Gegner der geänderten Sprungführung befürchten, dass der Sprung zum Umzug wird. Foto: dpa

Anträge sollen neuen Sprung stoppen: Narren wollen über Streckenänderung am Montag mitentscheiden. Mit Kommentar.

Rottweil - Eine Route für alle Sprünge: Seit die Narrenzunft ihren Beschluss, auch den traditionellen Narrensprung am Montag zu verkürzen und nicht mehr "d’Stadt nab" und über die Hochbrücke zu führen, verkündet hat, ist die Empörung groß. Nicht nur online formiert sich Widerstand.

"Nie mehr? Niemals!" steht auf einem gelb-schwarzen Herz mit Riss, im Hintergrund ist ein Foto vom Rottweiler Narrensprung zu sehen. Standort des Fotografen: die Untere Hauptstraße, in Erwartung der Narren. Die Botschaft ist klar, und sie heißt so, wie die Facebook-Gruppe, auf deren Seite sie zu finden ist: "d’stadt nab am Fasnetsmontag."

Gestern am frühen Abend hatte sie bereits mehr als 670 Mitglieder. In der virtuellen Welt kommentieren diese seit der Gruppengründung am 10. Januar über die Entscheidung der Narrenzunft, den Montagssprung zu verlegen und so deutlich zu verkürzen. Der Tenor: "Goht’s no, Narrenzunft?"

Die Änderung der Route – künftig sollen alle Sprünge nur noch die Obere Hauptstraße runter, dann über Hochbrücktorstraße und Grafengasse vorbei am Konvikt und vom Spital zum Friedrichsplatz führen – passt ihnen nicht. Genauso wenig wie die Tatsache, dass der Ausschuss der Narrenzunft eine solch schwerwiegende Entscheidung getroffen hat, ohne mit allen Narren darüber zu diskutieren.

Claudia Maiberg hat die Facebook-Seite gegründet, unterstützt wird sie von Ute Wiedmann sowie von Michael Wycisk und dessen Tochter Greta. "Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt", sagt sie. Bis jetzt allerdings habe sie – von den Zunftoberen einmal abgesehen – noch keinen getroffen, der mit der Änderung einverstanden sei. Auch die Argumente der Zunft – untere anderem der Sprung sei zu lang, das Aufsagen leide darunter und die Tochterzünfte und Musiker schafften es kaum in ihre Heimatorte zu den eigenen Sprüngen – überzeugen sie nicht. Montags, meint Maiberg, gebe es andere Lösungen, um diesen Problemen zu begegnen als auf das traditionelle "d’Stadt nab", also die Untere Hauptstraße runter, zu verzichten: "Man muss diskutieren und sehen, was der beste Vorschlag ist."

Beim Protest in der virtuellen Welt belassen es die Rottweiler Kleidlesträger nicht. Deshalb hatten sie am Montagabend zu einem Treffen in der Weinstube Grimm eingeladen. Gut 30 Interessierte nahmen daran teil. Darunter Jörg Stauss, der sich auf der Facebook-Seite ebenfalls zu Wort meldet. Er zumindest ist in einer Sache derselben Meinung wie die Wadelkappen: Dass der Sprung am Montag zu lang ist "sieht jeder". Die neue Streckenführung die Grafengasse hinunter hält er allerdings für gefährlich – die Gasse ist ein Nadelöhr, erst recht, wenn es glatt ist. Mit seinen Kindern würde er sie nicht laufen, sagt er. Andersrum schon – den Berg hoch vom Konvikt kommend, wenn der Zugang in die Grafengasse entsprechend beschränkt und vielleicht ein Teil der Narren über die Kameralamtsgasse geleitet würde. "Ich flieg lieber den Buckel rauf als nab", erklärt Stauss.

Seine Überlegungen zeigen: Seit die Narrenzunft ihre Entscheidung bekannt gegeben hat, wird in der Stadt diskutiert. Ideen gibt es viele, das wird schon allein an den Leserbriefen deutlich, die unsere Redaktion erreichen, und an den zahlreichen Einträgen auf unserer Facebook-Seite, die die Berichterstattung nach sich zog. "Der Umzugsverlauf ist allerorts Anlass zu heftigen, natürlich auch sehr gefühlsbetonten Diskussionen", heißt es auch in einer Erklärung zu dem Treffen am Montagabend. Unterzeichnet haben es Gabi Müller und Michael Wycisk. Das Motto der Versammlung habe sich schnell herauskristallisiert, schreiben sie: "Der Sprung kann nur d’Stadt nab bis zum Spital gehen!" Schließlich sei das die traditionelle Route, schließlich werde dieser Verlauf durch den Text des Narrenmarschs unterstrichen, und er biete die "tollste Aussicht des Narrensprungs". Die Änderung mache aus dem Sprung einen Umzug.

