Arzu Paj im von ihr initiierten neuen Taubenschlag im Volksbank-Gebäude. Die Friseurmeisterin sucht dringend Mitstreiter. Foto: Otto

Arzu Paj will Population tiergerecht eindämmen. Neuer Schlag unterm Volksbank-Dach. Mit Kommentar

Rottweil - Es sieht aus wie eine kleine Appartment-Anlage – nur eben für Vögel: Unter dem Dach des Volksbank-Gebäudes am Münsterplatz ist jetzt ein großer Taubenschlag eingerichtet worden. Nur so kann man das Problem eindämmen, ist Arzu Paj überzeugt.

Dem Engagement der Friseurmeisterin ist es zu verdanken, dass Bewegung in die Rottweiler Taubenproblematik kommt. Die "Plage" durch die Vögel verärgert – wie mehrfach berichtet – viele Hausbesitzer. Die Dächer in der Innenstadt sind bei den Tauben beliebte Nist- und Brutstätte, die damit verbundenen Verunreinigungen treiben manchen Bewohner zur Verzweiflung. Auch die Stadt zeigte sich in der Vergangenheit zwar bemüht – im Grunde aber recht hilflos.

Arzu Paj konnte dem Ganzen nicht länger zusehen und wurde selbst aktiv. Sie hat sich intensiv mit dem Thema Tauben beschäftigt und weiß: Die Tiere sind heimatverbunden, sie lassen sich nicht verscheuchen – die einzige Möglichkeit, ihre Population einzudämmen ist es, ihre Eier gegen Attrappen auszutauschen. "Der Mensch hat aus dem einstigen Wildvogel ein Haustier gemacht. Und jetzt muss es der Mensch eben auch wieder richten", sagt sie.

In den Taubenhäusern, die die Stadt vor geraumer Zeit zu diesem Zweck installiert hat, haben die Vögel allerdings nur zögerlich oder gar nicht gebrütet. Mit dem neuen Taubenschlag in der Oberen Hauptstraße, direkt im "Wohngebiet" der Tiere also, soll das anders werden. Arzu Paj stieß mit ihrem Plan beim Rottweiler Tierschutzverein auf offene Ohren. Und auch die Volksbank stieg mit ein und stellte ihren großen Dachboden zur Verfügung. "In anderen Städten wird das ja schon erfolgreich praktiziert", weiß Bereichsleiter Christian Bühl. Man hoffe nun, dass andere Hausbesitzer nachziehen, um die Taubenproblematik in den Griff zu bekommen.

"Tauben sind geschützt. Der Austausch der Eier ist die einzige Möglichkeit", sagt auch Renate Glatthaar, Leiterin der städtischen Ordnungsverwaltung, die sich sehr erfreut über die Aktion zeigt. Durch Arzu Pajs Hilfe sei es auch möglich geworden, die bestehenden Taubentürme wieder zu aktivieren. Den Taubenschlag im Feuerwehrgerätehaus betreut sie ebenfalls.

Tierschutzverein streckt 3000 Euro vor

Die Stadt werde die vom Tierschutzverein vorgestreckten 3000 Euro für den neuen Taubenschlag refinanzieren. Auch Günther Hermus vom Tierschutzverein betont, dass der Betrieb des neuen Schlags ohne Pajs Engagement gar nicht möglich wäre.

In der Tat: Die Friseurmeisterin ist trotz ihrer beruflichen Belastung mit viel Enthusiasmus dabei. "Ich will, dass es weniger Tauben in Rottweil gibt – im Sinne des Tierschutzes", betont sie. Weil das Wohl der Tiere für sie vor geht, hat sie auch schon kleine Küken aufgepäppelt. Diese befinden sich nun im verschlossenen Dachspitz über dem neuen Taubenschlag. Für den Dachausbau habe sie die ganze Familie zur Mitarbeit animiert, erzählt sie schmunzelnd. Mehrmals täglich sieht sie nun nach dem Rechten und legt Futter aus. Die neuen "Appartements" sind noch leer, doch man müsse Geduld haben. Tauben gewöhnen sich nur langsam an neue Situationen. Fühlen sie sich dann heimisch, bleiben sie. "Hier ist Platz für rund 300 Tauben", erklärt Arzu Paj. "Und wenn sie den Schlag nutzen, bleiben sie 80 Prozent der Zeit hier und machen draußen nicht mehr so viel Dreck. Hier drin kann man den Kot besser entsorgen."

Damit kommt auf die Tierfreundin allerdings noch mehr Arbeit zu. "Ich brauche dringend Hilfe", erklärt sie. Wer sich engagieren will, könne sich bei ihr melden. Freuen würde sie sich vor allem über Mitstreiter aus der Innenstadt, die ein Problem mit dem Taubendreck haben und etwas dagegen tun wollen. Sie selbst wohnt nicht im Zentrum und ist gar nicht betroffen. "Aber einer muss es ja machen."

Spätestens im Frühjahr wird man sehen, ob und in welcher Zahl sich Tauben im neuen Schlag eingenistet haben. Und ob es auf den Hausdächern und Simsen dann nicht mehr ganz so viel gurrt.

Weitere Informationen:

Arzu Paj freut sich über Mitstreiter und gibt Auskünfte zum Thema Tauben unter Telefon 0741/9 42 28 59.

Kommentar: Feind im Haus?

Von Corinne Otto

Wer sich als Bewohner der Rottweiler Innenstadt seit Jahr und Tag über die Tauben ärgert, die mit ihrem Kot Haus und Hof verdrecken, sich in jede Ecke einnisten und unermüdlich vor sich hin gurren, der wird als erste Reaktion mit dem Kopf schütteln: Den Feind auch noch ins Haus holen? Füttern? Ihm ein heimeliges Nest bereiten? Nein, danke! Sie sollen weg, die Tauben. Einfach weg! Dieser Reflex geplagter Bürger ist verständlich. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich die Tiere auch von Netzen und Nägeln nicht schrecken lassen. Sie bleiben. Sie vermehren sich. Und sie stehen unter Schutz. Deshalb ist Umdenken angesagt, auch wenn’s schwer fällt. Durch betreute Taubenschläge kann die Zahl der Tiere dezimiert werden. In anderen Städten funktioniert es bereits. Also: Besser den Feind drinnen unter Kontrolle, als haufenweise Dreck auf dem Dach.