Soldaten beim Empfang der Weihnachtspost im Schützengraben auf einer Feldpostkarte aus dem Ersten Weltkrieg. Foto: Sammlung Carsten Kohlmann Foto: Schwarzwälder-Bote

Serie (5): Raum Schramberg im Ersten Weltkrieg / 1916 Stimmung an der Front und in der Heimat gedrückt

In der Heimat und an der Front herrschte mitten im Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren eine bedrückte Stimmung. Die Versorgung mit Lebensmitteln wurde im Steckrübenwinter zusehends schlechter. Zu Weihnachten gab es große Hoffnungen auf einen Sieg im neuen Jahr.

Schramberg. Nachdem 1916 nur wenig Getreide und Kartoffeln geerntet werden konnten, mussten die 1915 eingeführten Lebensmittelrationen weiter herabgesetzt werden. Am 1. Dezember 1916 gab das Oberamt Oberndorf bekannt, dass man bis auf weiteres von der Landeskartoffelstelle keine Lieferung mehr erwarten könne und die Bevölkerung sich deshalb "mit einem hinreichenden Vorrat von Bodenkohlraben zur Streckung der Kartoffelvorräte" versorgen solle.

Die Stadt Schramberg führte eine vollständige Erfassung aller Kartoffelvorräte in jedem Haushalt durch. Bei falschen Angaben wurde mit Bestrafung und Beschlagnahmung gedroht. Die Kohlrübe brachte dieser Zeit im Volksmund die Bezeichnung "Steckrübenwinter" ein. Ein ebenso großes Problem war die Milchversorgung, bei der Industriestadt Schramberg fast vollständig von ihren Umland-gemeinden abhängig war. Die Lieferung von Milch ging von 5000 Litern im Juli 1916 auf 3500 Liter im September 1916 zurück. Bürgerausschuss und Gemeinderat erwarteten einen weiteren Rückgang auf 2000 Liter, wenn es zu keinen staatlichen Zwangsmaßnahmen käme.

Junghans besorgt Milch

Eine Anordnung des Oberamtes Oberndorf an die Gemeinden Mariazell, Seedorf und Waldmössingen zur Abgabe eines Teils ihrer Milch an die Stadt Schramberg hatte nicht den erwünschten Erfolg, so dass der Gedanke aufkam, die Lieferung von Milch aus dem Allgäu zu beantragen. Für zeitweilige Abhilfe sorgten die Uhrenfabriken Gebrüder Junghans, die eine größere Menge beschaffen konnte, "welche an solche Arbeiterfamilien, welche gegenwärtig von ihren bisherigen Lieferanten im Stich gelassen werden, abgegeben wird." Die Probleme bei der Lebensmittelversorgung ließen einen umfangreichen Schwarzmarkt entstehen. Kurz vor Weihnachten wurde ein Mitarbeiter des Bahnhofs in Schramberg festgenommen, der sich über lange Zeit hinweg an den eingehenden Lebensmittelsendungen bedient und ein großes Hamsterlager angelegt hatte. Im dritten Kriegsjahr waren von fast allen Familien Väter, Brüder oder Söhne in den Kriegsdienst eingezogen worden.

Sechs Söhne im Krieg

Kurz vor Weihnachten wurde die Familie von Adolf Brauchle (1855 bis 1927) und Franziska Brauchle (1863 bis 1938) aus der Lauterbacher Straße 71 besonders hervorgehoben, deren sechs Söhne sich alle im Kriegseinsatz befanden. Die Söhne Adolf Brauchle (1887 bis 1971), Friedrich Wilhelm ("Fritz") Brauchle (1888 bis 1967) und Oskar Brauchle (1893 bis 1981) hatten bereits Auszeichnungen erhalten. Letzter war zudem schwer verwundet worden und wurde im Vereinslazarett Siemensstadt bei Berlin gepflegt. Zwei weitere Brüder waren in englische und russische Gefangenschaft geraten. An Heiligabend wurde darüber hinaus die Auszeichnung von Adolf Glenz (1877 bis 1951), der als Gefreiter dem Ersatz-Infanterie-Regiment 110 angehörte, der von Kaiser Wilhelm II. (1859 bis 1941) den preußischen Kronenorden am blauen Band erhalten hatte.

