Sieht gut aus, kostet Geld: der Verkehrsverbund Rottweil Foto: Müller Südwestfoto

Finanzierungslücke soll geschlossen werden. Jährlich 350.000 Euro für den Verkehrsverbund Rottweil. Mit Kommentar.

Kreis Rottweil - Nach ausführlicher Diskussion hat der Kreistag eine jährliche Summe von 350. 000 Euro für den Verkehrsverbund Rottweil (VVR) freigegeben. Damit soll eine Finanzierungslücke geschlossen werden. Die Kreisräte äußerten offen ihr Misstrauen gegenüber dem Verbund.

Es sind zwei Erfahrungswelten, die in der Kreistagssitzung am Montagnachmittag aufeinanderprallen. Die eine: Der VVR, eine Zusammenschluss von hauptsächlich lokalen und regionalen Verkehrsunternehmen, macht offensichtlich seit Jahren Verluste und hat nach monatelangen Gesprächen mit der Kreisbehörde einen jährlichen Zuschuss für Tarifleistungen von 350. 000 Euro ausgehandelt. Geld, das der Kreistag nun freizugeben hatte. Das ist die Welt der Verwaltung, vertreten durch Landrat Wolf-Rüdiger Michel und Verkehrsdezernentin Monika Mayr als den maßgeblichen Verhandlungspartnern.

Die andere ist die der Kreisräte, die, je länger die Debatte am Montagnachmittag dauert, desto stärkere Zweifel an dem Deal beschleichen. Sie äußern nicht nur Misstrauen an der Darstellung einer Zahlentabelle in der Sitzungsvorlage, die die Verwaltung ausgearbeitet hat – sie fällt in der Tat äußerst unglücklich aus, selbst ein letzter Erklärungsversuch von Landrat Michel und ein allerletzter von Monika Mayr vermögen kein Licht in das Zahlendunkel zu bringen – und die die Grundlage für die Entscheidung der Volksvertreter sein sollte.

Sie bringen auch wenig Verständnis dafür auf, dass in dem Konsortium Bahntöchter als Verkehrsanbieter sitzen, denen ein großer Teil nicht nur der sowieso schon vom Landkreis jährlich zur Verfügung gestellten Mittel zufließt, sondern die nun auch von dem zusätzlichen 350. 000 Euro großen Kuchenstück profitieren sollen. Ebendiese Bahntöchter, so äußert Eberhard Pietsch (CDU), würden zusammen mit anderen Töchtern der Deutschen Bahn jährlich einen Gewinn in Millionenhöhe an den Konzern in Berlin abführen. "Ich will nur wissen, wie hoch ist dabei unser Anteil?"

Zum einen ist es dieser scheinbare Widerspruch – auf lokaler Ebene treten die Verkehrsunternehmen als Bittsteller auf und fordern höhere Zuschüsse, gegenüber ihrem Konzern jedoch als profitable Unternehmen in Erscheinung –, der bei den Kreisräten für Argwohn sorgt (Kreisrat Thomas Engeser, Freie Wähler: "So langsam glaube ich gar nichts mehr"), zum anderen die Tatsache, dass die Kreisräte keinen Einblick in die Bilanzen des Verkehrsverbunds erhalten und somit nicht nachvollziehen können, ob die Forderungen des VVR überhaupt gerechtfertigt sind.

Hinzu kommt die bereits erwähnte unglückliche Zahlenaufstellung, die so sehr unschlüssig ist, dass sich daraus kein Forderungsanspruch von 350 .000 Euro jährlich ableiten ließe. Eher wäre eine Summe von 200 .000 bis 250. 000 Euro nachvollziehbar. CDU-Stadtrat Martin Maurer, in Schramberg erfolgreicher Unternehmer, legt hier gekonnt den Finger in die offene Wunde der Verwaltung.

Des Weiteren kommt hinzu, dass bei diesem Konstrukt der Kreistag nicht direkt in das Leistungspaket des VVR eingreifen kann. Er kann nicht vorschreiben, wie welche Leistungen zu erbringen seien, weil es sich beim Engagement des Kreises lediglich um einen finanziellen Zuschuss handelt mit dem Ziel, auf die Tarifentwicklung, also des Preises der Fahrkarte für den Fahrgast, dämpfend einzuwirken. Für alle anderen Leistungen sind die Unternehmen selbst verantwortlich. Dieser Bereich entzieht sich damit dem Zugriff der öffentlichen Hand.

Es ist ein Geben und Nehmen: Natürlich versucht der Landrat, eine drohende Havarie zu vermeiden. Er verweist darauf, dass die 350. 000 Euro, Ausfluss einer intensiven Verhandlungsphase gewesen sei, bei der beide Seiten auf Teile ihrer Forderungen verzichtet hätten. Der VVR beispielsweise auf die halbe Million Euro, eine Summe, die sich in den vergangenen Jahren als Defizit angehäuft habe.

Nach einer Sitzungsunterbrechung und einem klugen Hinweis von Kreisrat Martin Schwellinger (CDU) stimmt der Kreistag zu, den VVR zu unterstützen. Wichtig sind weitere Eckpfeiler: Der Vertrag kann mit einer jährlichen Frist zum Jahresende gekündigt werden und in vier Jahren werden die Karten sowieso neu gemischt. Erwartet wird, dass das Land die ÖPNV-Finanzierung neu ordnet, dann steht eine grundlegende Neusortierung der Fahrleistungen wohl auch im Kreis Rottweil an.

Info: Vertragspartner im VVR

Vertragspartner sind: Landkreis Rottweil, Verkehrsverbund Rottweil GmbH, Autoverkehr Wolpert, Alpirsbach, Albert Rapp Autoverkehr, Königsfeld, DB Regio AG Regionalverkehr Südbaden, Freiburg, DB ZugBus Regionalverkehr Alb-Bodensee GmbH, Ulm, Müller Reisen GmbH, Bösingen, Omnibus Fischinger GmbH, Rottweil, SWEG Südwestdeutsche Verkehrs AG, Lahr, RVS Regionalbusverkehr Südwest GmbH, Karlsruhe, SBG SüdbadenBus GmbH, Freiburg, Schweizer Reisen Verkehr & Touristik GmbH, Waldachtal, Stadtbus Rottweil GmbH, Rottweil, und Zweckverband Ringzug Schwarzwald-Baar-Heuberg, Donaueschingen.

Kommentar: Sternstunde

Der Kreistag in Rottweil erlebte am Montag eine politische Sternstunde. Das mögen nicht alle Kreisräte so sehen. Vor allem jene nicht, die enttäuscht sind, dass eine Mehrheit den Antrag zur Einrichtung einer schnellen Buslinie zwischen Rottweil und Balingen abgelehnt hat. Die Unzufriedenheit auf Seiten der Befürworter ist nachvollziehbar. Zur Glanzleistung lief das Gremium in einer anderen Debatte auf: als es um den Zuschuss an den Verkehrsverbund Rottweil ging. Da legten etliche Kreisräte einen erfrischenden Spürsinn an den Tag und damit nicht nur die Schwächen der von der Verwaltung erarbeiteten Sitzungsvorlage schonungslos, sondern auch die Defizite in dem Konstrukt insgesamt offen. Der Verkehrsverbund erlaubt, da privatwirtschaftliche Interessen tangiert sind, nur ein gewisses Maß an Transparenz. Kein typisch Rottweiler Problem, was kein Trost ist.