Bis zum 19. Februar sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Foto: Schönfelder

Jüdische Leben erlebt Renaissance. Viele Hürden überwunden. Festakt am 19. Februar.

Rottweil - Nach rund eineinhalb Jahren Bauzeit freut sich die Israelitische Kultusgemeinde Rottweil/Villingen-Schwenningen auf ihre neue Synagoge. Welche Bedeutung nicht nur die jüdischen Gemeinden in Deutschland, sondern auch die Politik dem höchst seltenen Ereignis zumessen, ist daran abzulesen, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und der Präsident des Zentralrats der Juden Deutschlands, Josef Schuster, am 19. Februar beim Festakt als Gäste teilnehmen werden.

Das Judentum und die Stadt Rottweil blicken auf mehr als 700 Jahre gemeinsame Geschichte zurück, hat der ehemalige Stadtarchivar Winfried Hecht festgestellt. 1315 findet sich die erste Erwähnung einer jüdischen Gemeinde in Rottweils Mauern. Ihre Zahl wuchs auf 300 Personen, aber bereits 1348 wird von einem Pogrom berichtet.

Die Geschichte zwischen Juden und Stadt blieb wechselvoll. Auf Zeiten der friedlichen Koexistenz folgten solche von brutalen Übergriffen. Gerichtsakten des Rottweiler Hofgerichts berichten immer wieder von Streitigkeiten, die auch juristisch ausgetragen wurden.

Ende des 18. Jahrhunderts trat so etwas wie Normalität ein. Namen wie Kaz, Dettinger, Rothschild oder Bernheim belegen die wichtige Rolle, die die Juden mittlerweile in der Wirtschaft der Stadt spielten. Aber auch bei der Narrengesellschaft Narhalla oder bei der Feuerwehr waren Juden zu finden.

Gemeindezentrum umfasst Jugendraum, Bibliothek, Küche, Festsaal und die Wohnung des Rabbiners

Seit 1850 gab es einen Betsaal in der Kameralamtsgasse, 1859 einen eigenen jüdischen Friedhof, und es existierten freundschaftliche Kontakte zur katholischen und evangelischen Kirchengemeinde. Zwei jüdische Mitbürger fielen auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs.

In den 20er-Jahren verstärkte sich wieder der Antisemitismus in der Stadt. Das Jahr 1938 bedeutete das Ende der jüdischen Gemeinde. SA-Männer zerstörten den Betsaal, verbrannten das Inventar und schlugen den Mesner zusammen. Bis 1946 wurde der jüdische Friedhof als Schuttabladeplatz genutzt. Acht Mitglieder der ehemals jüdischen Gemeinde kamen in den Vernichtungslagern der Nazis um. Das jüdische Leben in Rottweil war erloschen. Erst mit der Auflösung der Sowjetunion in den 90er-Jahren erwachte es wieder.

Zurück in die Gegenwart: Tatjana Malafy, Geschäftsführerin der Rottweiler Gemeinde, stellvertretende Vorsitzende des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden (IRG) und einer der Motoren des Projekts, ist Tage vor der Einweihung "von großer Freude ergriffen". Die Bauarbeiten liegen in der Zeit, um die eigentliche Synagoge herum haben die Architekten ein Gemeindezentrum geplant mit Jugendraum, einer Bibliothek, einer Küche, einem Festsaal und der Wohnung des Rabbiners.

Noch muss die im wahrsten Wortsinn junge Gemeinde, deren Mitglieder samt und sonders aus der ehemaligen Sowjetunion stammen, mit einer Etage in der Rottweiler Innenstadt vorliebnehmen. Betsaal, Thoraschrein, Unterrichtsräume und Räume für Jugendliche und Senioren sind zwar vorhanden, aber die Jahre dort neigen sich nun dem Ende entgegen.

Eigentlich hatte die Gemeinde gehofft, die neue Synagoge bereits zum zehnjährigen Bestehen 2012 einweihen zu können. Die Stadt Rottweil hatte der Gemeinde schon ein Grundstück am Entreé der historischen Innenstadt Rottweils verkauft.

Aber ohne die Unterstützung des Oberats war das Projekt unmöglich zu stemmen. Aber die IRG als Bauherr war zu jenem Zeitpunkt, als auch die finanziellen Weichen gestellt werden mussten, mit sich selbst beschäftigt. In Baden-Baden waren 80 000 Euro nicht mehr aufzufinden. Die Vorgänge mussten geklärt werden. Solange konnte der Oberrat auch keine finanziellen Zusagen machen. Monatelang hing die Rottweiler Gemeinde in der Luft, das Grundstück lag weiter brach.

Erst mit dem Spatenstich im August 2015 kam wieder Bewegung in die Sache. Sowohl die jüdische Gemeinde und der Oberrat, als auch die Vertreter der Politik, allen voran die Oberbürgermeister Ralf Broß (Rottweil) und Rupert Kubon (Villingen-Schwenningen), betonten bei dieser Gelegenheit die große Bedeutung des Synagogenbaus weit über die Grenzen Rottweils hinaus. So sind nach Auskunft der Pressestelle des Zentralrats der Juden Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg in Baden-Württemberg gerade einmal sieben Synagogen eingeweiht worden.

Nun ist ein solches Gebäude nur bedingt mit anderen zu vergleichen. Vieles ist beim Bau zu beachten, religiöse Belange sind zu berücksichtigen, aber auch der Sicherheitsaspekt darf nicht vernachlässigt werden. Ein israelischer Rabbiner, der Gemeinden auf der ganzen Welt berät, unterstützte die Architekten bei der Umsetzung.

Und doch hat der Erfolg viele Väter. Malafy hebt die Rolle des Vorsitzenden des Oberrats von Baden, Sami Sulimann, hervor, der sich persönlich immer wieder eingesetzt habe. Die Stadt Rottweil half, wo sie konnte, und aus dem Landtag kam Unterstützung.

Ist die Einweihung der Synagoge schon ein besonderes Ereignis, so wird es bald, nach vielen Jahrzehnten, auch wieder einen Rabbiner in der Gemeinde geben. Man habe sich bewusst für eine jungen Geistlichen entschieden, so Malafy. Jetzt herrscht erst einmal Vorfreude auf die neue Synagoge.