So haben Mitglieder der Bürgerinitiative in Meßstetten mit Stangen die Dimension und Lage des Gefängnisneubaus verdeutlicht. Ähnliches wünscht sich Werner Fischer auch auf Esch. Foto: Holbein

Durchaus Alternativen zum geplanten Standort: Rottweiler wendet sich in offenem Brief an Gemeinderat.

Rottweil - Die Stadtverwaltung vermittle den Bürgern den Eindruck, dass das Esch der einzig mögliche Standort für einen Gefängnisneubau in Rottweil ist. Doch das stimme nicht, hält der Rottweiler Werner Fischer in einem offenen Brief Oberbürgermeister Ralf Broß und den Gemeinderäten vor. Statt der versprochenen umfassenden Information vor der Bürgerversammlung am 20. September sieht er lediglich Bemühungen, Zustimmung für die Justizvollzugsanstalt (JVA) im Esch zu erhalten.

Auch Fischer, zu Berufszeiten für das Land tätig und dabei unter anderem damit beschäftigt gewesen, auf dem Stallberg den Grundstückskauf für die ursprüngliche Gefängnisplanung auf den Weg zu bringen, steht hinter dem Ja zum JVA-Standort Rottweil. Nur – mit dem Esch bei der Neckarburg als Platz für den geplanten Neubau kann er sich gar nicht anfreunden. Fischer sieht dafür auch gar keine Notwendigkeit, denn "es ist nicht richtig, zu behaupten, es gäbe hierzu keine alternativen Standorte in Rottweil". Sowohl für das Bitzwäldle, wie auch für das Esch, den Hochwald und den Stallberg gebe es klare Mehrheitsbeschlüsse, wie er in seinem Brief darstellt.

Ausführlich wägt Fischer Pro und Contra der Standorte ab und kommt zum Schluss, dass ein humaner und moderner Strafvollzug, der mit dem Neubau ermöglicht werden solle, an jedem der Standorte realisiert werden könnte – ebenso wie die architektonische Einbindung in die jeweils gegebene Landschaft. "Erforderlich sind hierzu der politische Wille der Landesregierung" und die erforderlichen Haushaltsmittel. Das Esch in Verbindung mit der Neckarburg ist für Fischer im Vergleich der Standorte aber das schützenswerteste Gelände. "Dieses einzigartige und für Rottweil wichtigste Naherholungsgebiet Neckarburg muss auch in der Zukunft in seiner jetzigen offenen und unverbauten Art erhalten bleiben."

In der Sitzung am 18. März 2009 sei sich der Gemeinderat über sämtliche Fraktionen hinweg einig gewesen, blickt Werner Fischer in seinem Brief zurück, dass das Esch nicht bebaut werden darf und somit für einen Neubau der JVA nicht zur Verfügung steht. "Dieses Bekenntnis zur Erhaltung des gesamten Naherholungsgebietes Neckarburg/Esch war damals richtig und hat auch heute noch seine volle Gültigkeit." Ein Gefängnisneubau mit einer Außenmauer entlang des Weges zur Neckarburg mit einer Länge von circa 500 Metern und 5,50 Metern Höhe "würde das einmalige Landschaftsbild Neckarburg zerstören und den Tourismus zur Neckarburg und Gaststätte empfindlich treffen", ist er sich sicher.

Vom Bürgerentscheid erhofft Fischer sich Klarheit, ob auf dem Esch bei der Neckarburg der Neubau realisiert werden soll. Und für ihn ist keine Frage, dass dann auch die Landesregierung dies respektieren müsse. Ein Ausschlussgrund für den Justizstandort Rottweil wäre das in seinen Augen nicht, schließlich "stünden dann die alternativen Standorte Bitzwäldle, Hochwald und eventuell Stallberg wieder zur Diskussion".

Was die Information der Bürger betrifft: Die meisten kennen den Weg zur Neckarburg; die wenigsten wissen jedoch, wo genau der vorgesehene JVA-Standort im Esch liegt, glaubt Fischer. Die Stadtverwaltung fordert er deshalb auf, das Bauareal Esch zu markieren, also mit Pfosten oder Stangen die Länge und Höhe der Gefängnismauer zu verdeutlichen.

