Rottweil, Wunderland: Ein Strand am renaturierten Neckarufer mit Blick auf die Stadt – das ist einer der Vorschläge im neuen Rahmenkonzept. Foto: Animation: Planstatt Senner

Gemeinderat hat Vision von Strand am renaturierten Neckarufer mit Blick auf die Stadt. Nur eine "Kleine Gartenschau" könnte es richten.

Rottweil - Ja, man könnte schon ins Träumen geraten bei der Präsentation des Konzepts zur "Grünentwicklung und Naherholung" im Rottweiler Gemeinderat: ein grünes Paradies rund um Rottweil samt herrlichem Neckarstrand erschien da auf Leinwand im Saal. Der Grüngürtel soll schöner werden – wieder einmal.

Rottweil und sein grüner Ring rund um die Kernstadt, was wurde da nicht schon alles geplant. Ungefähr alle zehn Jahre, so wissen es aufmerksame Beobachter, wird an einem neuen Konzept gefeilt. Wer in alten Zeitungen blättert, staunt: Sogar ein Wildpark mit unterirdischen Ladenzeilen war schon im Gespräch. Studenten hatten dies neben anderen Ideen 2004 präsentiert. Es ging – damals wie heute – darum, neue Ideen anzustoßen, Visionen aufzuzeigen. "Und mittendrin röhrt der Hirsch", hieß die Schlagzeile zu den Plänen.

Natürlich röhrte nichts. Die Realität heute zeigt, dass überhaupt recht wenig passiert ist: Rund um die Kernstadt wuchert das Grün konzeptlos vor sich hin und erstickt kleinere Ansätze aus früheren Jahren, Bachläufe, Mauern und Wege, unter sich. Die grünen Zonen der Stadt am Hochturm, im Stadtgraben, am Neckar entlang und im Nägelesgraben in Nachbarschaft zum Dominikanermuseum haben keine rechte Verbindung zueinander. Ein ziemlich zerfledderter Grüngürtel.

Deshalb nun also ein neuer Vorstoß: Ein "Rahmenkonzept" des Landschaftsarchitekturbüros Planstatt Senner soll "Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung des historischen Stadtgrabens" und eine Basis für Ausgleichsmaßnahmen – unter anderem für den Aufzugstestturm auf dem Berner Feld – sein. Beim Bau einer neuen JVA wäre auch mit jeder Menge Ausgleichsmaßnahmen zu rechnen, die dann im Rahmen des Konzepts umgesetzt werden könnten. Und: Das Konzept könnte auch Basis sein für eine Bewerbung um eine "Kleine Gartenschau", die von FDP-Stadtrat Michael Gerlich seit geraumer Zeit propagiert wird. Auch die Planer des Büros Senner räumten ein, dass ihre Ansätze wohl nur im Rahmen eines solchen Förderprogramms zu stemmen sind.

Und siehe da: Schon 2001 im Oberbürgermeisterwahlkampf war das Thema Gartenschau in Rottweil brandheiß. 2002 empfiehlt der gebürtige Rottweiler und damalige Oberbürgermeister von Ostfildern, Herbert Rösch, in einem Interview mit dem Schwarzwälder Boten seiner Heimatstadt die Ausrichtung einer Landesgartenschau als "gutes Instrument für die weitere Stadtentwicklung". Das Wichtigste, so Rösch, sei der "Mut, sich zu engagieren". Zu einer Bewerbung kam es nicht.

