Er ist gerade mal 13 Jahre alt und verzaubert mit seinen Gitarrenkünsten und der Band "Silent Fox" das Publikum: Severin Sailer aus Rottweil. Foto: von Stamm

Severin Sailer steht mit der Band "Silent Fox" auf der Bühne. Das Üben ist nicht so seine Sache - er spielt einfach.

Rottweil - Seine Frisur erinnert an die frühen 60er-Jahre, als der Rock ’n’ Roll die Welt eroberte. Dazu eine Fliege, weißes Hemd und Hosenträger. So steht Severin Sailer mit seiner Gitarre auf der Bühne der Rottweiler Markthalle. Er wirkt hoch konzentriert. Nur ab und zu, wenn die Zuhörer nach einem der vielen Soli von ihm vor lauter Begeisterung lautstark klatschen huscht ein leises Lächeln über sein Gesicht. Fast hat man den Eindruck, dass es ihm ein bisschen peinlich ist, dass seine Gitarrenkünste, die er an diesem Abend mit der Band "Silent Fox" zum Besten gibt, derart bejubelt werden.

Die Songs haben es in sich. Gitarrenlastige Rockklassiker eben. Die Band rockt, hat das Publikum vom ersten Song an auf seiner Seite – und Severin Sailer steuert den Großteil der Gitarrensoli bei. Auf den Takt genau kommt jedes Riff. Er hat ein außerordentliches Rhythmusgefühl, welches er bei einem Song an diesem Abend auch am Schlagzeug unter Beweis stellt. Und dann sind es seine Soli, die er auf der E-Gitarre oder einer akustischen Gitarre perfekt und voller Musikalität raushaut – mühelos und ohne Anstrengung, wie es scheint. Und ohne jegliche Show. Er spielt einfach. Die Zuhörer sind begeistert, und so manch einer vergisst es, ob dieser grandiosen Vorstellung sein Bier weiterzutrinken.

Die Bandmitglieder von "Silent Fox" sind jung. Und unter diesen jungen Musikern ist Severin Sailer der Benjamin: Er ist gerade mal 13 Jahre alt.

Was ihm beim Konzert nicht anzumerken ist, ist das Lampenfieber. Das kann für Severin manchmal ziemlich heftig werden. Und auch, dass er hinter dem Scheinwerferlicht – er spricht von "Vorhang" – sein Publikum nicht gesehen hat, bekam jenes nicht mit. Und es würde erst recht nicht denken, dass der junge Gitarrist, wenn man es ganz streng sehen möchte, ziemlich faul ist. Denn: "Ich übe gar nicht. Ich spiele nur", sagt er. Wenn er Zeit hat, wenn ihm langweilig ist, greift er zur Gitarre – und spielt.

"Mit 20 studiere ich Musik. Und Englisch"

Dabei hat Severin durchaus noch andere Engagements. Nach wie vor nimmt er Klavierunterricht, geht Turnen und Bogenschießen. Und natürlich Skaten. Das ist eine echte Leidenschaft. Doch die Wahl der fortführenden Schule allerdings zeigt, wo das Hauptinteresse liegt. Wegen des Musikprofils hat sich Severin Sailer für das Rottweiler Droste-Hülshoff-Gymnasium entschieden. Die Antwort auf die Frage, was er mit 16 machen werde, kommt wie aus der Pistole geschossen: "Musik, auf jeden Fall." und mit 20? "Da studiere ich Musik. Und Englisch." Lehrer ist der Berufswunsch, Lehrer mit einem ganz großen Standbein in der Musik. Denn die hat es ihm angetan.

Mutter Jenny Sailer hat früh bemerkt, dass da einiges auf die Familie zukommen wird. Als sie Severin als Säugling in der Babyschale im Auto festschnallte, habe er sich die ganze Zeit im Rhythmus der Musik bewegt. Die Erzieherinnen im Kindergarten hatten die Eltern dann darauf angesprochen, dass der Kleine eine Begabung hat, die man auf jeden Fall fördern müsse – mehr als sie es könnten. Also gab es musikalische Früherziehung, mit sechs Jahren Schlagzeugunterricht, bis der Lehrer auswanderte. Also begleitete er Vater Harald, der seine Gitarrenkenntnisse aufmöbeln wollte, zum Unterricht zu dem Rottweiler Gitarrenlehrer Jochen Braun – und begann, selbst in die Saiten zu greifen. Sehr zum Vergnügen des Vaters, der plötzlich einen Konzertpartner im eigenen Haus wusste. Ziemlich schnell konnte das Duo miteinander spielen, und ziemlich schnell sah sich Senior in der Rolle des Rhythmusgitarristen gedrängt: Der Junior hat ihn überholt.

Und der erste Auftritt war gewissermaßen vor Fachpublikum. Beim Dozentenkonzert eines "Rock & Blues Workout Weekend" vor Jahren spielte er "Hey Joe". Damals war er zehn Jahre alt. Rock und Blues liegen ihm besonders. Die ganz harten Sachen mag er nicht, bei Rage against the Machine ist Schluss. Dafür hat er den Singer-/Songwriter-Sound für sich entdeckt.

Übrigens: Ans Schlagzeug setzt sich Severin auch immer mal wieder. Dafür greift Drummer Basti Gölz auch mal in die Saiten, wie bei dem Konzert in der Rottweiler Markthalle.

Jochen Braun, der die Jungs an den Saiteninstrumenten unterrichtet, hält mit seiner Begeisterung nicht hinterm Berg: Ein "Mords-Talenthaufen" sei die Band. Wobei Talent, das weiß der Musiker nur zu gut, eine Seite der Medaille ist. Sängerin Maxi Schanz, die von Renate Braun unterrichtet wird, Johannes Ehlen am Bass, und Gitarrist Jeremia Schneider vervollständigen das Quinttet, in dem Severin mit etwas Abstand der Jüngste ist. Dennoch spielen alle auf Augenhöhe. Jeder hat Solistenqualitäten. Und nicht nur das: "Da hat sich ein unglaublich tolles Team zusammengefunden", sagt Braun.

Das erste eigene Stück gibt es auch schon

Jeder setze sich für jeden ein. Das kommt zum Talent hinzu. Und für die Disziplin sorgt Braun selbst. Seit zwei Jahren coacht er das Team: "Das mit der Band funktioniert nur durch das Engagement von Jochen; er taktet die Proben, besorgt die Gigs, fordert ein", sagt Harald Sailer. Seit sie im vorigen Jahr einen Bandcontest des Kinder- und Jugendreferats gewonnen haben, spielen sie regelmäßig bis zu zwei Auftritte pro Monat. Und was wird gespielt? Das steuert zu zwei Dritteln die Band, zu einem Drittel Jochen Braun bei. Und dabei steht ihnen gewissermaßen alles von A wie Aerosmith bis Z wie Zappa offen, denn "die können zum Teil Sachen spielen wie ein Profi", sagt er. Ein erstes eigenes Stück haben sie auch schon, im neuen Jahr will Braun diesen Aspekt ausbauen.