Nachgefragt: Nach dem schlechten Abschneiden beim ADFC-Fahrradklima: OB Ralf Broß schildert seine Sicht

Rottweil. Rottweil mag bald über die höchste Besucherplattform in Deutschland verfügen – als Fahrradstadt weiß sie nicht richtig zu punkten: Beim ADFC-Fahrradklima landet sie nur auf Platz 322 in der Kategorie Städte bis 50 000 Einwohner. Wir fragten bei Oberbürgermeister Ralf Broß nach.

Wie bewerten Sie das Ergebnis der Stadt Rottweil?

Da ist sicher noch Luft nach oben. Man muss sich das Ergebnis aber genau anschauen: Relativ positiv beurteilt wurden wir in der Kategorie "Ziele sind zügig per Rad erreichbar", "kaum Fahrraddiebstahl" und "kaum Konflikte mit Fußgängern". Unsere Infrastruktur für Radfahrer ist insgesamt betrachtet so schlecht nicht und sie wurde auch in Rottweil in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich ausgebaut.

Kritisiert werden wir vor allem dafür, dass wir zu wenig Werbung fürs Radfahren machen. Untätig waren wir hier aber auch nicht, unterstützen die Initiative "Rad-Paradies" der Landkreise Rottweil und Schwarzwald-Baar über unserer Tourist-Information. Negativ wird auch beurteilt, dass wir keine öffentlichen Leihfahrräder bereitstellen. Wir haben aber bereits 2011 über die Touristinformation gemeinsam mit dem Landkreis Elektro-Fahrräder im Dominikanermuseum zur Leihe angeboten. Das Angebot wurde leider nicht wie erhofft angenommen und daher wieder eingestellt. Stattdessen weist die Tourist-Information jetzt auf Ausleihmöglichkeiten örtlicher Radgeschäfte hin.

Ein weiteres Manko ist laut Umfrage die schlechte Ampelschaltung für Radfahrer. Das kann man sich sicherlich im Einzelfall nochmals genauer anschauen. Wir haben in den vergangenen Jahren aber vor allem versucht, Ampelanlagen ganz abzubauen und Radfahrer im Verhältnis zu den Autofahrern aufzuwerten. Beispiele sind der Angebotsstreifen in der Stadtmitte, aufmarkierte Radstreifen auf den Straßen oder auch gesonderte Aufstellflächen für Radfahrer an Ampeln, etwa in der Oberndorfer Straße.

Sie haben im Wahlkampf Radmobilität zu Ihren Visionen für Rottweil gezählt – was verstehen Sie konkret darunter?

Ich habe in meinem Wahlprogramm Radmobilität als wichtiges Zukunftsthema benannt. Radfahren ist schnell und flexibel, entlastet die Straßen vom Autoverkehr und schont die Umwelt. Auf Kurzstrecken von bis zu fünf Kilometern ist das Fahrrad ein unschlagbares Verkehrsmittel.

Ich möchte in den kommenden Jahren gemeinsam mit dem Gemeinderat ausloten, wo in Zukunft Handlungsmöglichkeiten bestehen und setze mich für eine attraktive Radverkehrsinfrastruktur und eine angemessene Förderung des Radverkehrs ein. Vor allem dann, wenn Straßensanierungen anstehen, sollten wir immer auch die Belange der Radfahrer in die Planungen einfließen lassen. Jüngstes Beispiel ist die Bollershofstraße, wo wir eine gute und gleichzeitig finanziell vertretbare Lösung gefunden haben, indem wir einen Teil Radweg neu bauen und für einen Abschnitt einen vorhandenen Waldweg ertüchtigen.

Es müssen aber nicht immer Investitionen in den Radwegebau sein. Denkbar sind beispielsweise auch Maßnahmen wie der Ausbau von Fahrradstellplätzen, gerade auch angesichts der Tatsache, dass Rottweil zunehmend von Radtouristen besucht wird. Am Aquasol haben wir derzeit eine E-Bike-Ladestation als Pilotprojekt laufen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass wir das auch in der Innenstadt anbieten, um dem Boom bei den E-Bikes gerecht zu werden. Interessant wird es auch immer dann, wenn Fördermöglichkeiten des Landes gegeben sind. Dies können wir nutzen, um einerseits unsere touristische Infrastruktur auszubauen und gleichzeitig Radfahren auch für die Einheimischen attraktiver zu machen.

Der ADFC fordert Pro-Kopf-Investitionen von 30 Euro – was halten Sie davon? Greifen Sie diese Forderung auf?

Der ADFC schreibt, dass Fahrradmetropolen wie Amsterdam oder Kopenhagen eine Pro-Kopf-Summe von 30 Euro investieren. Mit solchen Städten ist Rottweil nicht vergleichbar.

Richtig ist aber die Forderung, auch die Länder und den Bund in die Pflicht zu nehmen, wenn es darum geht, die Infrastruktur für Radfahrer auszubauen. Allein werden die Kommunen angesichts enormer Aufwendungen für die Sanierung und den Unterhalt bestehender Infrastruktur – ich verweise hier nur auf die anstehenden Projekte im Bereich der Schulen und der Straßensanierung in Rottweil – den Ausbau der Radmobilität nämlich nicht stemmen können.   Die Fragen stellte Armin Schulz