Oberbürgermeister Ralf Broß erinnert in einem Nachruf an Werner Guhl: Er habe sich immer auf ihn verlassen können. Fotos: Hildebrand Foto: Schwarzwälder-Bote

Große Trauergemeinde nimmt in Heilig-Kreuz-Münster Abschied von Rottweiler Bürgermeister

Von Verena Schickle

Rottweil. Der letzte Weg führt in langsamen Schritten bis zum Sarg im Münster. Es gehen ihn die, die ihm nahe standen, mit ihm gearbeitet oder bei einer kurzen Begegnung in der Stadt ein Wort mit ihm gewechselt haben: Rottweil hat in einer bewegenden Trauerfeier Abschied genommen von Bürgermeister Werner Guhl.

Die Nachricht ist fast eine Woche alt, und doch ist sie für die älteste Stadt des Landes noch immer kaum zu begreifen. Am Sonntagvormittag war Bürgermeister Werner Guhl völlig unerwartet verstorben. Gestern zeigte die Größe der Trauergemeinde, wie groß die Lücke ist, die der 58-Jährige hinterlässt. Die Schlange der Menschen, die dem Verstorbenen am Sarg im Münster die letzte Ehre erweisen wollten, reichte zeitweise bis vor das Gotteshaus.

Darin herrschte Stille, obwohl gerade Guhl einer war, der es mit vielen, wenn nicht fast allen konnte, selbst bei kurzen Begegnungen immer einen flotten Spruch auf den Lippen hatte. Das war in den Nachrufen immer wieder durchgeklungen, das klang auch in den Worten des Pfarrers wiederholt an. "Sein Tod ist eine Zäsur, die wir alle nicht wollen", sagte Dekan Martin Stöffelmaier zu Beginn der Trauerfeier. Guhl sei eine hochgeschätzte Persönlichkeit gewesen und "ein Mann des Ausgleichs, vor allem in strittigen Fragen".

Und mit ihm konnte man sich über alle möglichen Themen unterhalten. Der Pfarrer mit dem Bürgermeister etwa über den Papst – beim geselligen Beisammensein nach der Fronleichnamsprozession. Zu diesem Bild von Werner Guhl passt, dass er schon mal frisch Zugezogenen vor Beginn der Prozession erklärte, wie der Tag in Rottweil ablaufen wird.

Zu allem, sagte Martin Stöffelmaier, hatte Guhl "immer einen erheiternden Einwurf parat". Der verstorbene Bürgermeister sei ein durch und durch kommunikativer Mensch gewesen. Beim jüngsten Griechenlandurlaub etwa hatte er als Leiter der Finanzverwaltung natürlich auch eine Meinung zur Situation der Hellenen. Und über Werner Guhl ist bekannt, dass er im Urlaub in der jeweiligen Lokalzeitung schmökerte – eben, weil er an allem interessiert war und mit allen ins Gespräch kommen wollte.

Beim Reden allerdings ist es nicht geblieben: Er sei ein Mensch gewesen, der sich für viele Dinge einsetzte. Stöffelmaier schilderte ihn als offen für Herausforderungen, und er schaute nicht immer nur zurück, sondern nach vorn.

Einen großen Teil seines Lebens war Guhl seiner Heimatgemeinde Bösingen – geboren indes wurde er im Rottweiler Spital – treu geblieben, spielte dort Fußball und Posaune im Musikverein. Auch das klang an im Requiem: Ein Posaunenquartett gestaltete die Trauerfeier musikalisch mit, dazu kamen der Münsterchor, der Chor der Predigerkirche sowie das Collegium Cantorum Rottweil unter der Leitung von Wolfgang Weis. Auch die Krämerzunft, deren Mitglied er war, und Feuerwehrleute aus Rottweil und Göllsdorf erwiesen ihm die letzte Ehre.

Und Oberbürgermeister Ralf Broß, der – so hatte es sich die Familie gewünscht – den einzigen Nachruf in der Trauerfeier hielt. An die Guhls gerichtet sagte er: "Vielleicht spendet die überwältigende Anteilnahme ein wenig Trost." Der OB sprach für viele, für Mitarbeiter und Bürger, Bürgermeister-Kollegen, Landrat und die Freunde aus den Partnerstädten. Broß würdigte Werner Guhl als eine außergewöhnliche Persönlichkeit und jemanden, der "mit unglaublichem Engagement in dieser Stadt gelebt und gewirkt hat". Dass er als Bösinger in Rottweil habe Karriere machen können, das habe ihn selbst erstaunt, habe Werner Guhl einmal "mit einem verschmitzten Lächeln zum Ausdruck gebracht".

Er hatte seinen Traumberuf gefunden

Sein Weg führte ihn zur Ausbildung nach Villingendorf und an die Verwaltungshochschule in Kehl, bis er schließlich 1981 bei der Stadt Rottweil eingestiegen war. Stellvertretender Hauptamtsleiter, Personalabteilungsleiter, persönlicher Referent des Oberbürgermeisters, dann Leiter der Haupt- und Finanzverwaltung, das waren seine Stationen. 2005 wurde er noch zum Ersten Beigeordneten gewählt, 2013 im Amt bestätigt. Diese Aufgabe, sagte Broß, habe Werner Guhl "mit großer Freude und ungebremster Motivation" ausgeübt. Bürgermeister sei sein Traumberuf gewesen, so habe er es beschrieben und gelebt.

Erst als Bürgermeister war der Bösinger mit seiner Familie nach Rottweil gezogen. Eine Veränderung, die gerade den Zwillingstöchtern nicht leicht gefallen sei. Als Broß und seine Familie nach der Wahl zum Oberbürgermeister auch vor dem großen Umzug standen, habe er Broß’ Kindern Mut gemacht. "Werner war so", sagte Broß, nicht nur einmal gestern Nachmittag.

Er beschrieb die Verdienste seines Kollegen – um die Finanzen der Stadt, um den Ausbau der Kinderbetreuung und die Stärkung Rottweils als Bildungsstandort. Er erinnerte an Guhls Einsatz für die Partnerstädte und an den Hilfstransport nach L’Aquila nach dem schweren Erdbeben, den der Bürgermeister organisiert und für den er später die Landesfeuerwehrmedaille erhalten hatte.

"Werner Guhl war ein Netzwerker", erklärte Ralf Broß. Für seine Mitarbeiter – da zitierte der OB einen Eintrag aus der Kondolenzliste – war er "der beste Chef, den man sich vorstellen kann". Broß beschrieb auch den privaten Werner Guhl, der die Kochkünste seiner Frau Annemarie liebte und beim Wandern Kraft tankte.

"Ich konnte mich auf ihn verlassen", erklärte der sichtlich gerührte Ralf Broß. Der verstorbene Bürgermeister sei ein Visionär gewesen. "Wer Werner kannte, weiß, er hatte ein offenes Auge und ein offenes Herz für Menschen." Sein Name werde immer mit Rottweil verbunden bleiben.