Im Laufstall auf dem Aulich-Hof: Die Milchpolitik sorgt bei den Erzeugern Michael Aulich und Andreas Banholzer und Kreisbauernobmann Manfred Haas (von rechts) laufend für Gesprächsstoff. Foto: Archiv

Wegfallende Milchquote bringt neue Herausforderungen. Weniger Exportmöglichkeiten lassen Preise sinken.

Schwarzwald-Baar-Heuberg - Die vor 30 Jahren eingeführte Milchquote fällt zum 1. April. Sehen sich manche bei der Vermarktung über die Molkereien gut aufgestellt, haben andere Bedenken, was die Marktentwicklung angeht. Gibt es 2015 sogar eine Milchkrise? Diese wäre nicht durch eine Unterversorgung oder Verknappung der Milch, sondern durch einen Preisverfall für die Bauern gekennzeichnet.

Ernst-Martin Bilger, Vorsitzender der Albmilch-Verwertungsgenossenschaft und Landwirt mit 100 Stück Milchvieh, weiß genau von was er spricht, wenn er an die vor Jahren von der EU verordnete Zäsur durch Wegfall der Milchquote zum 1. April 2015 spricht. Er sieht den Neuerungen mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen, wie der Milchbauer aus Sulz-Sigmarswangen sagt. Künftig sei man freier, müsse sich nicht mehr ärgern, wenn man als Produzent eines wertvollen Nahrungsmittels übers Quoten-Ziel hinausschieße und Gefahr laufe, für die nicht genehmigten Mengen keinen ordentlichen Obolus zu bekommen.

Das "weinende Auge" von Bilger blickt nicht zuletzt auf die über die Jahre teuer hinzugekauften Quoten zur Ausweitung der betriebseigenen Produktionsmenge. Der Quotenwert – Bauern zahlten teilweise bis zu 60 Cent/Liter Quotengeld zur Ausweitung ihrer Liefermenge – ist ab dem 1. April Makulatur. Das komme der Enteignung eines Vermögenswertes gleich, nimmt der Milcherzeuger kein Blatt vor den Mund.

Obwohl Bilger als ein Mann gilt, der das Glas statt als halbleer lieber als halbvoll betrachtet, räumt er ein, das sich zur Zuversicht für die kommende bäuerliche Zeit auch Verunsicherung gesellt hat. Vor allem für jene, die mit erheblichem Fremdkapital ihre Ställe modernisiert und dadurch größere finanzielle Verpflichtungen eingegangen seien, werde es schwieriger, einen sinkenden Milchpreis zu verkraften.

Im Verein mit der an die Omira in Ravensburg liefernden Albmilchverwertungsgenossenschaft, in der von Hechingen bis Stockach etwa 500 Milcherzeuger organisiert sind, wollen sich viele den neuen Herausforderungen stellen. Auch Ernst-Martin Bilger, der sich von Omira unter Leitung des neuen Geschäftsführers Ralph Wonnemann weiterhin akzeptable Bedingungen für die Lieferantenschar erhofft.

Kreisbauernobmann: Auch bei Fleisch und Getreide schlechtere Erlössituation

Die meisten Höfe seien gut in Schuss, trotz der momentan schwierigen Lage denke kaum jemand daran, die Flinte ins Korn zu werfen, sagt auch Kreisbauernobmann Manfred Haas. Er selbst betreibt eine Ferkelzucht. Ihm habe das Russland-Embargo seit Juli einen Preiseinbruch von 40 Prozent gebracht. Statt 56 bis 58 Euro gebe es von den Mastbetrieben derzeit 32 Euro je Ferkel. Ins Kontor schlägt laut Haas auch das prächtige Erntejahr 2014. Die Bauernregel "Ernte topp, Preis flopp" habe sich seit dem Herbst beim Getreide in einem Preisrückgang von 30 Prozent niedergeschlagen.

Wenn ein Bauernfunktionär wie Werner Räpple, Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) mit rund 17 000 Mitgliedern, die Milchlieferanten auffordert, sich auf die neue Situation rasch einzustellen, wird der Blick aber immer wieder auch auf die radikalen Preissenkungen Ende des vergangenen Jahres gerichtet. Hier würden die Akteure des Lebensmitteleinzelhandels ihre starke Marktmacht massiv ausnutzen.

Der Verbandschef nimmt bei seinen Appellen auch die Molkereien in die Pflicht: Es müssten zusätzlich intelligente und effiziente Wege der Vermarktung für Milch und Milchprodukte gefunden werden. Hier präferiert er die Regionalität. Wobei auch die Verbraucher ihren Anteil dazu beitragen können. "Politik und Wirtschaft müssen zudem verstärkt Anstrengungen unternehmen, um neue Absatzmärkte zu erschließen, Handelshemmnisse müssen abgebaut und zusätzlicher Export angekurbelt werden."

(wst/wis). Die aktuelle Lage beim Milchmarkt beinhaltet mehrere Faktoren: So gibt es das Handelsembargo im Zuge der Ukraine-Krise in Russland. EU-Molkereien, die dort ihren Absatzmarkt hatten, müssen auf EU-Gebiet oder anderweitig in den Weltmarkt ausweichen.

Zweitens ist es erklärtes Ziel der Chinesen, ihren Milchbedarf aus eigener Kraft heraus zu decken, auch dorthin wird weniger exportiert. Des weiteren ist das internationale Handelsabkommen TTIP in Verhandlung. Die US-Amerikaner lassen aktuell so gut wie keine Milchprodukte aus der EU ins Land, wollen jedoch über TTIP festschreiben, dass sie exportieren dürfen.

Ostasien wiederum gilt zumindest mittelfristig als ein Markt, in dem die Überschüsse aus der EU gut gebraucht werden könnten, so dass sich aus einem preisdämpfenden Angebots- ein Nachfragemarkt mit attraktiveren Milchpreisen für die Erzeuger entwickeln könnte. Von solchen Perspektiven ist allerdings schon länger die Rede.

Schaut man sich die Erhebungen des Statistischen Landesamtes an, gibt eine Kuh im Jahr 2013 durchschnittlich 6696 Kilogramm Milch (Milch wird in Kilogramm, nicht in Litern gemessen), das sind 18,35 Kilogramm täglich. 1980 waren es noch 11,7 Kilogramm im Schnitt. Entsprechende Züchtungsziele und Kraftfuttergaben verhalfen zu dieser Steigerung. Diese war notwendig, da viele kleine Milchbauern ihre Betriebe aufgaben, die Preise weiter sanken und Arbeiten auf den Höfen rationalisiert werden mussten.

Dies führte auch zu Spezialisierungen in der Landwirtschaft und zu steigenden Hofgrößen. Diese sind im Süden Deutschlands weitaus kleiner als im Norden.