Offener Brief an die Stadtverwaltung und Gemeinderäte der Stadt Rottweil (im Wortlaut)

Betreff: Standortwahl für die JVA in Rottweil

Sehr geehrte Damen und Herren, für den am 20.09.2015 vorgesehenen Bürgerentscheid zum Standort Esch bei der Neckarburg hatte die Stadtverwaltung versprochen, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt über das Neubauvorhaben einer JVA in Rottweil umfassend zu informieren. Dies ist leider nicht geschehen. Ihre ganze Konzentration zielt darauf ab, eine bürgerschaftliche Zustimmung für die JVA im Esch bei der Neckarburg zu erhalten. Sie vermitteln der Bürgerschaft dabei den Eindruck, dass das Esch der einzig mögliche Standort ist. Und das stimmt nicht. Mit diesem Offenen Brief will ich die Bürgerschaft über die tatsächliche Situation informieren. 

u Ja zum Standort Rottweil

Es ist notwendig und richtig, dass die neue JVA in Rottweil errichtet wird. Es gilt, den Justizstandort Rottweil zu sichern. Zudem werden hierdurch in Rottweil Arbeitsplätze geschaffen. Weiter ist mit öffentlichen Zuweisungen für den städtischen Haushalt zu rechnen. 

u Standorte

Die Landesregierung favorisiert auf Vorschlag der Stadt Rottweil den Standort Esch bei der Neckarburg. Aber es ist nicht richtig zu behaupten, es gäbe hierzu keine alternativen Standorte in Rottweil. So hat der Gemeinderat der Stadt Rottweil am 23.07.2014 zu weiteren Standorten folgende Mehrheitsbeschlüsse gefasst: Standort Bitzwäldle mit 20 Ja-Stimmen und 5 Nein-Stimmen, die Standorte Esch und Hochwald mit je 19 Ja- und 6 Nein-Stimmen, Standort Stallberg einstimmig mit 25 Ja-Stimmen. Die Landesregierung hat den Standort Stallberg wegen des problematischen Baugrundes zurück gestellt. So verbleiben neben dem Esch noch die Standorte Bitzwäldle und Hochwald. Das Justizministerium hat hierzu am 13.04.2015 festgestellt, dass bei den Standorten Bitzwäldle und Hochwald das Verfahren vorläufig ruht. Hierzu hat der Justizminister in der Bürgerversammlung am 21.05.2015 ergänzt, dass hinsichtlich dieser beiden Standorte das Verfahren zur Reaktivierung dieser Standorte bei Bedarf wieder aufgenommen wird. Auch die Stadt Rottweil hält sich diese Option offen; so ist der Antrag der Ortschaftsverwaltung Zepfenhan vom 24.03.2015, den Standort Bitzwäldle zu verwerfen und dies der Landesverwaltung mitzuteilen, vom Gemeinderat der Stadt Rottweil abgelehnt worden. Das Justizministerium hat auf eine weitere entsprechende Anfrage der Ortschaftsverwaltung nicht reagiert und will sich den Standort Bitzwäldle wohl in Reserve halten. Es stehen also nach wie vor als möglicher Standort zur Verfügung: Bitzwäldle bei Zepfenhan, Esch bei der Neckarburg, Hochwald und eventuell sogar der Stallberg (s.unten). 

u Güterabwägung

Bei allen genannten Standorten handelt es sich um Naturgrundstücke, sei es Wald, Wiese oder Acker. Eine Überbauung mit 120 000 Quadratmetern für die JVA zur Unterbringung von 400 bis 500 Inhaftierten/Menschen ist an jedem Standort ein Eingriff in die Natur. Dies gilt im übrigen aber auch u.a. für die neu ausgewiesenen Wohnbaugebiete Spitalhöhe Nr. 2 und Nr. 3 im Bereich des Wasserturms in Rottweil mit insgesamt 180 000 Quadratmetern. Bei den Standorten Esch, Bitzwäldle und Hochwald müssen im Rahmen einer Güterabwägung die naturschutzrechtlichen Belange aber insbesondere auch der Naherholungsnutzen für die Bürgerschaft von Rottweil und der umgebenden Region beachtet werden.

Standort Esch: In der Gemeinderatssitzung am 18.03.2009 war sich der Gemeinderat über sämtliche Fraktionen hinweg einig, dass das Esch nicht bebaut werden darf und somit für einen Neubau der JVA nicht zur Verfügung steht (so die Stadträte u.a. Posselt: "Rottweil wichtigstes Naherholungsgebiet Esch darf nicht geopfert werden"; Schellenberg: "Standort Esch ist vom Tisch"; Sauter: "der Standort Esch kommt nicht in Frage, weil die Bürgerschaft von Rottweil mehrheitlich dagegen ist"). Dieses Bekenntnis zur Erhaltung des gesamten Naherholungsgebietes Neckarburg/Esch war damals richtig und hat auch heute noch seine volle Gültigkeit. Dieser große Gefängnisneubau mit einer Außenmauer entlang des Weges zur Neckarburg mit einer Länge von circa 500 Metern und 5,50 Metern Höhe würde das einmalige Landschaftsbild Neckarburg zerstören und den Tourismus zur Neckarburg und Gaststätte empfindlich treffen.

Das Baugrundstück ist Privateigentum und müsste noch erworben werden.

