Auf dem Parkplatz des Vinzenz-von-Paul-Hospitals überraschte ein Pfleger die Flüchtenden. Foto: Müller

Verhandlung vor Rottweiler Amtsgericht. Verfahren eingestellt. 23-jährige Tochter muss Geldbetrag spenden.

Kreis Rottweil - Weil sie sich durch Flucht der Einweisung in eine psychiatrische Klinik entzogen hat, musste sich jetzt die 23-jährige Tochter der ehemaligen Patientin wegen "Gefangenenbefreiung", vor dem Rottweiler Amtsgericht verantworten.

Der Anklage, ihre Mutter im Mai 2015 unerlaubt aus dem Vinzenz-von-Paul-Hospital entfernt zu haben, musste sich kürzlich eine 23-jährige Frau aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis vor dem Amtsgericht stellen.

Wenige Tage vor dem Vorfall wurde deren Mutter vom Schwarzwald-Baar-Klinikum, in dem sie aufgrund einer Gehirnblutung behandelt wurde, auf behördliche Anordnung von der Polizei in die psychiatrische Klinik nach Rottweil verlegt.

Pfleger bemerkt, dass Patientin Station verlässt

Die Angeklagte sowie ihre Mutter behaupten jetzt vor Gericht, die Gründe dafür nie erfahren zu haben. Da sich die Mutter der Angeklagten für geistig gesund hielt und sich zu unrecht in der Klinik festgehalten fühlte, bat sie ihre Tochter, sie nach einem Besuch mitzunehmen.

Die Angeklagte schilderte, dass sie nach einem Besuch emotional mitgenommen war und sich auf dem Flur eine Weile sammelte, bevor sie zurück nach Hause fahren wollte. Als sie die Station verließ, stand laut ihren Angaben plötzlich ihre Mutter geschminkt neben ihr, die ihre Tochter inständig bat, sie mitzunehmen. "Wenn eine Mutter ihr Kind anfleht, dann muss ich ihr doch helfen!", rechtfertigte die Angeklagte ihre Tat, die sie keineswegs abstritt.

Mutter und Tochter stehen sich sehr nahe, haben zusammen viele Schicksalsschläge bewältigt. "In dem Moment habe ich nicht nachgedacht, ich hatte einfach Angst meine Mutter zu verlieren", erklärt die 23-Jährige. Sie bereue die Tat, sie habe die unerlaubte Befreiung nicht geplant, sondern unüberlegt gehandelt und ihrer Mutter helfen wollen.

Ein Pfleger bemerkte, dass die Patientin die Station verließ und machte sich auf die Suche nach ihr. Der Zeuge schilderte, dass er das Mutter-Tochter-Gespann auf dem Parkplatz erwischte und sich vor das wegfahrende Auto stellte. Die Angeklagte setzte ihren Wagen zurück und wich dem Pfleger aus.

Am Tag darauf wurde die Patientin wieder zurück in die Klinik gebracht und in der folgenden Woche nach Anregung ihres Anwalts entlassen, da laut ärztlichem Gutachten keine Selbst- und Fremdgefährdung mehr durch die Patientin bestand.

Die Richterin verlas die Begründung für die behördliche Einweisung, in der von ärtzlicher Seite der Verdacht auf organisch bedingte wahnhafte Vorstellungen geäußert wurde.

Keine polizeilichen Beweise

Sowohl die Angeklagte, als auch die Mutter gaben an, vor der Verhandlung nie die Begründung gehört zu haben.

In der Begründung wurde Bezug darauf genommen, dass die Patientin vor der Einweisung in die Psychiatrie aus dem Schwarzwald-Baar-Klinikum ausgebüxt sei und mit einem Auto Schaden angerichtet habe. Somit liege eine Gefährdung für sie und andere vor. Die damalige Patientin stritt den Vorfall ab, auch lagen dem Gericht dazu keine polizeilichen Angaben und Beweise vor.

Aufgrund der nicht ganz klaren Einweisungsgründe in die Klinik sowie der glaubhaft dargestellten Notlage der Angeklagten, die "in einer "Kurzschlussreaktion aus Liebe zu ihrer Mutter" handelte und der damit verbundenen Einsicht der Angeklagten, wurde das Verfahren eingestellt.

Der 23-Jährigen wurde aber auferlegt, einen Geldbetrag an den Tierschutzverein Rottweil zu spenden.