Jacopo Varelli (Mitte) ist der einzige der fünf jungen L’Aquilani, die das vom Programm MobiPro finanzierte Bildungsprojekt in Rottweil durchgezogen haben. Im Sommer 2017 hält er den Gesellenbrief als Elektriker in der Hand. Auf dem Bild sind zudem Johannes Binder (links) und Ludwig Kohler, die das Projekt initiiert und auf Rottweiler Seite maßgeblich vorangebracht haben. Foto: Schnekenburger Foto: Schwarzwälder-Bote

Ausbildung: Jacopo Varelli aus L’Aquila wird in Rottweil Elektrikergeselle / Auch Unterstützer lernen viel dazu

Erfahrungen haben alle gesammelt. Nicht nur die jungen Menschen, die aus L’Aquila hierher kamen, um einen Beruf zu erlernen. Durchgekommen ist einer: Jacopo Varelli hat seinen Gesellenbrief als Elektriker in Händen.

Rottweil. Auch Varelli musste am Ende kämpfen: Ausbildung, Schule, Nebenjob, Sprachkurs – das kann irgendwann zu viel werden. "Am Anfang war es leichter als gedacht", sagt er. In seinem Berufsfeld spiele die Sprache keine zentrale Rolle: "Aber nach zweieinhalb, drei Jahren wirst du irgendwann müde."

Ludwig Kohler und Johannes Binder, die das Projekt auf Rottweiler Seite vorangebracht und getragen haben, wissen um diese Schwierigkeiten. Und sie machen den verhaltenen Erfolg noch an etwas anderem fest: Das Programm "MobiPro-EU" hatte ein paar eingebaute Fehler Auch Kohler und Binder werden viel dazu lernen – und verfügen jetzt über ein Netzwerk, das Unterstützung auf allen Ebenen geben könnte. Nach verhaltener Nachfrage war es im Folgejahr überzeichnet. Das Rottweiler Projekt ist nur deshalb hineingenommen worden, weil der Antrag entsprechend früh vorlag. Noch einmal ein Jahr später war der revidierte Zuschnitt so, dass fast nur institutionelle Kooperationspartner zum Zuge kommen konnten. Damit war "MobiPro" für die Rottweiler Initiative erledigt.

Zu diesem Zeitpunkt haben sich allerdings immerhin fünf junge Menschen aus L’Aquila und Umgebung in Rottweil eingefunden: Nach einer Info-Veranstaltung, bei der Ende 2013 an die 40 Interessenten teilnahmen, was den Ausschlag gab, das Projekt umzusetzen, einem Besuch in Deutschland, bei dem ihnen unterschiedliche Ausbildungsberufe vorgestellt wurden, dem obligatorischen Deutschkurs wieder in Italien beginnen sie im Herbst 2014 ihre Ausbildung. Ihnen zur Seite stehen bei Bedarf zahlreiche Helfer, auch vom Partnerschaftsverein "Amici dell’ Aquila". Allerdings erwiesen sich nicht nur Bürokratie und das tägliche Leben in einem anderen Land als echte Herausforderung, sondern eben auch die Sprache.

Ein Kandidat fällt aus, weil er – trotz eines vielversprechenden Zeugnisses einer Fachschule – schlicht nicht das Rüstzeug hat, in seinem Berufsfeld erfolgreich eine Ausbildung zu bewältigen. Bei drei anderen ist es die Sprache. Zwei angehende Restaurantfachkräfte bleiben mehr als zwei Jahre dabei, berichtet Kohler. Weil sie aber keine Aussicht darauf haben, mit ihrem Sprachniveau die Abschlussprüfung zu schaffen, entscheiden sie sich, das Handtuch zu werfen. Das Angebot, ein Kammer-Zertifikat zu erwerben – dafür bräuchte es den Deutsch-Teil nicht –, kommt zu spät. An den Sprachkenntnissen scheitert auch eine junge Frau, die hier eine Ausbildung zur Erzieherin, ihrem Traumberuf, machen will.

So bleibt Jacopo Varelli übrig, der eigentlich Mechatroniker lernen wollte, ein Beruf, auf dem der Ausbildungsmarkt eher übersättigt ist. Bei den Gesprächen in der Handwerksakademie läuft Ralf Rapp, Inhaber von Elektro Bayer, vorbei. Blanker Zufall. Rapp unterrichtet dort. Und er vertritt einen technischen Beruf. Kohler spricht ihn an. Die Begeisterung ist zunächst wohl nicht überschwänglich, doch willigt Rapp ein. Varelli hat eine Lehrstelle. Und er macht seine Sache gut. Zunächst sind es noch zwei Auszubildende, was insofern praktisch ist, als sie sich austauschen könnten, doch der andere fällt aus. Dafür erhält Varelli viel Unterstützung von den Kollegen, vom Ausbildungsleiter und Familie Rapp.

Dafür ist er dankbar, denn ohne die Unterstützung, so räumt er ein, wäre der Erfolg zweifelhaft gewesen. Jetzt hat er nicht nur den Gesellenbrief, sondern auch ein Angebot zur Übernahme. Wäre er in Italien geblieben, hätte er sich von Monat zu Monat von Job zu Job gehangelt, mal mehr, mal weniger verdient. Perspektive: Immer weiter so. Irgendwie. Perspektive jetzt: Zunächst zurück nach Italien. Auch wegen der Familie. Eine Rückkehr ist allerdings nicht ausgeschlossen. Denn er hat viel gelernt. Fachlich, aber auch, das mag abgedroschen klingen, für’s Leben. Er ermutigt die jungen Menschen, solche Chancen zu nutzen, hinaus zu gehen, in anderen Ländern zu lernen, wenn das eigene keine Angebote gibt. Das heißt: Angebote gibt es. "Alles wie hier", sagt er und fügt ein "theoretisch" an.