Beratungsstellen schlagen Alarm: Anzahl der Hebammen sinkt stetig. Versorgung von Schwangeren nicht mehr gesichert.

Rottweil - Pünktlich zum Jahreswechsel erhöhen sich die Versicherungsbeiträge für Hebammen. Die Caritas Region Schwarzwald-Alb-Donau schlägt Alarm: Die Versorgung von Schwangeren sei nicht länger gewährleistet. Schwarzmalerei oder bitterer Ernst?

Pünktlich zum Jahreswechsel stehen die Jüngsten der Jüngsten oft im Fokus der Öffentlichkeit. In der Helios-Klinik freut man sich beispielsweise über drei Silvester- und ein Neujahrskind. Nico, Louis, Lucas und Lina werden für kurze Zeit zu Stars. Geboren am letzten oder ersten Tag des Jahres – das ist schon etwas Besonderes. Doch darf man einer Pressemitteilung der Caritas Glauben schenken, könnten diese freudigen Ereignisse langfristig große Probleme mit sich bringen. Vor allem für freiberufliche Hebammen: Immer mehr Selbstständige scheitern an den steigenden Versicherungsbeiträgen. Ein Umstand, der sich auch in Beratungsstellen bemerkbar macht.

Laut Caritas ist es für Frauen im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft schier unmöglich, einen Platz in einem Geburtsvorbereitungskurs zu finden. Viele Hebammen sind überlastet und müssen Anfragen ablehnen. Jede siebte Frau in Baden-Württemberg werde nicht mehr von einer Hebamme versorgt, wenn sie drei Tage nach der Geburt aus dem Krankenhaus entlassen wird. Probleme, mit denen Schwangere immer öfter zu den Beratungsstellen kommen.

Brigitte Wesch, freiberufliche Hebamme in Rottweil, relativiert die von der Caritas genannten Komplikationen wie Gelbsucht oder nachgeburtliche Blutungen. Das alles habe es früher schon gegeben. »Durch die frühe Entlassung fallen diese Dinge lediglich vermehrt auf«, meint Wesch und fügt hinzu: »Nichtsdestotrotz ist die Situation problematisch.« Die hohen Versicherungsbeiträge und die knappen Zeitvorgaben für Behandlungen erschweren die Situation. Würde man für die Frauen mehr Zeit haben, wäre die Situation eine ganz andere. Doch heutzutage sollen Hebammen möglichst viele Schwangere in möglichst kurzer Zeit behandeln – sonst können sie die Versicherungsbeiträge nicht bezahlen.

Versicherung steigt von knapp 30 auf 7000 Euro

Eben diese sind auch in diesem Jahr wieder gestiegen. Musste eine Hebamme im Juli noch knapp 6300 Euro aufbringen, stieg der Betrag im Januar auf etwa 7000 Euro. »2017 rechnen wir sogar mit etwa 8000 Euro«, erklärt Jutta Eichenauer, Vorsitzende des Hebammenverbands Baden-Württemberg. Zum Vergleich: 1981 zahlten die Hebammen jährlich 30,68 Euro. »Dass man also die ersten 7000 Euro theoretisch nur für die Versicherung erwirtschaftet, ist ein Skandal«, meint Eichenauer.

Dass diese Probleme nicht nur auf dem Papier existieren, zeigt Weschs Lebenslauf. Die freiberufliche Hebamme legte 1987 ihr Examen in der Universitätsfrauenklinik Freiburg ab. »Damals galt das noch als sicherer Beruf«, sagt sie. Vor allem das selbstständige Arbeiten und die vielen Möglichkeiten hätten sie damals gereizt. »Ich wollte mein Leben nicht nur im Kreißsaal verbringen«, erzählt sie. Dass sie allerdings eines Tages gar keine Kinder mehr auf die Welt bringt – damit hatte sie nicht gerechnet. »Ich leiste mittlerweile keine Geburtshilfe mehr«, stellt sie klar. Das liege nicht etwa an fehlender Kompetenz, sondern sei eine Frage der Existenzsicherung.

Niedrigeres Risiko hilft bei Existenzsicherung

»Ich werde dadurch in eine niedrigere Risikogruppe eingestuft«, erklärt Wesch. Daher stehe sie finanziell besser da, wenn sie sich auf andere Angebote wie etwa Wochenbettbetreuung beschränkt. Das Paradoxe: Fragt man die Hebamme nach ihren schönsten Momenten, sind es eben jene, in denen sie Babys auf die Welt helfen konnte.

Wagt man eine Prognose, so zeigt sich: Solange die Beträge immer weiter steigen, sieht die Zukunft für werdende Eltern und ihre Kinder alles andere als rosig aus. Wie Wesch könnten sich viele in Zukunft gegen die Geburtshilfe entscheiden. Die Frage, wer die Mütter der Nicos und Linas dann betreut, bleibt offen.