Was ist Rottweil, was macht Rottweil aus, wie lernen Besucher Rottweil kennen? Bei der Matinee am Sonntag gibt es die Antworten. Foto: Schnekenburger

31. Deutsch-Schweizer Autorentreffen bietet Raum für spannende Begegnungen und macht Lust auf Bücher.

Rottweil - Durchgängig gut besuchte Lesungen, spannende Begegnungen, reger Austausch und viel, viel Literatur: Am Wochenende war Rottweil wieder Gastgeber des Deutsch-Schweizer Autorentreffens.

Zwar hat sich die Reduktion auf acht Gastautoren, die nurmehr an vier Orten lesen, dazu die halbstündige Pause für die "Ortswechsel" haben sich bewährt, denn manches klingt nach, dennoch bleibt das Samstagsprogramm für die ganz Standfesten unter den Literaturfreunden eine Herausforderung. Wer sie annahm, wurde belohnt. Auf der Gästeliste fanden sich beim 31. Deutsch-Schweizer Autorentreffen ganz unterschiedliche Literaten.

Zwei "alte Bekannte" machten den Anfang. Franco Supino, Stadtschreiber 2001, las aus seinem Jugendroman "Wasserstadt". Ach was, er plauderte ihn vielmehr, launig, flott. Bei Verena Boos’ Debüt "Blutorangen" verbietet sich solches Vorgehen angesichts der Thematik. Wären alle Gäste aus dem Kutschenhaus mit in den Historischen Sitzungssaal im Alten Rathaus gezogen, sie hätten keinen Platz gefunden.

Der Berner Jürg Halter präsentierte eine Auswahl seiner Gedichte und gewährte den Blick in ein Kaleidoskop, das im Grundton eher düster scheint, aus dem, beispielsweise durch das Spiel mit Bedeutungszuordnung, groteske köstliche Verzerrungen nach sich zieht. Max Scharnigg verführte nicht zum Angeln, sondern entführte seine Hörer noch einmal nach Pildau, lieferte eine veritable Bauanleitung für die weit verbreitete und für die Bewohner einer Turmstadt nicht gering zu schätzende "Hofstange", einem hoffnungslos absurden, dazu höchst gefährlichen Angebergerät.

Ein Roman in Briefen mit Schluss, allerdings durchaus in annähernd beliebiger Reihenfolge zu lesen – geht das? Annette Pehnt macht es im Dominikanerforum vor. Ihre Lesung aus "Briefe an Charley" lieferte ein pointiert geschriebenes, dabei durchaus lebensnahes Reflexionsspiel. Maja Peter stellte in ihrer Lesung aus dem eher poetischen "Nochmal tanzen" die beiden Hauptfiguren aus Großeltern- und Enkelgeneration und die Begegnung der beiden Frauen vor.

Im Zimmertheater war der Abschluss – mit großen Namen. Ursula Krechel präsentierte sich nicht etwa als Lyrikerin, das tat sie am gestrigen Sonntag bei der Matinee. Aus ihrem dieses Jahr erschienen Essayband "Stark und leise" über Pionierinnen las sie das Kapitel über Christine de Pizan, die sich, im Spätmittelalter für eine Frau eigentlich kaum vorstellbar als Literatin und Denkerin etablieren konnte. Kurz nachdem Walter Stegmann den letzten Gast des Tages angekündigt hatte, die Besucher nicht etwa Werk und Leben von Adolf Muschg "ein-"., sondern die Besucher zu dem Schreiben und Wirken des zuzeiten als "Landesverräter" geschmähten Büchnerpreisträgers, der auch im kultur- und gesellschaftspolitischen Diskurs Position bezieht, ging ein Raunen durch die Reihen.

Zwar wussten manche, dass Muschg in den vergangenen Jahren Rottweil durchaus schätzen gelernt hat, wenn er sich über die Sache mit der Eidgenossenschaft informierte, die Ankündigung, dass der letzte Band seiner großen Romantrilogie, die er mit "Sutters Glück" im Jahre 2001 eröffnete, vor wenigen Tagen mit "Die japanische Handtasche" fortsetzte und, "so Gott will und wir gesund bleiben" in den nächsten Jahren mit einem Roman abschließen will, der in Rottweil beginnt, ist schon etwas fürs Ego des literarischen Publikums.

Wie es überhaupt mit dem Ego hier und in den Blöcken, Notizbüchern und Computern der Autoren aussieht, ob und wie Rottweil darin vorkommt – und sei es nur, weil wortreich erklärt wird, dass es eigentlich nicht vorkommt –, wie die Gäste die Stadt, ihre Menschen die literarische Begegnung wahrgenommen haben, was sie entdeckt haben, das präsentierten sie gestern zum Abschluss. Die literarische Matinee, die noch einmal gut 60 Besucher in den Festsaal des Alten Gymnasiums zog, und die von Kulturamtsleiter Marco Schaffert und Jane Frank, der Organisatorin des Autorentreffens auf Deutscher Seite, moderiert wurde, ist ein bisschen Rückschau, ein bisschen Ventil, ein bisschen Stachel und schließlich doch nicht selten ein nicht etwa pflichtschuldiges Kompliment, eine leise Liebeserklärung. Nachlesen wird man sie können, wenn die Matinee-texte in gedruckter Form vorliegen. Die von 2013 liegen im Buchhandel.

Franco Supino und Verena Boos im Kutschenhaus, Jürg Halter und Max Scharnigg im Historischen Sitzungssaal, Annette Pehnt und Maja Peter im Dominikanerforum und Ursula Krechel und Adolf Muschg im Zimmertheater (von links oben im Uhrzeigersinn) machen die 16. Rottweiler Begegnung zu einem Erlebnis.