Mit dünnem Pinsel wird der Leim in die Risse eingebracht (rechts unten). Retusche: Mit Aquarellfarben bessert Kerstin Stark die weißen Stellen aus (oben). Zum Abschluss wird die Skulptur vom Staub befreit (unten links). Fotos: Siegmeier Foto: Schwarzwälder-Bote

Kunst: Restauratoren konservieren Sammlung Dursch

Millimeter um Millimeter bewegt sich der Lichtpunkt über die Skulptur. Dem Blick der Restauratorin entgeht nichts.

Rottweil. Hier ein Riss, dort eine Fehlstelle. Ist sie sich nicht ganz sicher, testet sie mit einem kleinen Holzstäbchen den Zustand des knapp 500 Jahre alten Werkes. Im Herbst soll mit der Neugestaltung der Sammlung Dursch begonnen werden, informiert Museumsleiterin Martina Meyr. Und bis dahin gibt es noch einiges zu tun. Bevor die etwa 150 spätmittelalterlichen Bildwerke und Skulpturen eingelagert werden können, sind die Restauratoren des Württembergischen Landesmuseums in Stuttgart am Werk. Seit knapp drei Wochen prüfen sie die Kunstwerke, festigen Malschichten und Fassungen und retuschieren Beschädigungen.

Kerstin Stark hat sich heute eine ganz besondere Anna vorgenommen. Die Anna Selbdritt aus dem Ehinger Altar. Sie wurde um 1515 vom Ulmer Bildhauer Nikolaus Weckmann geschaffen. "Sie ist noch sehr gut erhalten", freut sich die Restauratorin, die gemeinsam mit zwei Kollegen in der Sammlung tätig ist. Aber dennoch gebe es einige Risse in der Fassung. "Die schließe ich mit Störleim. Denn es könnte sonst sein, dass die Fassung beim Einlagern oder einfach auch nur so abplatzt", erklärt die Expertin, während sie die Skulptur mit einer kleinen Lampe akribisch ableuchtet. "Im Streiflicht sieht man es besser", erklärt sie.

Im Wasserbad steht derweil der Störleim und wird erwärmt, damit er verarbeitet werden kann. Der Leim wird aus Schwimmblasen von Zuchtstören hergestellt. Er wird statt Knochenleim verwendet, da er nicht so steif ist. "Das ist ein altbewährtes Mittel". Mit einem kleinen Pinselchen bessert Stark die aufgebrochene Farbfassung aus und drückt sie leicht fest. "Diese Maßnahme ist ganz wichtig, um Substanzverlust zu vermeiden", erklärt sie. Riss um Riss wird bearbeitet. Mit ruhiger Hand und hoch konzentriert geht Stark ihrer Arbeit nach. Viel geredet wird nicht.

Lediglich die Objekte mit Malschicht oder Fassung werden von den Restauratoren bearbeitet. Das ist so in etwa die Hälfte der Sammlung. Der aktuelle Zustand jeder Skulptur und jedes Tafelbildes wird kartiert. Warum es diese Risse gibt, wissen die Restauratoren nicht. "Das Klima stimmt. Wir sind etwas ratlos", gibt Stark zu. Aber man müsse auch bedenken, dass die spätmittelalterlichen Objekte 500 Jahre alt sind und nicht immer in besten klimatischen Verhältnissen standen.

Für die konservatorischen Maßnahmen werden Materialien verwendet, die reversibel sind. In diesem Fall Störleim für die Risse und Aquarellfarbe für die Fehlstellen. Bevor die Farbe aufgetragen wird, schaut sich Kerstin Stark die Fehlstellen genau an, um den richtigen Ton mischen zu können. Stimmt die Farbe, werden die weißen Stellen sanft zugetupft. Und ganz zum Schluss werden alle Skulpturen vom Staub der vergangenen 25 Jahre befreit. "Das ist aber nur ganz wenig", freut sich Stark, die mit Staubsauger und Pinsel ans Werk geht. Man könnt’ meinen, dass die Anna dabei sogar ein wenig lächelt ...

Finanziert wird die konservatorische Betreuung über Landesmittel. "Nicht aus den Patenschaftsgeldern", wie Martina Meyr betont. Die Restauratoren arbeiten öffentlich und Interessierte können ihnen noch bis zum kommenden Freitag bei der Arbeit zuschauen. "Mal sehen wie weit wir bis dahin kommen. Vielleicht müssen wir ja noch ein paar Tage dranhängen", so Stark. Ab Oktober ist die Sammlung Dursch dann geschlossen, wird eingelagert und der Raum wird umgestaltet. Der Eröffnungstermin steht noch nicht fest.