Bürgermeister-Stellvertreter Arved Sassnick verabschiedet Stadtschreiber Dmitrij Gawrisch. Foto: Schnekenburger Foto: Schwarzwälder-Bote

Verabschiedung: Dmitrij Gawrisch verabschiedet / Schreibwerkstatt-Teilnehmer lesen aus ihren Reportagen

Ob er "die Rottweile" tatsächlich schreibend erforschen konnte, wie er es vorhatte? Jedenfalls hat Dmitrij Gawrisch viel gemacht, seit er im September seinen Dienst antrat. Jetzt wurde der Stadtschreiber verabschiedet.

Rottweil. Die Sache mit den Heimaten und Identitäten kann man so oder so sehen. Wie andere sie bei Gawrisch sehen, sagt er selbst: "In der Schweiz war ich der Ukrainer, in Deutschland bin ich der Schweizer, in Österreich bin ich der Deutsche, in Rottweil bin ich der Berliner und in Villingen-Schwenningen bin ich der Rottweiler". Er macht sich Gedanken über Migration. Nicht unbedingt, weil das Thema gerade besonders brisant scheint. Eher schon, weil das Thema Teil seines Lebens, Teil seiner Biografie. Es wird breiten Raum einnehmen in seiner Rede, die er dann doch geschrieben hat, einen losen Text, ausgehend von einem Cafébesuch, den Erlebnissen, den Beobachtungen, dem Zuhören – und von Gedanken, etwa zur Kulturrezeption.

Er schmeichelt der Stadt, deren Namen er auf Zeit in seinem Titel trägt, wenn er Berlin als Zusammenschluss von Dörfern bezeichnet, die sich zu wichtig nehmen. Gleichzeitig kann er in diesem Berlin auch eine Offenheit erleben, die er in "alt, älter, Rottweil", der "›rottweilsten‹ Stadt Baden-Württembergs" vermisst. Zumindest stößt er die Frage an, weshalb hier zum Beispiel im Theater manches nicht möglich sei, was in Berlin gezeigt wird – und was jenseits der Bühne normal ist.

Und auch Gawrisch, der 15. literarische Stadtschreiber, kommt um manche Sachen nicht herum: den Dank an Konviktsdirektor Ulrich Fiedler und das Team, die Konviktoren, auch am Donnerstag bei der Verabschiedung ihrem Konviktor, also ihrem Mitbewohner, über die Haussprecher Robin Hagenbach und Laura Kraemer noch einmal die Aufwartung machen, an die Stadt, für die an diesem Abend Bürgermeister-Stellvertreter Arved Sassnick die Laudatio hält und die Urkunde überreicht, ans Zimmertheater, das den Raum zur Verfügung stellt und auch die Möglichkeit eines Gastspiels eröffnete, und an Christiane Frank, die einfach alles rund um die Stadtschreiber erledigt. Auch Gawrisch berichtet, wie so ziemlich alle seine Vorgänger aus dem Konvikt, das ihn aufgenommen hat.

Und er ahnt, dass Rottweil ihm auf absehbare Zeit nie Heimat sein kann, so wohl er sich auch fühlte und fühlt, so interessant die Aufgabe, auch die Arbeit mit den Jugendlichen in der literarischen Schreibwerkstatt, ist: 15 Jahre Lebensmittelpunkt kann man hinbekommen, aber das mit dem Schwäbisch könnte für den Berliner Schweizer aus der Ukraine schwierig werden. Für Gawrisch bedeutet das: Fasnet bleibt ihm ein Raum den er betreten, nicht aber als Rottweil Narr wird füllen dürfen.

Was er hier gefüllt hat, sind viele Zeilen, ist viel Zeit, sind literarische Schritte auch bei anderen: Die Teilnehmer der Schreibwerkstatt hat der Stadtschreiber auf die Schnittstelle zwischen Journalismus und Literatur angesetzt, die große Reportage, die er selbst, das konnte man auf dem Hegneberg hören, beherrscht. Am Donnerstag tragen die Schreibwerkstatt-Teilnehmer Teile aus ihren Reportagen vor. Nach und nach wird man sie ganz lesen zu können.