Dass der Montagssprung zu lang dauert, meint auch Michael Wycisk: "Aber dieses Bild zerstören, Historisches zerstören, das geht halt gar nicht." Deswegen haben sich die Teilnehmer des Treffens zum Ziel gesetzt, gemeinsam eine Lösung zu finden. "Die bestmögliche Lösung für alle", erklärt er. Gemeinsam mit der Narrenzunft.

Am Montag seien richtig gute Ideen zusammengekommen, die selbst für die Wadelkappen neu gewesen seien. Drei von ihnen waren beim Treffen dabei – auf eigene Initiative, wie Narrenmeister Christoph Bechtold sagt: er, Zunftsäckelmeister Stefan Roth und Zunftschreiber Frank Huber. Das sei "sehr positiv aufgenommen" worden, kommentiert Wycisk. Und er hat den Eindruck, dass sie gesprächsbereit sind.

"Wir gehen fest davon aus, dass wir’s durchkriegen", erklärt er zu zwei Anträgen, die am Montag formuliert wurden – für die Hauptversammlung der Narrenzunft am Freitag, 23. Januar, ab 20 Uhr im Kapuziner. Zum einen fordern die Kleidlesträger, in diesem Jahr solle alles bleiben wie gehabt, zum anderen die Entscheidung der Zunft zur Sprungführung auf 2016 verschoben werden, damit Zeit bleibt, um gemeinsam über eine Streckenänderung zu diskutieren.

Ob die Mitglieder tatsächlich alle mitreden dürfen, hängt von den Anträgen ab, erklärt Christoph Bechtold. Sind sie formal richtig – jeder Antrag werde von Jurist Markus Schellhorn geprüft – müssen sie zugelassen werden. Dann dürfte die Versammlung tatsächlich über sie diskutieren und abstimmen. Trotz aller geäußerten Empörung sagt der Narrenmeister, dass er auch andere Rückmeldungen zur geänderten Sprungführung erhalten habe – am Dreikönigstag über die Abstauber, die unterwegs waren. Außer zwei völlig negativen Feedbacks hätten die Besuchten verstanden, dass die Zunft den Schritt gehen müsse, auch wenn sie diesen bedauerten. "Schade drum, aber wir akzeptieren es so", fasst Bechtold die Rückmeldungen zusammen.

Wie’s weitergeht? Wird sich am 23. Januar zeigen. "Jede Stimme zählt!!!", schreibt Claudia Maiberg über den Terminhinweis auf ihrer Facebook-Seite.

Weitere Informationen: bei Facebook auf der Seite der Gruppe "d’stadt nab am Fasnetsmontag" sowie per E-Mail: dstadtnab@online.de

Auch auf unserer Facebook-Seite Schwarzwälder Bote wird rege diskutiert:

Kommentar: Spannend

Verena Schickle

Den Oberen der Narrenzunft war klar, dass sie mit der Änderung der Sprungführung am Montag die »heilige Kuh« der Rottweiler Fasnet von der Weide führen. Aber ob sie tatsächlich mit solch einem Aufschrei gerechnet haben? In den unzähligen Kommentaren auf Facebook-Seiten findet sich praktisch keiner, der ihre Entscheidung befürwortet. Die gute Nachricht für die Zunft: Dass der Montagssprung zu lange dauert, meinen auch viele Narren. Die schlechte: Die Kleidlesträger fühlen sich übergangen, die Tradition in Gefahr. Nun suchen beide Seiten das Gespräch, um die Situation zu kitten. Das ist die beste Nachricht angesichts der Empörung. Und eine Herausforderung: Sollten tatsächlich alle mitdiskutieren und gar -entscheiden dürfen, wird eine Lösung angesichts der vielen Vorschläge zur Streckenführung nicht einfach zu finden sein. Es bleibt spannend.

Info: TED-Umfrage

Uns interessiert Ihre Meinung: Was halten Sie von der geänderten Streckenführung auch am Montagmorgen, die der Ausschuss der Narrenzunft beschlossen hat? Deshalb haben wir bis morgen, Donnerstag, 23.59 Uhr, einen TED geschaltet. Zur Abstimmung stehen folgenden Möglichkeiten:

Die geänderte Sprungführung ist eine gute Sache: 0180-400-3225-09-1*

Die geänderte Sprungführung geht gar nicht:

0180-400-3225-09-2*

Mir ist egal, wie der Narrensprung verläuft:

0180-400-3225-09-3*

*0,20 €/Anruf aus Festnetz, Mobilfunk max. 0,42 €