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Horst Lettenmayer, aufgewachsen in Rottweil, hat der Schauspielerei schon lange den Rücken gekehrt.

Rottweil - Schauspieler ist Horst Lettenmayer schon lang nicht mehr. Was ihm geblieben ist, ist ein Rekord: Der 75-Jährige hat die berühmtesten Augen Rottweils.

Wahrscheinlich gibt es kaum einen Krimifan in Deutschland, der Horst Lettenmayer noch nicht gesehen hat. Lettenwas? Nie gehört? Mag sein, aber der Mann flimmert fast jeden Sonntag über die Bildschirme. Blaue Augen, die gehetzt hin- und herblicken, und ein paar Beine, die davonrennen. Richtig, die Rede ist vom kultigen "Tatort"-Vorspann. Augen und Beine stammen von Horst Lettenmayer, inzwischen 75. Das allein wäre noch nicht spektakulär – wenn der Wahl-Dachauer nicht in Rottweil aufgewachsen wäre. Und wie sich das für einen Mann seines Alters gehört, trifft er sich ab und an mit seinen Schulkameraden, dem Jahrgang 1941. Dabei gab es erst kürzlich wieder viel zu erzählen.

Dass Horst Lettenmayer die Schauspielerei seit Jahrzehnten aufgegeben hat, ändert nichts daran, dass er ein Unterhaltungstalent ist. Jahrgänger Herbert Zürn bezeichnet ihn scherzhaft als einen Hansdampf in allen Gassen. Man könnte auch Tausendsassa sagen. Denn was Lettenmayer macht, das klappt. Geboren ist der Mann mit den "Tatort"-Augen in Biberach an der Riß. Als er neun Jahre alt war, zog seine Familie nach Rottweil. "Eine gute Stadt", sagt er. Sein ältester Bruder lebt noch im Elternhaus. Gleichwohl sei es zu still geworden in Rottweil, bemängelt Lettenmayer. Die Cafés, wo sie sich als Jugendliche herumgetrieben hätten, seien alle zu.

Apropos Jugend: Im Juni, anlässlich des 75er-Fests, haben die Jahrgänger um den Vorsitzenden Werner Grathwol eine Fahrt an den Tegernsee unternommen. Lettenmayer kam dazu, der Kontakt ist seither wieder enger.

Als Junge war er zusammen mit Zürn bei den Münstersängerknaben. "Ich hab nichts ausgelassen", meint Lettenmayer schelmisch. Die Sängerknaben seien die kleinen Superstars gewesen. "Wir waren beim Adenauer, wir waren zweimal in Rom." Herbert Zürn erzählt: Für den Auftritt zum 77. Geburtstag des Bundeskanzlers "hat jeder eine Tafel Schokolade gekriegt". Mit dem Stimmbruch war dann erst mal Schluss mit Singen, da gründeten die Jungs eben eine Pfadfindergruppe.

Nach der Schule, zunächst am Kriegsdamm, ab der fünften Klasse die damals neue Konrad-Witz-Schule, machte Lettenmayer eine Autoelektriker-Lehre beim Bosch-Dienst Huber und Stadelmann. "Dann hab ich gesagt: Ich muss hier raus." Er schrieb kurzerhand an die Bundeswehr, um früher eingezogen zu werden. So kam der Rottweiler Bursche nach Bayern. Während des Wehrdiensts, der sich wegen des Mauerbaus ausdehnte, machte er mittlere Reife und absolvierte sogenannte Vorsemester. Schließlich studierte er Elektrotechnik am Münchner Polytechnikum.

Als Siemens-Praktikant hatte er im Nationaltheater der bayrischen Hauptstadt zu tun. "An dem Abend hab ich meinem Stiefvater einen Brief geschrieben: ›Ich werde Schauspieler‹", erzählt der 75-Jährige. Schon damals wusste er, was er will: Er wurde an der renommierten Otto-Falckenberg-Schule aufgenommen. Die großen Schauspieler, die ihn dort laut Prospekt unterrichten sollten, habe er allerdings kaum gesehen, weil sie ständig irgendwo Engagements hatten. Nach einem Jahr wechselte er deshalb auf die Zerboni-Schule.

Sieben Jahre lang arbeitete Horst Lettenmayer als Schauspieler. "Da wartest du auf die große Karriere." Zumeist neben dem Telefon, sagt er. "Es ist furchtbar." Sein Geld habe er in der Zeit "als fliegender Hausmeister verdient." Allerdings war er auch als Synchronsprecher gefragt: So lieh er dem Ameisenoffizier in "Biene Maja" die Stimme. Und Horst Lettenmayer bekam in dieser Zeit die Rolle seines Lebens.

1970 wurde er vom Bayerischen Rundfunk zu Probeaufnahmen eingeladen. 400 Mark habe er bekommen und die Aussage: Wenn wir das nehmen, dann machen wir es noch mal richtig, mit Vertrag. "Ich bin gerannt, und habe gemimt", sagt Lettenmayer. Anschließend habe er nichts mehr gehört. "Und dann ist der ›Tatort‹ gelaufen."

Dass der Vorspann seit 46 Jahren so über die Bildschirme flimmert, hätte wohl niemand erwartet. Weitere Gage hat Lettenmayer nie dafür bekommen. Vor Jahren zog er deshalb vor Gericht, aber scheiterte. "Es geht nicht ums Geld, es geht um die Gerechtigkeit", erklärt er.

Dem Fernsehen hat er längst den Rücken gekehrt, aber er sei noch immer Schauspieler und Regisseur. "In der Firma." Nach den sieben Jahren kehrte Horst Lettenmayer nämlich an die Hochschule zurück und beendete sein Studium. 1979 gründete er dann ein Unternehmen für Beleuchtungstechnik. Und sorgt wieder für Aufsehen: So stammt die Beleuchtung des Théâtre du Capitole in Toulouse von ihm, und selbst auf Schloss Balmoral gibt es Lettenmayer-Leuchten. Und an der neuen Orgel in der Ruhe-Christi-Kirche. Er bleibt halt ein Hansdampf in allen Gassen.