Wenn Wildschweine einen Acker durchpflügen, haftet der zuständige Jagdpächter. Im vorliegenden Fall ist die genaue Schadenshöhe die strittige Frage. Foto: Ebener

Wie eine Ziffer auf einem Schadensprotokoll für Furore zwischen Landwirt, Gutachter und Jäger sorgt.

Kreis Rottweil - Mysteriöse Dinge spielen sich zuweilen am Rottweiler Amtsgericht ab. Es geht um Wildschweine und die Sauerei, die sie hinterlassen haben, um einen Jagdpächter, der den Schaden nicht zahlen will – und um eine verschwundene Null.

Was geschah wirklich am 6. August 2012? So viel ist sicher: Das Feld der Klägerin, einer Landwirtin aus Dietingen, ist verwüstet; Wildschweine haben den Acker durchpflügt. Der Jäger soll den Schaden bezahlen, doch dazu kommt es nicht – bis heute. Denn die Schadenshöhe ist strittig: Waren es nun 126 oder 1260 Euro, die buchstäblich im Feld versickerten? Der Fall kommt vor das Rottweiler Amtsgericht. Doch die bisherigen Zeugen – der bei der Schadensbegutachtung anwesende Bürgermeister, der Ehemann der geschädigten Landwirtin sowie ein weiterer Jäger und Freund des Beklagten – machen widersprüchliche Angaben. Wer hat das Feld per Fußmaß abgeschritten, wer hat ein Protokoll erhalten und wer nicht – und vor allem: Was stand darauf?

Am Dienstag, in der inzwischen dritten Sitzung, soll der entscheidende Zeuge Licht ins Dunkel bringen: der Sachverständige, der die Schätzung der Schadenshöhe an jenem 6. August vornahm. Dieser hat sein Amt als Wildschadenschätzer inzwischen niedergelegt. Als Grund nennt er die Vorwürfe, die gegen ihn im Raum stehen: Der Jagdpächter stelle seine Qualifikation infrage, werfe ihm Inkompetenz vor, wie schon bei seinen beiden Vorgängern geschehen. "Da steckt System dahinter", ist der 67-Jährige überzeugt. Von einer nachträglich ins Protokoll hinzugefügten Null, die aus 126 Euro Schaden 1260 gemacht habe, will er nichts wissen: "Im Protokoll standen 1260 Euro, das haben alle Beteiligten so unterschrieben", wiederholt der Gutachter immer wieder.

Während er selbst und der Ehemann der geschädigten Landwirtin das Feld per Fußmarsch abgeschritten hätten, hätten die anderen Anwesenden am Wegesrand gestanden und sich "über andere Dinge unterhalten". Diese Version widerspricht jener des mit dem beschuldigten Jagdpächter befreundeten Jägers, der in der Sitzung am 22. Januar behauptet hatte, nur er sei die Fläche abgelaufen und dabei auf elf Ar gekommen. Auf die Frage, ob es nicht doch vielleicht ein Hektar gewesen sein könnte, hatte er – Zitat – geantwortet: "Das ist gigantisch, das wäre mir aufgefallen." Der Gutachter hat, mit den Aussagen des Jägers konfrontiert, darauf nur eine Antwort parat: "Dann lügt er."

Ja, er habe beim Protokoll einen Fehler gemacht, räumt der ehemalige Wildschadenschätzer ein, indem er vergessen habe, die größere der beiden beschädigten Flächen – immerhin knapp siebeneinhalb Hektar – mit im Protokoll aufzuführen, so dass letztlich nur elf Ar darauf gestanden hätten. Bei der Berechnung habe er die Fläche jedoch berücksichtigt. Insgesamt hätten die Wildschweine einen Hektar beschädigt, sagt er, was sicher nicht geschehen wäre, wenn man "die Jagd auf das Schwarzwild ordnungsgemäß ausgeführt hätte", fügt der Zeuge in Richtung des Beklagten hinzu.

Am Ende bleibt festzuhalten: Gutachter und Landwirt haben – so ihre Version – zu zweit die besagte Fläche abgeschritten, berechnet und ein Protokoll erstellt – und zwar von Anfang an mit der ominösen Null, also mit einer Schadenssumme von 1260 Euro. Der Bürgermeister erinnert sich, so der Stand der zweiten Verhandlung, an vieles nicht mehr. Der Jäger und sein Freund bleiben indes dabei: Ursprünglich standen 126 Euro auf dem Protokoll, und: "Bei der Unterzeichnung habe ich keine Protokollausfertigung erhalten", behauptet der beschuldigte Jagdpächter. Wer hat Recht? Mit dieser Frage wird sich nach der abgeschlossenen Beweisaufnahme nun die Richterin befassen; das Urteil erfolgt in einigen Wochen schriftlich.