Anekdoten, Bilder und Geschichten: Wer in den dicken Bänden im Stadtarchiv schmökert, kann sich kaum mehr losreißen. Foto: Otto

Blick auf Schlagzeilen früherer Narrentage verkürzt die Wartezeit. Fidel Castro lässt grüßen.

Rottweil - Narrentag in Rottweil – wer es nicht mehr erwarten kann, kann im Stadtarchiv nachlesen, wie’s denn früher so war. Beim Blick in die dicken Zeitungsbände von einst wird manche Anekdote lebendig. Man staunt, lacht und weiß: So ein Narrentag ist schon was ganz besonderes.

Beginnen wir mit einem Blick in den Zeitungsband vom Februar 1960: Bevor wir uns den närrischen Geschehnissen zuwenden, bleibt der Blick an einem Artikel über die sich wandelnde Rollenverteilung von Mann und Frau hängen, die dazu führt, dass es 1960 "auch in Rottweil mittlerweile Männer gibt, die sich öffentlich mit einer Kehrschaufel vor dem Haus zeigen".

Aha. Erstaunlich. Ähnlich Erstaunliches wird aus der Generalversammlung der Narrenzunft im Vorfeld des Narrentags berichtet. Die Vereinigung Schwäbische Alemannischer Narrenzünfte schickte über den Singener Oberbürgermeister an die Rottweiler "Rebellenzunft" als "Zeichen der Versöhnung" eine Einladung zum Narrentreffen in Singen.

Und das findet auch noch am gleichen Wochenende wie der Rottweiler Narrentag am 6. und 7. Februar statt. "Ein grotesker Vorgang", so heißt es in der Generalversammlung, in der die Einladung als Versuch gesehen wird, den Rottweiler Narrentag zu sprengen. Bekanntlich waren die Zünfte Rottweil, Elzach und Überlingen 1952 aus der Vereinigung ausgetreten.

Kurz vor dem Narrentag wendet sich dann Rottweils Narrenmeister Ede Villinger noch mit einer Sorge an die Öffentlichkeit: Es geht ihm darum, so ist zu lesen, dass alle Einwohner – nicht nur jene im Kleidle – den Narrentag zum großen Fest machen und nicht etwa "hinterm Ofen hocken bleiben". Eine Sorge, die heutzutage eher gering ist.

Das Großereignis wird dann – damals noch als Dreierbund mit Elzach und Überlingen – fröhlich gefeiert. "Ein Narrentag voll überschäumender Lebensfreude", lautet die Schlagzeile im "Schwarzwälder Volksfreund". 25.000 Zuschauer sehen den Zug der über 600 Narren. "Ein unverbesserlicher Griesgram müßte jener sein, der nicht von dem quirlenden, bunten Treiben in unserer Stadt angesteckt worden wäre." Wohl wahr.

Der Berichterstatter lässt dann auch abends in den Gaststätten "den Blick über den Maskenreigen schweifen" – und stellt fest: "Fidel Castro als Partisanenheld scheint sich steigender Beliebtheit zu erfreuen." Während sich die Kostümvorlieben wandeln, bleibt manches, was 1960 geschrieben wird, bis heute gültig: "Es soll Narren gegeben haben, die sich in der Freinacht überhaupt nicht zuhause blicken ließen." Jaja...

Greifen wir zum nächsten schweren Lederband des Stadtarchivs, in den eine freundliche Mitarbeiterin schon einen Zettel in die Zeitungsseite vom 5. Februar 1973 geklemmt hat. Mit Oberndorf waren es in diesem Jahr vier Zünfte, die 40.000 Zuschauer nach Rottweil zum Narrentag zogen.

Schon den Sternlauf am Samstagabend sahen 15.000 Narrenfreunde. In der anschließenden Freinacht wartete etwas Besonderes auf die Besucher: "In 14 Lokalen wird Musik geboten – nicht vom Tonband und nicht von der Platte, sondern von aktiven Musikern und Kapellen!" Schon bald war nirgends mehr ein Plätzchen zu ergattern. Die Stadionhalle musste wegen Überfüllung frühzeitig geschlossen werden. "Polizeibeamte wurden am Eingang postiert", wird berichtet. Die "Security"-Branche ist 1973 eben noch nicht am Start.

Der nächste Rottweiler Narrentag im Jahr 1987 beginnt mit heller Aufregung, wie die Schlagzeilen bezeugen: "Sie haben zugeschlagen – in der Nacht zum Samstag setzten Unbekannte an dem beim Kapellenhof bereitliegenden Narrenbaum die Säge an und zerlegten das Symbol für die Rottweiler Narrentage säuberlich in drei Teile. Was sollten die Zimmerleute der Überlinger Zunft nun aufstellen? Etwa einen Narrenbaum auf Raten?" Mancher kritisierte die Sorglosigkeit der Rottweiler Zunft, schließlich hätte man sich derlei denken können.

Die Sache ging gut aus, denn einer dachte tatsächlich mit: Nachdem der Narrenmeister darauf bestanden hatte, dass der Baum schon am Freitagabend im Kapellenhof bereitliegen müsse, ging der Chef des Staatlichen Forstamts auf Nummer sicher: Er ließ zwei Exemplare fällen und entrinden, eins blieb am sicheren Ort im Wald zurück und konnte noch rechtzeitig herbeigeschafft werden.

Und es gab noch ein Skandälchen: Am Sonntagabend des Narrentreffens 1987 wenden sich empörte Fernsehzuschauer per Telefon an die Redaktion des Schwarzwälder Boten: Sie hatten die im dritten Programm ausgestrahlte Sendung über das Narrentreffen über sich ergehen lassen. "Rottweil und die Fasnet wurden regelrecht verarscht!" – so einige aufgebrachte Kommentare. Die Sendung war eher Klamauk mit einer im Hofgerichtsstuhl sitzenden Afrikanerin, Informationen über die Fasnet gab’s dagegen wenige. Ein Ausrutscher, der den Fernsehschaffenden seither nicht mehr passierte – schließlich wissen sie, was sie an den prächtigen Bildern aus Rottweil haben.

Und noch ein Lederband liegt vor uns: am 18./19. Januar 2003 war der jüngste Narrentag in Rottweil. Viele dürften ihn noch in bester Erinnerung haben. Abermals säumten Zehntausende die Straßen und ließen sich von den Zünften des Viererbunds in ihren Bann ziehen. Und bis zum Narrentag 2017 ist’s nun wirklich auch nicht mehr lange hin. Dann wird ein neues Buch aufgeschlagen.