Feierbiester: Die U19-Helden mit Pokal und Medaille (rechts: Joshua Kimmich) nach dem 1:0 im Finale gegen Portugal. Foto: Ferenc Isza Foto: Schwarzwälder-Bote

FußballEuropameister Joshua Kimmich / Mutter und Schwester: Freude riesengroß

Von Andreas Pfannes

Während sich die Feierlichkeiten mit den bärenstarken U19-Europameistern in Frankfurt gerade in der Verlängerung befinden und Vater Berthold Kimmich auf der Rückfahrt vom Finale in Budapest einen Zwischenstopp in München einlegt, geht das Leben in Bösingen im Elternhaus von Joshua Kimmich gelassen seinen nachmittäglichen Gang. Scheinbar.

Mutter Anja und Schwester Debora machen sich Gedanken über einen würdigen Empfang ihres Final-Helden in der Heimat. Eine Deutschland-Fahne hängt bereits am Haus. Beide freuen sich wahnsinnig mit Joshua. Haben auf das "kleine Public-Viewing" bei Freunden in der Nachbarschaft verzichtet. Haben im Wohnzimmer beim Endspiel mitgefiebert. Zusammen mit Joshuas Oma und Onkel. Besagter Stefan Schmid, als Trainer in der Raumschaft Sulz bekannt, lieferte die fachlichen Kommentare, die Damen die Emotionen. Daumendrücken für Joshua.

"Ich war sehr nervös", gesteht Anja Kimmich, "viel nervöser als beim WM-Finale vor knapp drei Wochen." Ist ja logisch, wenn der eigene Sohn mitspielt. Und auch noch souverän im Mittelfeld die Fäden zieht. Die elf Monate jüngere Schwester Debora gibt zu, dass sie nicht gerade zu den Taktik-Nerds gehört. "Ich wollte meinen Bruder spielen sehen." Selbstverständlich hat sie keine Furcht vor dem runden Leder, am Abend will sie sogar bei den Dorfmeisterschaften im Elfmeterschießen im "Sonne"-Team antreten.

Für die Mutter ist klar, dass das Spiel eigentlich 3:1 hätte ausgehen müssen. "Wir waren besser als Portugal." Als das Tor noch vor der Halbzeitpause gefallen ist, wurde es laut vor dem Fernseher. Die Freude riesengroß. Die Mutter strahlt. "Stolz ist schon da."

Das ganze Dorf, alle haben mitgefiebert, erzählt sie. Joshua habe viele Fans in der Heimat. Auch in Rottweil auf dem Wirtschaftsgymnasium war der U19-Nationalspieler ein Thema. "Immer wieder wurde ich auf Joshua angesprochen", berichtet Debora, die am Mittwoch ihr Zeugnis erhalten hat.

Joshua Kimmich habe sich nicht verändert. Ist weiterhin der sympathische Bösinger geblieben. "Wenn er mal daheim ist, trifft er sich mit seinen Kumpels von früher", sagte Vater Berthold, bevor er kurzfristig mit einem Freund nach Budapest aufbrach. Woher er sein Talent hat? "Joshua hat schon immer mit dem Ball gespielt," erzählt Anja Kimmich. "Und sein Opa Walter war ein sehr guter Fußballer."

Mutter und Schwester attestieren Joshua Talent, Disziplin und vor allem einen eisernen Willen. "Er ist verdammt ehrgeizig", sagt Debora. Dass er soweit gekommen ist (und vielleicht geht es sogar noch weiter), konnte sich die Schwester vorstellen. "Er konnte nie verlieren." "Er hat immer gekämpft", sagt die Mutter. Das sei bewundernswert. Sie weiß aber auch, dass er vor allem gesund bleiben müsse. Profi-Fußball sei ein schmaler Grat.

Und wenn es was zu feiern gibt, dann soll er es mitnehmen und feiern. Wie am gestrigen Freitag in Frankfurt mit der Mannschaft, mit dem ganzen Team. Und ab heute in Bösingen.

Joshua Kimmich muss doch nicht gleich zurück nach Leipzig, wie es noch vor dem Finale geheißen habe. Immerhin beginnt heute, 13 Uhr, die Zweitliga-Saison mit einem Heimspiel gegen den VfR Aalen. Er brauche erst am Dienstag zum Training kommen, habe Trainer Alexander Zorniger gesagt. Am 10. August steht das Auswärtsspiel bei 1860 München an. Mit den Kimmichs. Die Fahrt in die Allianz-Arena ist geplant.

Doch zuerst kommt er heim. Seit Joshua in Leipzig ist, werden die Treffen weniger. Stuttgart-Bösingen war ein Klacks dagegen. Wie sieht der Empfang aus? Mutter und Schwester bleiben gelassen. Und bewahren den Überblick. Wie Joshua auf dem grünen Rasen. Ein nettes Essen gibt es, sagt die Mutter. Und Oma Marianne macht La Ola, ahnt die Schwester.