Ganz andere "Auszeichnungen" mussten aber die immer mehr werdenden Kriegsversehrten ertragen, die erblindet oder amputiert waren. Kurz vor Weihnachten klagte einer von ihnen in der Lokalpresse, dass er und zwei andere Leidensgefährten vor der winterlichen Bahnhofstraße eine "Höllenangst" haben müssten, da sie durch das übliche "Schleifen" der Schulkinder und die häufige Benutzung von Handwägen und Schlitten gefährlich glatt sei. In der Nacht vom 18. und auf den 19. Dezember 1916 kam es zu starkem Schneefall, "der unsere Heimat mit einem prächtigen Winterkleide überzog." Das schöne Landschaftsbild konnte sich bis zu den Feiertagen jedoch nicht halten.

Noch Trost im Gebet?

Im örtlichen Vereinslazarett fand am 20. Dezember 1916 eine Weihnachtsfeier für die etwa 40 Patienten statt. Im Lichtspiel-Theater im Gasthaus zum Adler (An der Steige 1) und im Kino National (früher Leibbrandstraße 10, 2010 abgebrochen) waren über Weihnachten Kriegs-, Natur- und Spielfilme zu sehen. Am Nachmittag des Heiligen Abends konnten die Ehefrauen der zum Kriegsdienst eingezogenen Mitglieder des Deutschen Holzarbeiterverbandes im Gasthaus zur Nuss von 14 bis 17 Uhr die Auszahlung des Weihnachtsgeschenkes erhalten (heute Palm Beach, An der Steige 8).

Zum Sprecher der allgemeinen Gefühlslage machte sich in einem patriotischen Gedicht der aus Schramberg stammende und in Freudenstadt wohnhafte Postbeamte und Soldat Max Waller (1878 bis 1966): "Deutsche Weihnacht! Draußen stürmen / Väter, Söhne ohn Ermüden, / um den deutschen Herd zu schirmen / und den deutschen Weihnachtsfrieden […] Weihnachtssegen taue nieder / auf die schmerzdurchwühlte Erde, / daß den Menschenkindern wieder / Licht und Frieden werde!"

Die Feiertage verliefen ruhig und würdig: "Aus den Garnisonen und aus dem Felde trafen viele Urlauber ein, die dem Feste das Kriegsgepräge aufdrückten […] Die Gotteshäuser wiesen die Tage über äußerst zahlreichen Besuch auf, wie denn auch nur im Gebete Trost in dieser schweren Zeit zu finden ist."

Zum Jahreswechsel wurde die Bevölkerung weiter auf den Siegesglaube eingeschworen: "Deutschland kämpft um sein Dasein, um den Bestand seines ganzen Volkes. Wir wollen und müssen den Krieg gewinnen. Und wir werden ihn gewinnen, wenn alle ihre Pflicht tun, in der Pflichterfüllung ihr Lebensglück, ihre Lebensaufgabe erblicken."

  Die Serie "Der Raum Schramberg im Ersten Weltkrieg" des Stadtarchivs Schramberg wird in Kooperation mit dem Schwarzwälder Boten auch noch in den beiden folgenden Jahren über das damalige Geschehen berichten und bisher unbekannte Quellen vorstellen. Zur Mitarbeit sind alle Interessierten eingeladen und können sich beim Stadtarchiv melden. Unterlagen aus dem Ersten Weltkrieg, die für die Serie genutzt werden könnten, sind jederzeit willkommen. E-Mail: stadtarchiv@schramberg.de, Telefon 07422/2 92 63.