Ein drittes Auge: Seite aus dem Geburtstagsbuch aus dem Nachlass von Margot Fürst. Foto: Pohler Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Nachlasskonvolut Fürst/Grieshaber gilt als historischer Schatz und wartet auf seine Erschließung / Landkreis beteiligt sich

Wenn ein attraktives Thema ansteht, schaltet der Kulturausschuss des Kreistags in den vierten Gang. Das Nachlasskonvolut Fürst/Grieshaber verleiht der jüngsten Sitzung Fahrt und Glanz.

Kreis Rottweil. So fix nähern sich die 15 Kreisräte dem besagten Tagesordnungspunkt vier, dass selbst der agile Kreisarchivar Bernhard Rüth schweigt. Vielseitig beschäftigt, ist er noch gar nicht im großen Sitzungssaal anwesend. Dafür seine umfangreiche Sitzungsvorlage, die keine Wünsche offen lässt und beinahe eine Abstimmung über zu bewilligende Gelder ohne Vertiefung und Diskussion zur Folge hat. Die Fakten sprechen schließlich für sich. Bis Rüth augenblicklich erscheint und das Wort ergreift. Das Profane: Kurz das Profane zuerst. Es geht um die Erschließung des Nachlasskonvoluts Fürst/Grieshaber im Kreisarchiv ab Juli 2017. Kosten von 152 000 Euro stehen im Raum. Der Landkreis Rottweil übernimmt – so einstimmig beschlossen – die Projektträgerschaft. In den Jahren 2017, 2018 und 2019 (bis Juni) werden 25 Prozent der Personalkosten zur Verfügung gestellt. Die Sachkosten werden ebenfalls vom Landkreis getragen. Eine Fachkraft: Die Erschließung dieses Nachlasses soll eine Fachkraft, im Idealfall ein Kunsthistoriker mit Erfahrungen im Archivbereich, vornehmen. 25 Prozent der Personalkosten zahlt der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW), die restlichen 50 Prozent soll die Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg finanzieren. Der Stiftungsrat tage im Frühjahr 2017, die Geschäftsführerin der Stiftung, eine Ministerialrätin, habe laut Rüth das Projekt bereits als förderungswürdig bezeichnet. Konvolut, Teil 1: Konvolut ist nichts Unanständiges. Wie ein Ratsmitglied einen Ratskollegen beruhigt. Jenen interessiert es, was sich dahinter verbirgt. Konvolut, Teil 2: Dahinter verberge sich, so der Experte, ein Komplex von Materialien, durchaus heterogener (auch dies ist nichts Unanständiges) Natur: Akten, Manuskripte (14,75 Regalmeter), Fachliteratur (Publikationen von und über HAP Grieshaber, etwa 28 Meter) sowie Bild- und Tonmaterial (2,75 Meter). All dies soll erschlossen und der kunsthistorischen Forschung in vollem Umfange zugänglich gemacht werden. Apropos: Regalmeter sind durchaus wörtlich zu nehmen. Das Archivmaterial lagert in Regalen. Berlin: Neben den 45,5 Metern in Rottweil soll dabei auch der Auslesebestand im Archiv der Akademie der Künste in Berlin berücksichtigt werden (17,6 laufende Meter, die höchstwahrscheinlich ebenfalls in Regalen ruhen). Angestrebt wird die Erstellung eines Online-Inventars zum Rottweiler Bestand mit Querverweisen auf den Berliner Bestand. Nach Auffassung des Nachlassverwalters des Künstlers, eines Professors, sei Grieshabers schriftlicher Nachlass "willkürlich verstreut". Der Glanz: Das Nachlasskonvolut ist für die Kunstgeschichte des südwestdeutschen Raums von besonderer Bedeutung, fasst Bernhard Rüth zusammen, kurz: ein historischer Schatz. Archiv und Bibliothek der im Jahr 2003 verstorbenen Publizistin Margot Fürst. Die wiederum etwa drei Jahrzehnte lang als Agentin den Künstler HAP Grieshaber vertreten und über ihn Standardwerke verfasst und herausgegeben hat. Noch einmal OEW: Zum Zwecke der Kulturgutsicherung, informiert Rüth, seien die Unterlagen 2011 vom Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke angekauft und dem Landkreis Rottweil als Leihgabe überlassen worden. HAP Grieshaber: Helmut Andreas Paul Grieshaber zählt zu den bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts in Baden-Württemberg. Von 1951 bis 1953 wirkte der Maler und Holzschneider als Dozent und Schulleiter in der Bernsteinschule, der Kunstschule im ehemaligen Kloster Bernstein, von der Impulse zur Wiederbelebung der Kunstszene in der Nachkriegszeit ausgegangen sind. Nebenbei: In der Galerie Schloss Glatt erinnert der Landkreis in einer Dauerausstellung an eben diese.