Standort Bitzwäldle: Aufgrund der Standortuntersuchung von 2009 und der Standorterläuterung von 2015 ist der Baugrund für eine Überbauung geeignet. Beim Bitzwäldle handelt es sich um ein relativ flaches Waldgelände (gemäß Regionalplan 2003 kein Schutzwald) mit Keltengräber im Norden. Es gibt keine direkte Nachbarbebauung; eine unmittelbare Sichtbeziehung zu Zepfenhan und Neukirch wird voraussichtlich nicht bestehen. Die vor Jahren gegebene Protestbewegung von einem Teil der Bürgerschaft von Zepfenhan und Neukirch gegen den Standort Bitzwäldle beruhte insbesondere auf den seinerzeit geschürten Ängsten vor entwichenen Häftlingen; diese Sichtweise spielt inzwischen keine Rolle mehr. Das Areal ist schon im Eigentum des Landes (Staatsforstverwaltung).

Standort Hochwald: Laut Standorterläuterung liegt das Grundstück unmittelbar an der B 462 und grenzt direkt an den Weiler Hochwald an. Eine Bebauung dieses Freigeländes mit einer JVA würde insoweit eine deutliche Fremdkörperwirkung entfalten. Für die Anwohner würde die Sichtbeeinträchtigung erheblich sein. Der Höhenunterschied beträgt mehr als 15 m und erschwert die Überbauung mit einer JVA. Das Grundstück ist Privateigentum und müsste noch erworben werden.

Standort Stallberg: Ein von der Landesregierung für den Stallberg in Auftrag gegebenes Gutachten von 2008 spricht von überdurchschnittlichen geologischen Risiken und empfiehlt ein weiteres Baugrund- und Gründungsgutachten. Nach Auffassung von OB Broß gibt das Gutachten einen Ausschluss vom Standort Stallberg nicht her. Der Rottweiler Gemeinderat hat daraufhin am 18.03.2015 beschlossen, das Land erneut aufzufordern, die Bebaubarkeit im Rahmen eines Gutachtens zu überprüfen und die Gründungsmehrkosten darzustellen. Eine Antwort hierauf ist nicht erfolgt. Dies eventuell auch aus verständlichen haushaltsrechtlichen Gründen um abzuwarten, ob gegenüber dem Stallberg ein kostengünstigerer Standort in Rottweil gefunden wird. Das Baugelände Stallberg ist zum Teil im Eigentum des Landes.  

u Humaner und moderner Strafvollzug

Mit dem Neubau einer JVA soll ein humaner und moderner Strafvollzug ermöglicht werden mit guten Rahmenbedingungen für die Unterbringung, Beschäftigung und Freizeitgestaltung der Inhaftierten. Dieses angestrebte Ziel einschließlich der architektonischen Einbindung in die jeweils gegebene Landschaft kann an jedem der Standorte realisiert werden. Erforderlich sind hierzu der politische Wille der Landesregierung und die Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel. 

u Information der Bürger

Die meisten Bürger von Rottweil kennen den Weg zur Neckarburg; die wenigsten wissen jedoch, wo genau der vorgesehene JVA-Standort im Esch liegt. OB Broß hatte angekündigt, die Bürgerschaft umfassend über den Standort Esch zu informieren, um für dem Bürgerentscheid eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen. Diese Information ist dringend erforderlich; Worte und Bilder allein reichen hierzu nicht aus. Die Stadtverwaltung wird deshalb gebeten, das Bauareal Esch zu markieren und hier insbesondere entlang des Zufahrtsweges zur Neckarburg die JVA-Außenmauer mit einer Länge von circa 500 Metern und 5,50 Metern Höhe durch mehrere Pfosten/Stangen darzustellen. Erst dann kann man sich ein Bild von der Örtlichkeit machen. 

u Bürgerentscheid am 20.09.2015

Der Bürgerentscheid soll Klarheit bringen, ob auf dem Esch bei der Neckarburg der JVA-Neubau realisiert werden soll.

Sollte die Mehrheit sich gegen das Esch aussprechen, so ist das Ergebnis des Bürgerentscheides auch von der Landesregierung zu respektieren. Für den vorgesehenen JVA-Neubau in Rottweil stünden dann die alternativen Standorte Bitzwäldle, Hochwald und eventuell Stallberg wieder zur Diskussion. 

Nach Abwägung der in Rottweil vorhandenen Standorte komme ich zum Schluss, dass das Esch in Verbindung mit der Neckarburg das schützenswerteste Gelände ist. Dieses einzigartige und für Rottweil wichtigste Naherholungsgebiet Neckarburg muss auch in der Zukunft in seiner jetzigen offenen und unverbauten Art erhalten bleiben.

Deshalb sage ich bei der Stimmabgabe zum Bürgerentscheid ein klares Nein zur JVA im Esch bei der Neckarburg.