Zur Polizeireform wird derzeit an vielen Eckpunkten kritisch reflektiert. Foto: Seeger Foto: Schwarzwälder-Bote

Evaluierung: "Tuttlingen nicht die beste Wahl" / Begründung mit "baulicher Situation" hinfällig / Resolution aus Schwarzwald-Baar-Kreis

Die von der neuen Grün-Schwarzen Landesregierung zur umstrittenen Polizeireform veranlasste Evaluierung ist in vollem Gang. Nicht zuletzt für den Bereich des Polizeipräsidiums Tuttlingen werden markante Korrekturen erwartet.

Schwarzwald-Baar-Heuberg (ewk/wis). Als die vom damaligen Innenminister Reinhold Gall (SPD) konzipierte Reform am 1. Januar 2014 unter Grün-Rot in Kraft gesetzt wurde, war Kritik zunächst eher als Misstrauen gegenüber Neuem abgetan worden. Die Unzufriedenheit äußerte sich mit der Zeit aber immer spürbarer. Der für seine unbedingte Loyalität zu Gall bekannte und vor Kurzem in den Ruhestand verabschiedete Tuttlinger Polizeipräsident Ulrich Schwarz verbat sich in seinem Beritt mit den Landkreisen Schwarzwald-Baar, Rottweil, Tuttlingen, Freudenstadt und Zollernalb jegliche Kritik und ließ zu vielen beanstandeten Sachverhalten von seiner Presseabteilung schönreden. Die Polizeibasis muckte aber zusehends auf. Nicht zuletzt wegen dauernder Personalengpässe wurde der Öffentlichkeit von Einsatzbeamten über den Schwarzwälder Bote ein von großer Unzufriedenheit geprägtes Bild gezeichnet, das landesweit Beachtung fand. Die dabei – vor allem mit Blick auf das Polizeipräsidium Tuttlingen – verstärkt in Umlauf gebrachte Mutmaßung, dass neben dem notorischem Personalnotstand, auch neu geschaffene Strukturen für Negativpunkte sorgten, ist bei der laufenden Evaluation natürlich ein wichtiger Gesichtspunkt.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) betonte zum Start Anfang Oktober, dass die Evaluierung "objektiv, ideologiefrei und polizeiorientiert" zu erfolgen habe.

Den Vorsitz in dem den Evaluationsprozess steuernden Lenkungsausschuss hat der frühere bayerische Polizeipräsident Waldemar Kindler inne. Für dessen Gutachterarbeit und daraus möglicherweise abzuleitenden Korrekturen gibt es jetzt aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis neue "Munition".

Das gibt es nicht so oft, dass ein Ministerium mit einem einstimmigen Votum eines Kreistages gebeten wird, eine vor Jahren getroffene und längst realisierte Entscheidung noch einmal kritisch zu überprüfen und zu revidieren.

In der Resolution des Schwarzwald-Baar-Kreistages an Innenminister Thomas Strobl wird die Lokalisierung des regionalen Polizeipräsidiums in Tuttlingen in Frage gestellt und deutliche Kritik an der Entscheidung der damaligen Landesregierung geübt.

Die Kritik: Aus polizeitaktischer wie aus administrativer Sicht, heißt es, stelle sich die Konzentration des regionalen Polizeipräsidiums für die fünf involvierten Landkreise in Tuttlingen am räumlichen Rand des Zuständigkeitsbereichs "nicht als die beste Wahl" dar. Darüber hinaus wird kritisiert, dass anders als anfänglich gesehen, am Standort Tuttlingen nun doch kostenträchtige Baumaßnahmen anstehen.

Festlegungen im Landesentwicklungsplan 2002, in dem VS als Oberzentrum und Schwerpunkt von überregionaler Bedeutung bestätigt wurde, habe man mit der Standortentscheidung für Tuttlingen die eigenen Landesentwicklungspläne konterkariert. Die Verlagerung von oberzentralen Aufgaben stelle eine unnötige Schwächung des Oberzentrums dar, die in Baden-Württemberg beispiellos sei.

Auch die Ansiedlung der Hochschule für Polizei, ein Spezialpräsidium der Polizei für Aus- und Fortbildung, in VS gleiche das nicht aus. Die Begründung: Als größte Stadt der Region sei VS mit einem relativ hohen Demonstrationsgeschehen (Pegida-Demos), einem relativ hohen Verkehrsaufkommen sowie Bandenkriminalität in der Rotlicht-, Rocker- Rauschgift- und Falschgeld-Szene belastet. Die Ansiedlung des Polizeipräsidiums am Ort des Geschehens wird als polizeitaktischer wie strategischer Vorteil angeführt, ebenso die optimale Anfahrbarkeit über die A 81. Zur räumlichen Unterbringung stehe eine ausreichend große Landesimmobilie, in dem die ehemalige Polizeidirektion VS untergebracht war, zur Verfügung.

Die Forderung: Mit der eingeleiteten Evaluation der Polizeireform ergebe sich nun die Chance, die falsche Standortentscheidung zu revidieren und ein deutliches Zeichen für eine nachhaltige Stärkung des Oberzentrums VS zu setzen.

2012, als Sven Hinterseh zum Schwarzwald-Baar-Landrat gewählt wurde, war die Polizeireform beschlossen. Bei einem Besuch beim damaligen Innenminister habe man um "Revision gebeten" so Hinterseh. Begründet worden sei die Entscheidung für Tuttlingen mit der günstigen baulichen Situation. Immerhin war die Kriminalpolizeidirektion des Polizeipräsidiums im Zuge der Reform in Rottweil etabliert worden.