Bürgerwehren formieren sich im Internet. Foto: Weißbrod

Kriminalität: Sorge um Hobbypolizisten im Südwesten. "Nicht mit Rockergruppen an einen Tisch setzen".

Rottweil/Tuttlingen - Sicherheit auf eigene Faust: Nach den Kölner Übergriffen häufen sich im Netz Rufe nach Selbstschutz und Bürgerwehren. Rockergruppen kündigen in Tuttlingen und Rottweil verstärkte Präsenz auf den Straßen an. Die Behörden sind besorgt.

Sie wollen Runden durch die Innenstädte drehen, selbst für Sicherheit auf den Straßen sorgen – aber wie genau? Nach den Übergriffen auf Frauen in Köln vernetzen sich mehr und mehr Bürger im Internet, um die Sicherheit in die eigene Hand zu nehmen. In Tuttlingen haben Rocker bereits Präsenz gezeigt. Behörden warnen vor Willkür und Selbstjustiz. Die Rockergruppe "Red Devils", eine Unterstützergruppe der Hells Angels, die in Tuttlingen und Rottweil aktiv werden will, ruderte gestern jedoch zurück.

Rocker patrouillieren

"Wir haben alle Landesdienste um verstärkte Aufklärung gebeten", sagt Sigurd Jäger, Leiter der Inspektion Organisierte Kriminalität im Landeskriminalamt. Die "Red Devils" zählten 75 Mitglieder im Land und seien bereits durch Gewaltstraftaten aufgefallen. "Es passt in die Strategie der Rockerclubs, sich als die Guten zu präsentieren."

Zumindest die Tuttlinger Kuttenträger belassen es offenbar nicht bei Ankündigungen im Netz. Am Dienstagabend seien zwei Rocker durch die Stadt patrouilliert und von der Polizei kontrolliert worden, berichtet der örtliche Polizeisprecher Thomas Kalmbach. "Und am Mittwochabend wurden 10 bis 12 Rocker am Zentralen Omnibusbahnhof gesehen."

Stellungnahme im Netz

Auf ihrer Facebook-Seite nahmen die "Red Devils" am Donnerstag Stellung zur Aussage von Innenminister Reinhold Gall. Er hatte gesagt, dass man "am allerletzten die Unterstützung dieser Gruppen" brauche. "Wir ziehen nicht auf den Straßen durch die Städte und übernehmen den Job derer die dafür bezahlt werden. Nein, wir haben lediglich signalisiert, dass bei einer unmittelbaren Gefährdung einer hilflosen Person, sich keiner von uns umdreht und das Opfer im Stich lässt", heißt es dazu von den Rockern.

"Wenn die ganz normal spazieren gehen, kann keiner was dagegen haben", sagt Polizeisprecher Kalmbach. "Wenn man sich zu Schutzgehabe aufdrängt, wird die Polizei einschreiten müssen." Der Polizei obliegt es, für Recht und Ordnung zu sorgen. Deshalb habe man sich nach dem Online-Aufruf in Tuttlingen und Rottweil mit den "Red Devils" zusammengesetzt. "Sie wurden auf die Rechtslage hingewiesen, was sein kann und was nicht", berichtet der Polizeisprecher. Zwar sei auch Tuttlingen kein straffreier Ort. "Aber solche Geschehnisse, wie sie in Köln vorgefallen sind, haben wir hier nicht."

Stadt warnt vor Willkür

Die Stadt Tuttlingen zeigt sich besorgt über den Aufruf und warnte vor Willkür und Selbstjustiz. "Eine Rockergruppe, die einem Milieu entstammt, das nicht durch besondere Frauenrechte auffällt, ist nicht die Gruppe, die man als Schutz hinzuziehen würde", kritisiert ein Sprecher der Stadt. "Ich glaube nicht, dass man sich mit Rockergruppen an einen Tisch setzen sollte, um über das staatliche Gewaltmonopol zu reden", sagt auch Andreas Schanz, Sprecher des Innenministeriums.

Neue Gruppen bilden sich

Entwicklungen in sozialen Medien will das Ministerium beobachten. Auf Facebook sind in den vergangenen Tagen einige Gruppen entstanden, die zur Selbsthilfe aufrufen – mittlerweile gibt es digitale Bürgerwehren von Freiburg bis Friedrichshafen. Die Gruppe "Stuttgart passt auf" ruft etwa auf, gemeinsam an Wochenenden oder Veranstaltungen durch "Präsenz und Gewaltlosigkeit" Straftätern klarzumachen, dass so etwas absolut nicht toleriert wird.

Die Organisatoren solcher Gruppen distanzieren sich häufig von Fremdenfeindlichkeit oder Gewalt – dennoch finden sich dort immer wieder Einträge, die eine rechte Gesinnung vermuten lassen. Im oberschwäbischen Biberach sorgte die Facebook-Gruppe "Biberach passt auf" in den vergangenen Tagen für rege Diskussionen. "Das bei uns im Ländle nicht so etwas wie in Stuttgart oder Köln passiert, haben wir beschlossen uns in Biberach zu mobilisieren, getreu nach dem Motto: Agieren, statt reagieren!!!", steht darin zu lesen. Bis gestern schlossen sich mehr als 1100 Menschen der Gruppe in der 32.000-Einwohner-Stadt an.

Der Facebook-Eintrag im Original:

Unglaublich dieser Herr Gall.... wir wollten keinesfall die oeffentliche Sicherheit und Ordnung übernehmen noch ist das...

Posted by Red Devils MC Rottweil on  Mittwoch, 13. Januar 2016