Ortstermin in Horgen (von links): Siegfried Haar, Helmut Hetzel, Christine Muscheler-Frohne, Martin Osieja, Hans Rieder, Helmut Kreiter und Edgar Grießer sprechen über den "Kahlschlag im Eschachtal". Fotos: Parage Foto: Schwarzwälder-Bote

Aufreger: Nach "Kahlschlag im Eschachtal" treffen Naturschützer und Behördenvertreter aufeinander und suchen nach Lösungen

Die Straßenmeisterei Rottweil betreut 320 Straßenkilometer. Entlang der Strecken stehen viele Bäume, die gepflegt und manchmal auch gefällt werden müssen. Eine der jüngsten Fällaktionen im Eschachtal stößt auf viel Widerstand.

Kreis Rottweil. Gleich zu Beginn trägt Helmut Hetzel sein größtes Anliegen vor: "Erhalten vor neu pflanzen." Der Zimmerner war derjenige, der den "Kahlschlag im Eschachtal" publik gemacht hatte. Wenn er von dem Kahlschlag redet, dann meint er die Bäume, die die Straßenmeisterei kürzlich an der Kreisstraße zwischen Horgen und Flözlingen gefällt hat. Der Verkehrssicherheit wegen. Von bis zu 32 Linden, Eschen, Ahorn- und Obstbäumen ist die Rede (wir berichteten).

Als Hetzel dies entdeckte, war er erschüttert. "Wer hat dieses Verbrechen an der Natur angeordnet und genehmigt?" fragt sich der Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe Rottweil. Er war nicht der einzige, der sich empört.

Gemeinsam mit Christine Muscheler-Frohne und Siegfried Haar, sie setzen sich ebenfalls für den Naturschutz ein, bemühte er sich um ein Treffen mit den Behörden. Gestern Nachmittag treffen die drei und weitere Unterstützer in Horgen auf Martin Osieja, den Chef des Straßenbauamts, Ewald Ulmschneider, Leiter der Straßenmeisterei, und Edgar Griesser, verantwortlich im Naturschutzamt. Helmut Hetzel betont, wie wichtig es sei, alte, große Bäume zu erhalten. Als die Straße vor 20 Jahren neu gemacht worden war, setzten sich die Naturschützer bereits für die Bäume am Wegesrand ein. Und sie pflegten die frisch gepflanzten über Jahre hinweg.

Auch manche von diesen sind verschwunden. "Hat man denn überhaupt nichts davon gelernt?", will Muscheler-Frohne angesichts dessen wissen. Und Siegfried Haar bringt den Begriff Nachhaltigkeit ins Spiel: "Allein, was diese herrlichen Laubbäume an CO2 geschluckt haben, ist nicht auszugleichen."

Seine beiden Forderungen an die Behörden formuliert Helmut Hetzel dann wie folgt: Zum einen müssten Bäume unbedingt geschützt werden, zum andern – sollte es zu Neupflanzungen kommen – müssten diese auch gepflegt werden. Martin Osieja und seine Kollegen müssen sich die geballte Empörung erst einmal anhören. Aus der Ruhe bringt diese den neuen Leiter des Straßenbauamts nicht. "Ich kann Ihre Position absolut nachvollziehen", erklärt er. Gleichzeitig betont er erneut, dass es keinen Raum für Willkür gebe. Er und seine Kollegen hätten eben einen anderen Ansatz: "Sind die Bäume standsicher oder nicht?" Dies entscheide bisher die zuständige Straßenmeister, und im Zweifel komme der Baum eben weg.

Trio trifft Entscheidung

Wer das letzte Wort hat, das wollen die Naturschützer gerne genauer wissen. "Ist er fachkundig, das zu entscheiden?", fragt Helmut Kreiter. Offenbar war es ein Trio: der stellvertretende Chef der Straßenmeisterei, der Kolonnenführer und ein Mitarbeiter, der 25 Jahre Erfahrung im Forst mitbringe. Hubert Nowack, Grünen-Kreisrat aus Rottweil, merkt an, es gebe in der Stadt einen Mitarbeiter mit spezieller Weiterbildung, um die Bäume zu beurteilen. Zudem plädiert er für eine Inventarisierung der Pflanzen am Straßenrand.

Edgar Griesser fügt hinzu, selbst wenn man für jeden Baum einen Gutachter kommen lasse, habe man keine 100-prozentige Sicherheit, dass der Baum tatsächlich standsicher ist oder eben gefällt werden muss. Zudem habe ein Großteil der gefällten Bäume sichtbar Schäden.

Dies wiederum veranlasst Muscheler-Frohne zu der Frage, ob den in den vergangenen 40 Jahren einmal etwas passiert sei, weil ein Baum umfiel. Griesser: "Gott sei Dank nicht."

Für Osieja steht gestern die Frage "Wie kann das in Zukunft anders gemacht werden?" im Mittelpunkt. Anregungen haben die Naturschützer viele. Josef Burry von der Umweltschutzgruppe Villingendorf etwa schlägt vor, auch Hecken nicht mehr so radikal zurückzuschneiden wie bisher. Zudem notiert Osieja den Wunsch, dass vor großen Gehölzpflegeaktionen die Naturschutzverbände einbezogen werden sollten. Der Wunsch nach Ausgleichsmaßnahmen ist ein weiterer Punkt, genauso, dass Baumpflege Vorrang vorm Fällen habe.

Für Martin Osieja ist es ein konstruktives Gespräch. Obwohl es auch Unstimmigkeiten gibt: Besonders Edgar Griesser muss sich von Christine Muscheler-Frohne einiges anhören – was zeigt, wie emotional das Thema ist. Sie spricht von einem "Kettensägen-Massaker", und davon, dass sie sich maßlos ärgere, heute am selben Punkt zu sein wie vor 40 Jahren. Zumal die Straßenmeisterei auch ein Vorbild für Privatleute sei.

Griesser dagegen betont, dass die Kollegen verantwortlich seien, wenn tatsächlich einmal etwas passieren sollte. Ewald Ulmschneider sagt: "Auch mich schmerzt es immer, wenn wir solche Maßnahmen machen müssen." Seine Leute hätten aber keine Wahl.

"Unter den Rahmenbedingungen haben die Kollegen einwandfrei gearbeitet", erklärt Martin Osieja. Die allerdings würden nicht stimmen, bilanziert Hetzel – und spürt den Amtsleiter an seiner Seite. Deshalb gehe es nun um eine Neujustierung. Er wolle die Vorschläge aus dem Gespräch in die Vorlage des Kreistags-Ausschusses für Umwelt und Technik am 3. April einbringen. Versprechen könne er nichts, sagt Osieja. Aber: "Ich hoffe, dass wir Ihnen entgegen kommen können." Doch das bedürfe einer "Aufstockung der Ressourcen". Und die Entscheidung, wie viel Geld der Kreis in den Erhalt und die Pflege von Bäumen stecken möchte, muss der Kreistag fällen.