibt es die Anregung für einen 246 Meter hohen Taubenturm. Was da herunter fällt, so vermutet man, "pflatscht" richtig. Ach ja, und dann warten die Narren gespannt, wer sie an der Spitze der Stadt ablösen wird. Und sind sich sicher: So lange das Bewerberfeld in Zimmern bleibt, bleibt auch in Rottweil alles gut.

Die Fanfaren legen ein in manchem Motiv modernistisch anmutendes Potpourri-Intermezzo ein, dann ist es an den Ausschellern, die Fasnet zu verkünden. Und genau so geschieht es "Fasnet!!!", als Kurzform für all jene Väter, die jetzt schnell nach Hause zum Kochen und anschließenden Kinderschminken müssen. Die Langform folgt in vertrautem Wortlaut.