Jousef und Nahla wünschen sich einen Neuanfang in Rottweil. Momentan wohnen sie im Asylwohnheim in der Lehrstraße 1. Foto: Vinci

Wenn Krieg einem die Heimat nimmt: Christoph Frank hilft Menschen beim Neustart. Von "bella Italia" keine Spur.

Kreis Rottweil - Ein Leben in Ungewissheit: So geht es im Moment vielen Kriegsflüchtlingen in Deutschland. Zwei Asylbewerber aus Rottweil erzählen von ihrer Flucht nach Europa und berichten von ihrem Wunsch, in Deutschland Fuß zu fassen.

Der Krieg hat Damaskus längst erreicht, als Jousef Jarrer und seine Cousine Nahla H. beschließen, ihre Heimat zu verlassen. "Damaskus war nicht mehr sicher", erinnert sich der 36-Jährige. Die Isis-Kämpfer waren in der Stadt, und der Terror breitet sich aus.

Den Entschluss zu fliehen, trifft Nahla in erster Linie nicht für sich, sondern für ihre Familie. Ihre beiden Söhne Mohammad und Nor standen kurz vor dem Militärdienst. Aber auch für die restliche Familie wurde die Lage immer brisanter. "Töten oder getötet werden", laute das Motto beim Militär, ergänzt Jousef. In der Hoffnung, wenn sie in Deutschland ankommen, könne sie bald ihre Familie zu sich holen, trat sie die mühselige Reise nach Europa an.

Es ist der 22. September 2013 als die Flucht von Damaskus nach Alexandria (Ägypten) beginnt.

Die Bootsfahrt: "Es war ein Albtraum"

Dort bezahlten beide jeweils 3750 US-Dollar an einen Schleuser, der sie nach Italien bringen sollte. "Der Schleuser hat gelogen", erzählt Jousef und zittert dabei am ganzen Körper. Sein Bein wippt heftig auf und ab, während er nach Worten ringt. Beide halten ein Taschentuch fest in der Hand, als ob es ihnen ein Gefühl von Sicherheit gibt, während wir uns unterhalten. Kurze Zeit später spricht Jousef weiter.

Der Schleuser versprach eine komfortable und sichere Überfahrt nach Italien. Nahla könne nicht schwimmen, weswegen die Sicherheit für Jousef bei dem Vorhaben im Vordergrund stand.

Zunächst wurden Jousef und Nahla mit 130 weiteren Flüchtlingen auf einen Lastwagen verfrachtet und an einen abgelegenen Strand gebracht. Anschließend wurden die Flüchtlinge auf ein vier Meter breites und 13 Meter langes Boot gebracht.

Auf engstem Raum harrten die Flüchtlinge fünf Tage auf dem Boot aus und standen mehrfach Todesängste aus, wenn heftige Unwetter das Boot in Schräglage versetzte und Wasser ins Boot eindrang. Schließlich wurden die Menschen von einem Frachtschiff entdeckt und an die italienische Küstenwache übergeben. Endlich in Europa angekommen, schöpfen Jousef und Nahla neue Hoffnung.

Diese war jedoch nicht von Dauer. Denn der Aufenthalt in Italien war alles andere als "bella Italia".

"Ich will mein Leben zurück"

Die italienischen Beamten seien grob gewesen. "Es wurde geschrien, und wir mussten Dokumente unterschreiben, die wir nicht verstanden", erzählt Jousef. Die Bitte, einen Dolmetscher kommen zu lassen, wurde ignoriert.

Nahla wischt sich mit dem Taschentuch übers Gesicht. Tränen fließen. "Ich habe Angst um meine Familie", sagt sie. Nach langer Odyssee kamen Jousef und Nahla nach Rottweil, wo sie derzeit im Asylheim in der Lehrstraße untergebracht sind. Jousef wünscht sich für die Zukunft, in Rottweil Fuß zu fassen und ein normales Leben zu führen. "Ich will mein Leben zurück", erklärt er.

14 Monate sind seit ihrer Flucht vergangen. In Rottweil ist Nahla seit April und Jousef seit Juni dieses Jahres. Aus humanitären Gründen strebt Jousef derzeit ein Verfahren an, dass ihm erlaubt zu bleiben.

Nahla möchte seinem Beispiel folgen, ihre Familie zu sich holen und endlich wieder mit ihr zusammen sein. Auf ihrem Weg begleitet sie Christoph Frank vom Freundeskreis Asyl. Das Sozialamt des Landkreises Rottweil sucht für die Asylbewerber geeignete Wohnungen. Angebote können unter der Telefonnummer 0741/24 42 60 abgegeben werden.