Junger Mann aus Rottweil in Marburg wegen Totschlags angeklagt. Prozess beginnt im September.

Rottweil - Die Tat sorgte im Oktober in Marburg für Entsetzen: Nach einem Streit in einer Kneipe tötet ein 26-jähriger Student einen 20-Jährigen mit einem Messerstich ins Herz. Was damals noch nicht publik wurde: Der mutmaßliche Täter kommt aus Rottweil. Die Staatsanwaltschaft hat nun Anklage erhoben. Im September beginnt der Prozess.

Der 26-jährige Rottweiler muss sich dann an zehn Prozessterminen für die Geschehnisse vom 12. Oktober 2014 verantworten. Die Anklage lautet auf Totschlag. Mit einem einzigen Stich ins Herz soll er seinen Kontrahenten mitten im Marburger Kneipenviertel erstochen haben.

Es gibt etliche Zeugenhinweise, einen Tag später stellt sich der Tatverdächtige der Polizei und kommt in U-Haft, aus der er aber gegen Auflagen kurz vor Weihnachten entlassen wird.

Der Fall sorgt in Marburg für viele Schlagzeilen – die Trauer um das Opfer, einen 20-Jährigen Studienanfänger, der mit Freunden feiern wollte, ist groß, die Fassungslosigkeit ebenso. Besondere Brisanz erhält der Fall dadurch, dass der Tatverdächtige Mitglied einer pflichtschlagenden Studentenverbindung, der »Landsmannschaft Nibelungia Marburg«, gewesen sein soll. Es geht womöglich um Ehre und verletzten Stolz. Der Auslöser: Streit um ein Einstecktuch.

Aus den Berichten der örtlichen Polizei und der Medien in den Tagen nach der Tat ergibt sich folgendes Bild: In der Marburger Oberstadt mit ihren vielen Kneipen ist Erstsemester-Party. Das spätere Opfer, angehender Student der Sozialwissenschaften, feiert mit Freunden in einem Club. Unter den Gästen ist auch eine Gruppe junger Männer, die eines gemeinsam haben: Sie tragen Anzug mit Einstecktuch. Auch der Pharmaziestudent aus Rottweil ist dabei. Scheinbar, so die ersten Erkenntnisse, erlauben sich die Erstsemester einen Scherz und klauen einem der Anzugträger das Tuch. Es kommt zum Streit, das Tuch wird schließlich zurückgegeben.

Als der Club in den Morgenstunden schließt, treffen die Gruppen draußen aufeinander. Es gibt zunächst verbale Auseinandersetzungen, dann ein Handgemenge. Der 26-Jährige hat plötzlich ein Messer in der Hand und sticht zu.

Als er sich einen Tag später in Begleitung eines Anwalts bei der Polizei stellt, bestätigt er nach Auskunft der Oberstaatsanwaltschaft Marburg selbst, dass er das Messer in der Hand hatte. Die Tatwaffe ist zunächst verschwunden, kann dann aber nach Hinweisen des 26-Jährigen gefunden werden.

Für das Opfer kommt jede Hilfe zu spät. Der 20-Jährige stirbt kurz nach der Tat im Krankenhaus. Mitstudenten, Freunde und entsetzte Bürger stellen später Kerzen am Tatort auf. Das schreckliche Geschehen lässt in Marburg die Debatte um die so genannten schlagenden Studentenverbindungen wieder auflodern. Führte womöglich verletzter Stolz zur tödlichen Rache? »Vaterlandland, Freundschaft, Ehre«, lautet der Wahlspruch der Landsmannschaft Nibelungia. »Zusammenhalten in Glück und Unglück« ist die oberste Pflicht aller Mitglieder. Es gilt ein komplexes Regelwerk gesellschaftlicher Etikette, das einzuhalten ist.

Gesellschaftliche Etikette – etwas, das durchaus ins Bild des jungen Mannes aus Rottweil passt. Dessen Lebensweg dürfte mancher bis zur Nacht auf den 12. Oktober 2014 als vielversprechend bezeichnen. Dem Vernehmen nach sang der 26-Jährige in früheren Jahren in seiner Heimatstadt im Chor, macht Abitur. Als ihn das Studium nach Marburg führt, nimmt er rege an Aktivitäten der Verbindung teil.

Der Anwalt des Rottweiler Studenten spricht in Interviews von einem unglücklichen, tragischen Ereignis. Auf dem Schuhmarkt habe in dieser Nacht großer Tumult geherrscht, sein Mandant habe außerdem mit 2,8 Promille unter hochgradigem Alkoholeinfluss gestanden.

Die sechste Strafkammer des Landgerichts Marburg hat nun ab 14. September die Aufgabe zu klären, wie es tatsächlich zu der Tat kam. Die Staatsanwaltschaft, so hieß es im Vorfeld, gehe nicht von Notwehr aus.