Landschaftsarchitekt Johann Senner machte nun im Gemeinderat mit seinem Konzept zumindest mal Appetit. Vielleicht lohnt sich ein bisschen mehr Engagement und Mut ja doch? Einen Schwerpunkt setzte er dabei im Bereich Naherholung im Stadtgraben und in den Neckarauen. Bilder von 1872 zeigten, wie der Bereich einst aussah: Offene Hänge mit Streuobstwiesen, Licht und Luft bestimmten das Bild. "Das ist jetzt alles Wald geworden", bilanzierte Senner. Mit der Beweidung der Hänge durch Ziegen (es gab schon mal einen Versuch) könnte wieder eine offeneres Bild erreicht werden, so der Planer. Am Neckar stellt er sich einen Strand am renaturierten Flussufer vor, mit freiem Blick auf die Stadtsilhouette. Schier unglaublich ist für den Landschaftsarchitekten, dass an einer der schönsten Stellen direkt am Neckar das alte Gaswerk für eine unansehnliche Optik sorgt.

Wichtig sei es, eine "ökologische Durchgängigkeit" innerhalb des Grüngürtels zu schaffen, die Fußwege aufzuwerten und alte Strukturen wie schöne Mauern und Felshänge wieder freizulegen. "Wo gehen Sie in Rottweil spazieren, wenn sie Besuch haben?", fragte Senner die Stadträte. Die Frage stimmte doch so manchen nachdenklich. Der Stadtgraben eignet sich einfach nicht so recht zum Präsentieren. Der Musikpavillon verströme "morbiden Charme", versuchte Senner nette Worte zu finden. Auch eine standortgerechte Pflanzung sei dringend vonnöten. "Ich habe das Gefühl, man weiß hier oft nicht, was man stehen lassen soll und was nicht", vermutete Senner und zeigte als Beispiel das Kastanienrondell in einer Vorher-Nachher-Variante.

"Spektakulär, visionär – und leider illusionär", so lautete das Fazit von FWV-Sprecher Walter Stegmann. Hubert Nowack (Grüne), stellte fest, dass dies ohne ein großes, gefördertes Projekt nicht zu stemmen sei. Allerdings, so Heide Friederichs (FFR), könne man ja auch "in kleinem Rahmen" etwas besser machen.

Michael Gerlich erinnerte erneut an seinen Antrag, sich für ein Grünprojekt zu bewerben, um zumindest auf lange Sicht etwas bewegen zu können. Denn: Bis 2025 sind schon alle Kleinen Gartenschauen vergeben. Der Aufruf für weitere Bewerbungen könne 2017 kommen. Dann aber, so mahnte Senner, müsse man ein fertiges Konzept in der Schublade haben, denn die Fristen seien kurz. Rund 2,5 Millionen Euro umfasse ein Förderprojekt, die Hälfte muss jedoch die Stadt tragen.

Zum Beschluss, sich zu bewerben, konnte sich der Gemeinderat angesichts der finanziellen Tragweite nicht spontan durchringen. Aber, so formulierte es Oberbürgermeister Ralf Broß, "die Stadt wird sich bemühen".

Übrigens: Das jetzt vorgestellte "Rahmenkonzept" hat die Stadt 21 190 Euro gekostet. Vielleicht lässt sich wenigstens die Ziegenherde zeitnah realisieren?

Am Rande: Eine Rutsche!

(cor). Aus dem Wildpark im Nägelesgraben wurde nichts, na gut. Dafür soll’s jetzt einen Neckarstrand geben, das ist doch auch super! Je mehr Ideen umso besser, schließlich erhöht sich dann rein rechnerisch die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann aus irgendeiner Idee auch mal was wird. Wobei mir einfällt: Es gab auch mal ein Tourismuskonzept, da war eine Rutsche vom Hochturm bis in den Stadtgraben vorgesehen. Wahnsinn. Das greifen wir einfach wieder auf: Per Rutsche gleich bis in die Neckarauen, das wär’ doch was – auch für die Lauf-Muffel. Mit der neusten ThyssenKrupp-Aufzugsinnovation »Multi« geht’s dann wieder hinauf – unterirdisch bis in die Fußgängerzone. Oder halt, noch besser: Eine Zipline zum Runtersausen vom Thyssen-Krupp-Turm bis zum Neckarstrand! Wie, den Strand gibt’s noch gar nicht? Na und! Aber Konzepte haben wir schon. Und zwar jede Menge...