Werner Guhl ist nicht mehr unter uns. Im Rathaus liegt ein Kondolenzbuch für den verstorbenen Bürgermeister aus. Foto: Otto

Stadt trauert um ihren Bürgermeister. Zur Tagesordnung kann und will in Rottweil niemand übergehen.

Rottweil - Der Himmel ist noch bedeckt an diesem Morgen über Rottweil, und man wünscht sich, es würde regnen. Die Fahne mit dem Rottweiler Wappen, die am Rathaus weht, trägt den schwarzen Trauerflor. Und allein dieser Anblick treibt denen, die Werner Guhl kannten und schätzten, die Tränen in die Augen. Die Stadt ist ohne ihren Bürgermeister. Werner Guhl starb am Sonntagmorgen für alle völlig überraschend an Herzversagen. Rottweil trauert mit der Familie Guhl, seiner Frau und den zwei Töchtern, und muss nun versuchen, diesen Verlust und seine Dimension zu begreifen.

Wer das Alte Rathaus an diesem Morgen betritt, dem blickt Werner Guhl von einem Foto in silbernem Rahmen entgegen. Mit freundlichem und offenem Blick, wie man ihn kennt. Ein Kondolenzbuch liegt aus, in dem sich schon zahlreiche Menschen eingetragen haben, um ihre Anteilnahme zu bekunden. Eine Kerze brennt, einige Mitarbeiter stehen weinend beisammen. Gemeinsam erinnert man sich, wann man zuletzt mit Werner Guhl geplaudert, mit ihm gearbeitet, etwas besprochen hat. Und jetzt nie mehr? "Es ist einfach so unfassbar."

Auch wenn die Stadtverwaltung weiter funktionieren muss, Bürger ihre Ausweise abholen, Telefone klingeln: Routine verlangt an diesem Tag niemand. Um elf Uhr schließen sich die Türen des Rathauses für eine halbe Stunde, die Mitarbeiter versammeln sich mit Oberbürgermeister Ralf Broß. Das Beisammensein, das gemeinsame Trauern an diesem Tag ist wichtig. Man will jetzt durch Zusammenhalt die schwere Situation meistern, sich gegenseitig unterstützen. Wer sich nicht in der Lage sieht, zu arbeiten, der kann nach Hause gehen.

"Es herrscht überall große Ratlosigkeit, eben weil er so unmittelbar aus dem Leben gerissen wurde", sagt Broß später beim Gespräch in seinem Amtszimmer. Guhls Platz am Besprechungstisch zieren ein schwarzes Band und eine weiße Rose. Ein schmerzhafter Anblick. Bernd Pfaff, Fachbereichsleiter und enger Freund von Werner Guhl, ringt um Fassung. Als Pfaff 2002 zur Stadtverwaltung kam, fanden er und Guhl schnell einen Draht zueinander. Später, als Guhl vom Kollegen zum Chef wurde, tat dies der Freundschaft keinen Abbruch. Man verreiste gemeinsam mit den Familien, unternahm Wanderungen. Erst jüngst schaute Guhl noch mit dem Fahrrad bei Bernd Pfaff vorbei, verschmitzt wie so oft: Er brauche vor dem nächsten Anstieg unbedingt noch eine Stärkung. Pfaff schmunzelt bei der Erinnerung. Man hat viele schöne Stunden zusammen erlebt. Und jetzt: aus und vorbei.

"Als ich herkam, war Werner Guhl einer der wichtigsten Orientierungspunkte für mich", sagt Ralf Broß rückblickend. Die Zusammenarbeit in der Doppelspitze sei weit über das Kollegiale hinausgegangen. "Es war ein freundschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis." Nun schmerze es doppelt, einen liebgewonnen Menschen zu verlieren, und einen Fachmann auf so vielen Gebieten in der Verwaltung.

In Rottweil muss man nun alle zukünftigen Aufgaben ohne Werner Guhl meistern. Gerade jetzt, wo die Stadt mit ihrem Thyssen-Krupp-Turm und der JVA-Debatte ohnehin im Ausnahmezustand ist. Werner Guhl war mittendrin im derzeitigen Strudel an Terminen und Aufgaben. Bis zum vergangenen Donnerstag, als er sich unwohl fühlte. Sich am Freitag krank meldete. Und nicht mehr wiederkam.

Die für Mittwoch geplante Sitzung des Kultur-, Sozial- und Verwaltungsausschusses ist abgesagt. Jetzt gleich zur Tagesordnung übergehen, am Ratstisch sitzen mit dem leeren Platz von Werner Guhl vor Augen – das kann, das will jetzt niemand. Ralf Broß wird sich heute mit dem Ältestenrat zusammensetzen und beraten, welche Prioritäten in den nächsten Wochen gesetzt werden müssen.

Doch trotz der Dringlichkeit vieler Dinge: Jetzt steht zunächst die Vorbereitung der Trauerfeier für Werner Guhl im Vordergrund. Am Freitag ab 14.30 Uhr wird man im Heilig-Kreuz-Münster von ihm Abschied nehmen. Broß und Pfaff stehen in engem Kontakt mit der Familie, stimmen die Organisation ab. Ein Kraftakt in diesen schweren Stunden.

Unten im Foyer des Alten Rathauses füllt sich das Kondolenzbuch. Viele, zum Teil sehr persönliche Einträge sind darin, in denen sich die Bürger an einen freundlichen, hilfsbereiten, humorvollen und sehr beliebten Menschen erinnern. Und alle hätten ihm noch viele, viele Jahre gegönnt.