Der noch amtierende Innenminister Reinhold Gall weist in Sachen Polizeireform den Weg. Die Basis sieht die Veränderungen kritisch. Foto: Weißbrod

Personalrat sieht Seminar von Präsident Ulrich Schwarz und eigenes Verhalten kritisch: zu viel Geld für kleine Gruppe.

Kreis Rottweil/Tuttlingen - Das Seminar des Tuttlinger Polizeipräsidenten Ulrich Schwarz und die Folgen: Der Personalrat gibt sich zerknirscht. Das Innenministerium äußert derweil auf Nachfrage, dass Kritik zu äußern bei der Polizei etwas völlig Normales sei.

Die Fortbildungsreise des Tuttlinger Polizeipräsidenten Ulrich Schwarz, die ihn vor Kurzem in eine Tagungsstätte an den Bodensee führte, hat auch den Personalrat der Polizei noch einmal beschäftigt.  

Bildungsreise Der frühere Personalratsvorsitzende Jürgen Vogler, der im Herbst vergangenen Jahres den Vorsitz nach einem Eklat mit Schwarz abgegeben hatte, jedoch Mitglied blieb, äußert sich im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten selbstkritisch. Man hätte konkreter hinschauen können, so Vogler.

Der Personalrat ist eingebunden, wenn es um die Bewilligung von Finanzmitteln für Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement geht. 30. 000 Euro stehen hierfür dem Präsidiumsbereich Tuttlingen zur Verfügung. 3500 Euro hat das Seminar "Gesundheitsorientiertes Führen auf Dienststellenebene" gekostet.

Relativ viel Geld für eine überschaubare Gruppe, zumal bei geschickterer Planung das Seminar in Schulungsräumen der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen hätte stattfinden können. Dann hätte man sich Übernachtungskosten sparen können. Sauer aufgestoßen sei Kollegen zudem, dass Schwarz am Seminar teilgenommen habe. Dabei gehe der Chef doch in ein paar Monaten in den Ruhestand.

Wie das Innenministerium bestätigt, fand das Seminar "Gesundheitsorientiertes Führen auf Dienststellenebene" vom 27. bis 29. April statt. Es wurde von zwei Dozenten des Instituts für Management und Personalgewinnung der Hochschule durchgeführt. Die Inhalte des Seminars befassten sich vorwiegend mit Themen aus den Bereichen Arbeits- und Gesundheitsschutz, Betriebliche Gesundheitsförderung, Behördenführung, Personalmanagement und interne Behördenkommunikation.

Behandelt wurden die Punkte Führungskultur und Gesundheit (Forschungsergebnisse); Achtsamkeit, Belastung und Beanspruchung, Belastungsfolgen, Grundlagen resilienter Führung; Dimensionen gesunder Führung, Selbstfürsorge der Führungskraft; Werte, Wertspannungen; Verhältnisprävention, Kriterien gesundheitsförderlicher Arbeitsgestaltung; polizeispezifische Belastungen und der Umgang mit belasteten Mitarbeitern.

Das Seminar stehe allen Führungskräften der oberen Ebenen offen und soll auch in Zukunft genutzt werden, so das Ministerium. Vogler ergänzt, dass nicht alle eingeladenen Teilnehmer der Einladung Folge geleistet hätten und somit Führungspersonal aus der zweiten und dritten Ebene dazugekommen sei. Einige Teilnehmer wiederum hätten sich geärgert, dass sie durch die Darstellung in der Öffentlichkeit schlecht weggekommen seien. Sie hätten das Seminar ernst genommen.  

Kritikkultur Apropos ernst nehmen: Auf Vorhaltungen der Basis, Kritik zu äußern sei von der Polizeispitze nicht erwünscht und würde Konsequenzen zur Folge haben, äußert das Ressort wörtlich auf Nachfrage: "In der Polizei ist Kritik und der Umgang mit ihr Teil des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Sie gehört zum normalen Alltag und wird nicht buchmäßig oder statistisch erfasst." Im letzten Teil bleibt die Antwort des Ministeriums vage. In unserer Anfrage wollten wir eigentlich wissen, wie viele Mitarbeiter aus dem Bereich des Polizeipräsidiums Tuttlingen in den vergangenen zwölf Monaten gegenüber wem Kritik geäußert habe, welche Themen besprochen und welche Konsequenzen daraus gezogen worden seien.

Wie kann Kritik geäußert werden? Die Antwort aus Stuttgart: "Das Polizeipräsidium Tuttlingen (PP TUT) hat im Rahmen eines strukturierten Qualitätsmanagements das jährliche Mitarbeitergespräch mit seinen Führungskräften beschlossen und verpflichtend eingeführt." Dieses biete den Mitarbeitern insbesondere auch "die Möglichkeit zum kritischen Dialog mit ihren Vorgesetzten". Darüber hinaus hätten die Beschäftigten im Rahmen des Vorschlagswesens die Möglichkeit, Anregungen, Kritik und Verbesserungsvorschläge einzubringen. Umgesetzte Vorschläge würden prämiert.

Im Juni werde das Präsidium Tuttlingen als eines der ersten Polizeipräsidien eine Mitarbeiterbefragung auf Grundlage landeseinheitlicher Standards durchführen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in den kontinuierlichen Verbesserungsprozess einfließen lassen.  

Gesundheitsmanagement Im vergangenen Jahr haben laut Ministerium 35 Mitarbeiter des Tuttlinger Präsidiums an zentralen und 39 Angehörige an internen, mehrtägigen Fortbildungen im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements teilgenommen. In diesem Jahr hätten bislang neun Angehörige an zentralen Angeboten teilgenommen (neben den Teilnehmern des vorne beschriebenen Seminars). Zum betrieblichen Gesundheitsmanagement gehörten bei allen Polizeipräsidien sogenannte Gesundheitstage, an denen ein ganztägiges Programm mit Bewegungsaktivitäten, ernährungswissenschaftlichen und psychosozialen Beratungen den Angehörigen der Präsidien angeboten werde.

Beim PP Tuttlingen wurde 2015 aufgrund der großen Fläche in jedem Landkreis ein Gesundheitstag angeboten. Am Standort Rottweil wurden aufgrund der Zahl der Beschäftigten die Gesundheitstage innerhalb einer ganzen Woche von Montag bis Freitag angeboten. Insgesamt seien es somit im Jahr 2015 neun Gesundheitstage im Bereich des Tuttlinger Präsidiums gewesen. Damit sei gewährleistet worden, dass jede und jeder Beschäftigte die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Gesundheitstag erhielt. Insgesamt hätten rund 600 Beschäftigte die Möglichkeit einer Teilnahme an einem Gesundheitstag genutzt.