Hier nachdenklich, gern auch mal polternd: Stadtrat Max Burger hat Sibylle Schumacher indirekt mit Nazi-Scherge Goebbels verglichen. Foto: Archiv

Fraktionsübergreifend wird der Stadtrat wegen seines Leserbriefs kritisiert. Er entschuldigt sich.

Rottweil - Max Burger hat geschrieben, und einige seine Stadtratskollegen sind der Ansicht, er hätte besser geschwiegen. Hat er aber nicht. Der Grünen-Stadtrat hat sich daher den Unmut der anderen Fraktionen auf sich gezogen. Burger entschuldigt sich umgehend.

Das war passiert: Max Burger (FFRundPRoFI) äußert sich in einem Leserbrief, der in der Samstagsausgabe abgedruckt wird, zur Sitzung des Kultur-, Sozial- und Verwaltungsausschusses von vergangenem Mittwoch. Besser gesagt zu einer Äußerung von CDU-Stadträtin Sibylle Schumacher, die diese aber ausdrücklich als Lob verstanden haben möchte. Sie sprach vom "Idealismus dieser Gutmenschen" und meinte damit die um den Kapuziner ehrenamtlich Tätigen; so stand es jedenfalls in der Zeitung.

Burger, in der Sitzung nicht anwesend, sieht sich veranlasst, sich über Bedeutung und Herkunft des Begriffs "Gutmenschen" seine (fast) eigenen Gedanken zu machen – gegen Ende seiner Leserzuschrift zieht er einen Vergleich zu Goebbels und dem Nazi-Hetzblatt "Der Stürmer". Damit nicht genug: Er schreibt auch noch bei der Online-Enzyklopädie Wikipedia ein wenig ab, wie SPD-Stadtrat Arved Sassnick herausfindet.

Goebbels und Schumacher in Zusammenhang bringen? Das ist zu viel für die Ratskollegen. Christoph Bechtold, Günter Posselt (beide CDU), Walter Stegmann, Dieter Albrecht, Jörg Stauß (Freie Wähler), Winfried Wössner, Ralf Armleder, Arved Sassnick, Jens Jäger (SPD) und Dieter Kleinmann (FDP) schreiben Burger gemeinsam ins Stammbuch: "Einer ist nicht in der Ausschusssitzung anwesend: Max Burger. Er liest den Pressebericht über die Sitzung und über das Thema ›Ehrenamt‹, greift sich das Wort ›Gutmenschen‹ aus dem Zusammenhang. Er berücksichtigt nicht, dass die Stadtratskollegin Sibylle Schumacher ihre Verwendung des Begriffs bereits in der Sitzung klargestellt hat und positiv von guten Menschen sprach. Dann spannt er den Bogen der Verwendung dieses Wortes von Frau Schumacher bis zum nationalsozialistischen Hetzer Joseph Goebbels und dem antisemitischen Hetzblatt ›Der Stürmer‹ eines Julius Streicher. Diese seine Leserzuschrift wird weder der Aussage der Stadtratskollegin, noch ihrer Person in geringster Weise gerecht. Sie trägt eher zu einer Vergiftung des Klimas im Rottweiler Gemeinderat bei, der bis dato sachlich durchaus kontrovers, aber in Achtung des Andersmeinenden zu argumentieren verstanden hat. Wir weisen diese völlig überzogene Darstellung in Max Burgers Leserzuschrift in aller Form zurück."

Dieser wiederum ist wohl selbst erschrocken über die Wirkung seiner Worte. Noch am frühen Abend kommt Burgers persönliche Stellungnahme: "Dass Frau Schumacher den Begriff ›Gutmensch‹ bereits in der Sitzung relativierte, war aus dem Artikel nicht ersichtlich. Es ging mir bestimmt nicht darum, die Kollegin zu diskreditieren, sondern lediglich das von ihr gebrauchte Wort ›Gutmensch‹ zu durchleuchten. Es war von mir nicht beabsichtigt, Frau Schumacher in die Nähe der negativen Herkunft dieses Begriffes zu bringen. Sollte dieser Eindruck entstanden sein, bedauere ich dies sehr und werde diesbezüglich den Kontakt zu ihr suchen."

Kommentar: Genussvoll

Von Armin Schulz

Da macht es sich der FFRundPRoFI-Stadtrat Max Burger aber einfach. Unser Zeitungsartikel soll schuld für seinen Leserbrief sein, will er einem nun glauben machen. Alles also nur ein Missverständnis?

In der Leserzuschrift hatte er sich zu dem Begriff "Gutmensch" geäußert, den seine Ratskollegin Sibylle Schumacher in einer Ausschusssitzung verwendet hatte, und das Ganze mit der Goebbels-Propaganda verglichen. Jetzt rudert er plötzlich zurück: Hätte er gewusst, dass die CDU-Stadträtin sich quasi im selben Atemzug verbesserte, hätte er auf den Brief verzichtet.

Das ist kaum glaubwürdig. Zu oberlehrerhaft kommen seine Ausführungen zum "Gutmenschen" daher. Der Leserbrief liest sich insgesamt wie eine genussvolle Zurechtweisung einer Stadtratskollegin, die der anderen, eben der konservativen, Seite angehört. Dazu sollte Burger stehen.