Ein überragender Gigant. Foto: Meyer

Ausschuss: Nach dem Bericht von Wirtschaftsförderer André Lomsky gibt es mahnende Worte der Stadträte.

Rottweil - Es ist der Moment, in dem André Lomsky Kopf und Blick senkt und still in sich hineinlächelt. CDU-Stadtrat Hans-Peter Alf hat soeben davon gesprochen, dass Lomsky einen "unverschämt professionellen" Bericht seiner Arbeit dem Ausschuss dargelegt habe. Es soll nach einem Lob klingen.

Es sagt aber auch viel darüber aus, mit welchem Selbstbewusstsein Lomsky über seinen Job, die Leitung der Stabstelle Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung, redet und wie er sich selbst sieht. Bärenstark.

"Rottweil hat einen Lauf". Da hat der Wirtschaftsförderer Recht. Zu verdanken ist die Serie an Erfolgen dem Testturm von Thyssen-Krupp Elevator auf dem Berner Feld. Ein Projekt, das scheinbar alles überstrahlt. Es gibt ein Foto, das ein TK-Mitarbeiter aus einem Flugzeug in 6000 Metern Höhe geschossen hat. Lomsky hat es in seine Präsentation eingebaut. Die Aufnahme zeigt den Turm und seinen langen Schatten. Von Rottweil selbst ist so gut wie nichts zu sehen.

Manches Mal gewinnt man den Eindruck, dass auch in Bodennähe, vor lauter Turm, die schöne Stadt nicht zu erkennen ist. "Man darf die Stadt nicht aus dem Auge verlieren" – das ist der Grundklang der Stimmen, der im Kultur-, Sozial- und Verwaltungsausschuss zu vernehmen ist, nachdem Lomsky all die schönen Zahlen und Fakten rund um den Testturm präsentiert hat. Und dafür von allen Seiten erst einmal gelobt wird.

Es hört sich ja auch gut an: Seit Beginn der Bauarbeiten hätten mehr als 50 000 Besucher beim Testturm vorbeigeschaut. Es gebe einen neuen Rekord bei den Baustellen- und Stadtführungen mit 17 000 Teilnehmern. Rottweils Bekanntheitsgrad habe sich um ein Vielfaches gesteigert, so Lomsky.

Ja, Rottweil hat einen Lauf. Dazu gehört, dass sich die Hochschule Furtwangen im Neckartal mit einer Außenstelle eingerichtet hat, die als sicher geltende Ansiedlung eines neuen Großgefängnisses im Gewann Esch und möglicherweise der Bau einer Hängebrücke, die den Testturm mit dem Rest verbinden soll.

Der schöne große Rest, die Stadt Rottweil: Wie geht man damit um? "Wie pflegt man die Stadt, das, was sie bereits hat – beispielsweise die Museen?" fragt Stadträtin Heide Friederichs (FFR) besorgt. Grünen-Rätin Ingeborg Gekle-Maier mahnt, man dürfe das Übrige nicht aus dem Blick verlieren. "Sämtliche ÖPNV-Themen sind zurückgestellt", sagt sie, "das finde ich nicht gut". SPD-Fraktionsvorsitzender Arved Sassnick will wissen, welche wirtschaftlichen Zweige stärker als bisher entwickelt werden müssten und CDU-Rat Alf weist darauf hin, sich nicht zu sehr auf den Testturm zu konzentrieren, sondern auch andere Themen anzugehen: Innenstadtförderung, Leerstände in der Stadt, Industrieansiedlung oder auch Personennahverkehr.

Themen, die den Stadträten in der Präsentation zu kurz gekommen sind, die der Wirtschaftsförderer aber entweder auf seiner Agenda hat oder für die die Verwaltung nicht zuständig sei, wie Oberbürgermeister Ralf Broß in der Angelegenheit des Personennahverkehrs anmerkt. Das sei Sache des Landkreises.

Wobei das wiederum so auch wieder nicht gesehen werden kann. Erst gerade hat die Grünen-Fraktion des Gemeinderats einen Antrag gestellt und will, dass die Stadt eine Regio-Buslinie zwischen Balingen und Rottweil fördert. Eigentlich Sache des Landkreises und doch etwas, das die Stadt angehen könnte.

Lomsky indes verweist darauf, dass sich Rottweil bei den Leerständen der Innenstadtgeschäfte mit einem Anteil von acht bis neun Prozent unter dem Landesdurchschnitt (dieser liegt bei elf Prozent) befinde. Ein Manko sei die Kleinteiligkeit der Einzelhandelsgeschäfte, ein großes, dass ein großer Handelsmagnet fehle. Hierfür sei eine Fläche von mehr als 1000 Quadratmetern notwendig, so Lomsky. Zudem, so Broß, sei es auch eine Frage der Prioritäten und damit der finanziellen und personellen Kapazitäten in der Verwaltung.

Broß sieht auch den Gewerbe- und Handelsverein (GHV) in der Pflicht, sich um die Innenstadt zu kümmern, Projekte anzugehen und die Werbetrommel zu rühren.

Dessen Vorsitzende, Karin Huonker, wiederum gibt sich völlig gelassen. Den Turm findet sie eine gute Sache. Davon profitiere die gesamte Stadt. Sorgen mache sie sich deswegen keine. Auch die Hängebrücke begrüße der GHV. Schließlich erhoffe man sich von beiden Anziehungspunkten, dass sie mehr Touristen in die Innenstadt bringen. Einen dringenden Wunsch jedoch gibt es: mehr Parkflächen.

Gelegenheit sich darüber auszutauschen gibt es in der nächsten Woche. Da findet die erste Sitzung der Projektgruppe "Stadt der Türme" statt. Dabei soll es nicht nur um den Testturm gehen, sondern auch um den großen Rest dieser schönen und altehrwürdigen Stadt.