Foto: Feuerwehr Foto: Schwarzwälder-Bote

Delegation derzeit in der Partnerstadt L’Aquila / Helfer erinnern sich an Katastrophe von 2009

Kreis Rottweil/L’Aquila. "Wir sind völlig schockiert", sagt Giacinta Lepre am Handy. Mit einer zehnköpfigen Delegation aus Rottweil sitzt sie gestern Morgen am Flughafen, um in die Rottweiler Partnerstadt L’Aquila in den italienischen Abruzzen zu fliegen – eigentlich, um mit den langjährigen Freunden dort die Perdonanza, das größte Fest der Stadt, zu feiern.

Und jetzt das: Die Nachricht vom schrecklichen Erdbeben in Italien in der Nacht auf Mittwoch weckt Erinnerungen an die Katastrophe in der 70 000-Einwohner-Stadt L’Aquila, als im April 2009 bei einem schweren Erdbeben 308 Menschen starben. Der nun völlig zerstörte Ort Amatrice liegt zudem nur 32 Kilometer Luftlinie von der Rottweiler Partnerstadt entfernt. Ersten Berichten zufolge werden Verletzte aus den betroffenen Orten in das Krankenhaus von L’Aquila geflogen, das bereits überbelegt sei.

"Wir haben erst überlegt, ob wir nun überhaupt fliegen sollen", erzählt Giacinta Lepre, deren Mann Raul zweiter Vorsitzender der Amici dell’ Aquila – der Freunde L’Aquilas in Rottweil – ist. Man entschied sich dann aber, doch zu gehen.

Ehepaar übernachtet direkt im Epizentrum

Derweil treffen auch Nachrichten vom Rottweiler Ehepaar Pius und Beate Löcher in der Heimat ein, die das Erdbeben direkt miterleben mussten. Sie sind derzeit zu Fuß von Rom zurück nach Rottweil unterwegs und haben in Norcia übernachtet – in unmittelbarer Nähe des Epizentrums. Das Paar hatte großes Glück: "Um halb vier wurden wir kräftig erschüttert, seitdem gab’s viele Nachbeben. Uns und der Umgebung geht’s gut", schreiben sie in einer Mail. Bei Tagesanbruch sei dann das ganze Ausmaß der Katastrophe sichtbar geworden. Die Orte Accumoli und Amatrice in der Nähe seien weitgehend zerstört.

Auch die Rottweiler Helfer von 2009 werden durch die aktuellen Nachrichten wieder eindringlich an die Erlebnisse in L’Aquila erinnert: Gemeinsam mit Vertretern der Stadt – allen voran Bürgermeister Werner Guhl als Organisator des Hilfskonvois – waren 2009 rund 25 Mitglieder von DRK, Feuerwehr und THW in die Partnerstadt gefahren (Bild oben). Bei dem Erdbeben der Stärke 6,3, das sich kurz nach halb vier morgens (zur genau gleichen Uhrzeit wie das aktuelle Beben) ereignet hatte, waren rund 15 000 Gebäude in L’Aquila beschädigt oder zerstört worden. Insgesamt etwa 67 000 Obdachlose mussten in Zeltstädten und in Hotels untergebracht werden. Die Ortschaft Onna, die zur Gemeinde L’Aquila gehört, wurde fast vollständig zerstört.

"Es ist brutal, dass es die Region erneut trifft. Ich habe heute morgen gleich auf der Karte geschaut, wie weit L’Aquila vom Epizentrum entfernt ist", so Rottweils ehemaliger Stadtbrandmeister Rainer Müller, der damals vor Ort war und den Einsatz genau dokumentiert hat.

Trotz der Nähe von rund 50 Kilometern Luftlinie blieb L’Aquila diesmal verschont. Gestern Nachmittag erreichen wir Rottweils Stadträtin Heide Friederichs, die sich bereits zum Zeitpunkt des Bebens in L’Aquila befunden hat: "Die Stadt ist nicht betroffen, aber das Beben war deutlich und stark zu spüren." L’Aquila biete den aktuell betroffenen Orten bereits Hilfe aus den eigenen Erfahrungen des Erdbebens von 2009 an. Unter anderem werde mit Unterkünften, Hubschraubertransporten ins Krankenhaus und Logistik geholfen. Bürgermeister Massimo Cialente sei noch in der Nacht nach Amatrice gefahren. Das italienische Fernsehen berichte ununterbrochen live, von rund 60 Todesopfern sei die Rede.

Sie selbst hat das Beben so erlebt: "Ein unheimliches Geräusch und eine nicht beschreibbare Bewegung des ganzen Raumes weckte mich. Von der Straße hörte ich Menschen sprechen, daraufhin bin ich ebenfalls ins Freie gegangen. An ein Weiterschlafen war nicht mehr zu denken, in allen Aquilanern ist die Wunde wieder aufgebrochen."