Pflege: Bei Vortrag speziell für Leser berichten Expertinnen über Veränderungen durch neues Gesetz

Das Thema Pflege betrifft viele – doch gleichzeitig ist es ein Thema, mit dem man sich ungern befasst und es erst anpackt, wenn das Problem anklopft. Betroffene sollten dann zumindest wissen, an wen sie sich wenden können und welche Hilfen es gibt.

Kreis Rottweil. Natascha Schneider und Sabine Rieger sind Expertinnen für Pflege im Kreis Rottweil. Die beiden leiten den Pflegestützpunkt des Landkreises. In einem Vortrag exklusiv für die Leser des Schwarzwälder Boten informierten sie am Mittwochabend in Rottweil über die Änderungen, die das Pflegestärkungsgesetz II ab 1. Januar mit sich bringen wird. Neuerungen, die bei unseren Lesern viele Fragen aufwerfen – was anhand der vielen besetzten Plätze im Refektorium des Kapuziners deutlich wurde.

Kern der Gesetzesänderung ist, dass statt der bisher drei Pflegestufen die Pflegebedürftigkeit ab dem neuen Jahr anhand von fünf Pflegegraden bewertet wird. Anstatt die benötigte Hilfe in Minuten zu bemessen, wird nun festgehalten, was der Pflegebedürftige noch selbst bewältigen kann. Neu ist auch, dass künftig neben körperlichen Einschränkungen verstärkt geistige Einschränkungen wie Demenz in die Einschätzung einfließen.

Die Bewertungskriterien in den verschiedenen Bereichen möglicher Einschränkungen sind komplex: Sabine Rieger, Pflegefachkraft, zog Alltagsbeispiele heran, die verständlich machten, wie sich die Bewertung durch den medizinischen Dienst zusammensetzt: Genügt es, dem Pflegebedürftigen nur beim Aufstehen zu helfen oder benötigt dieser Hilfe beim Gehen? Vergisst er nur gelegentlich mal etwas, oder reicht die Demenz so weit, dass der Betroffene nahe Familienangehörige nicht mehr erkennt?

Natascha Schneider zeigte schließlich die finanziellen Änderungen auf, die das Pflegestärkungsgesetz mit sich bringen wird. Sie erklärte, in welcher Höhe finanzielle Hilfen aktuell und künftig zu erwarten ist. "Niemand bekommt mit der Gesetzesänderung weniger", betonte die Diplom-Sozialarbeiterin. Dabei verwies sie auf die höheren Leistungen bei der Pflege durch Angehörige oder durch einen ambulanten Dienst.

Weniger Leistungen gebe es nur, wenn stationäre Hilfe in einem niedrigen Pflegegrad beansprucht werde. "Bei bereits Eingestuften greift dann jedoch der Bestandschutz" – die Pflegekasse zahlt den finanziellen Ausgleich an diejenigen, die bereits eine Pflegestufe haben. "Keiner darf durch die Gesetzesänderung schlechter gestellt werden", betonte die Beraterin des Pflegestützpunkts.

"Macht es Sinn, in diesem Jahr noch einen Antrag zu stellen oder erst im kommenden Jahr?", fragte ein Herr aus dem Publikum. Das komme darauf an, wie schwer die Beeinträchtigung sei, rieten die Expertinnen. Wer in diesem Jahr noch einen Antrag auf Einstufung stelle, werde noch nach dem alten System bewertet. Eine Umrechnung der Pflegestufen in -grade erfolge automatisch.

Informationen zählen: "Lieber früh als nie, wir wollen den Tag X nicht provozieren"

Hinter all den Fragen ließen sich persönliche Geschichten vermuten: "Ist es sinnvoll bei psychischen Problemen, aber ohne körperliche Einschränkungen einen Antrag zu stellen?", wollte eine Zuhörerin wissen. Auch das sei einen Versuch wert, erklärten Schneider und Rieger. Schon bei geringen Einschränkungen könne Hilfe bezogen werden.

Bei manchen Fragen ließ sich eine gewisse Furcht vor dem medizinischen Dienst, der die Begutachtung vornimmt, erkennen. "Es gibt viele Gerüchte darüber. Dieser will einem nichts Böses, man darf ruhig zugeben, wenn man etwas nicht mehr kann", beruhigten die Referentinnen.

Viele der Besucher hatten sich bereits mit dem Thema Pflege auseinandergesetzt, weil ein konkreter Fall in der Familie anstand. Ein Mann aus Rottweil informierte sich in Hinblick auf die Einstufung seiner demenzkranken Mutter. "Lieber früh als nie, wir wollen den Tag X nicht provozieren", erklärte er. Den Vortrag fand der Rottweiler hilfreich, ein Besuch beim Pflegestützpunkt sei nun geplant.

Jutta Mauch aus Schramberg hatte sich bereits eingehend mit dem Thema Pflege befasst. Die Informationen im Vortrag ergänzten ihr Wissen. Viele Besucher nutzten nach diesem noch die Möglichkeit, sich im persönlichen Gespräch mit den beiden Expertinnen vom Pflegestützpunkt Rat zu holen.