Foto: Zimmertheater

Zimmertheater Rottweil zeigt "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" Gelungene Aufführung kann sich Länge leisten.

Rottweil - Es ist ein monströses Stück, das seit Freitag auf dem Spielzettel des Zimmertheaters steht. Dabei ist es eigentlich ein Kammerspiel, ein böses, ein tolles, ein ernüchterndes: "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?"

Es braucht nicht viel an Ausstattung für dieses Versuchslabor der Befindlichkeiten und Abgründe, der Spiele mit der Psyche der anderen, der Ritualisierung von Erniedrigung und Qual, die Erotik von Sex und Boshaftigkeit. Ein bisschen ganz normales Leben, unterm Mikroskop verdichtet, also? Wichtig sind Alkoholika. Ein beachtliches Spirituosen-Arsenal wird während dieses Experiments verbraucht werden müssen. Es ist ein gewaltsames Stück, das in den drei Akten "Gesellschaftsspiele", "Walpurgisnacht" und "Exorzismus" viel über vier Personen in zwei Beziehungen erzählt, von denen zwei gewissermaßen unter dem Mikroskop der beiden anderen agieren, von denen jeder noch einmal ein bisschen an den Spielregeln drehen darf.

Intendant Peter Staatsmann hat Edward Albees Stück fürs Zimmertheater inszeniert. Die Fassung geht pfleglich mit dem Text um, der ein bisschen auf die Höhe unserer Zeit gehoben wird, was durchaus guttut, denn die Relevanz des Laborexperiments wirkt unmittelbar. Das bedeutet aber auch: Es ist ein für hiesige Verhältnisse relativ langes Stück: Der erste Akt nimmt allein schon rund 70 Minuten in Anspruch, nach der Pause räumt Staatsmann dem zweiten Akt ein Stündchen ein, der dritte kommt mit der Hälfte aus. Es ist ein gewisses Missverhältnis, das allerdings auch das Stück so vorsieht. Der "Exorzismus" gerät vergleichsweise kurz, das Ende der Party ist unprätentiös, der Laborversuch oder das Spiel, je nach Blickwinkel, abgeschlossen. Vorn mehr straffen? Empfiehlt sich nicht. Weil die Figuren erst sorgfältig ausgearbeitet sein wollen. Die Entäußerung auf der Bühne, ob in Reflexion oder Konfrontation, braucht Zeit.

Und die Rottweiler Produktion kann sie sich nehmen, nicht zuletzt dank der Besetzung: Martin Olbertz gibt einen George, der das Spiel am besten im Griff hat – und die Flecken auf seiner Psyche doch nicht vollständig hinter dem Sarkasmus des Wissenden und Duldenden, des Spielleiters, verbergen kann. Petra Weimer braucht als lebhaftere Ehefrau Martha eine andere Präsenz. Ihre Martha lebt die Extreme im vorgeführten Glück, im Spott – und im Leid auf der Bühne aus. Bleibt das jüngere Paar, das Experiment im Experiment, unbedarfter vor allem Honey, die manchmal einfach nur als sie dazusein hat: Pia-Micaela Barucki gibt auch dieser Figur Ausdruck, schafft es, das Versuchsobjekt im Fokus zu halten. Ihr Partner Nick ist als junger Dozenten-Kollege das Gegenstück zu George: eher Schlag als zweiter Gedanke, vor Vitalität strotzend und stolz darauf – und ungeahnt verletzlich. Mit Robert Baranowski sehr gut besetzt.

Weitere Informationen: Die nächsten Aufführungen sind am Freitag/Samstag, 6./7. März, ab 20 Uhr. Kartenvorbestellung unter Telefon 0741/89 90 oder über www.zimmertheater-rottweil.de