In Bühlingen kommen Alt und Neu an vielen Stellen zusammen. Im Neubaugebiet Im Eschle allerdings entstehen derzeit moderne Wohnhäuser. Auch die gefallen den Bühlinger Spaziergängern. Rechts im Bild: Gerhard Gurreck Foto: Schickle Foto: Schwarzwälder-Bote

Orts-Check: Bühlinger haben bei Spaziergang durch Ort viel zu erzählen / Gelungene Kombination aus Alt und Neu

Von Verena Schickle

Rottweil-Bühlingen. Durchaus selbstbewusst, überaus sympathisch: So zeigten sich die Bühlinger, die an unserem gestrigen Ortsspaziergang teilnahmen.

Wenn ihnen etwas nicht passt, dann halten die Bühlinger damit nicht hinter dem Berg. Ungenauigkeiten oder kleine Fehler in einigen Artikel zu ihrem Ort kommen gleich an unserem Treffpunkt zur Sprache. Etwa, dass auf der Sprungschanze erst 1963 das letzte Springen stattgefunden habe, oder dass ein Vorname verwechselt wurde. Ihre Kritik allerdings bringen sie auf sympathische Weise an. Und das Lob für die vielen Bühlingen-Berichte schicken sie gleich hinterher.

Es wird überhaupt viel erzählt und geredet gestern Abend. Auch, weil es eine große Gruppe ist, die sich am Haus der Vereine getroffen hat. 21 Personen zählt Hans Josef Birner, einer der Spaziergänger. Meistens vorneweg geht Gerhard Gurreck, Vorsitzender des Gesangvereins und Sprecher der Bühlinger Vereine. Er ist einer, der die Lücke stopft, die der Tatsache geschuldet ist, dass Bühlingen kein echter Teilort – mit Ortsverfassung und damit Ortsvorsteher – ist. Also kommen viele Leute eben zu ihm, wenn sie ein Anliegen haben.

Und Anliegen gibt es im Dorf, auch das berichtet die Gruppe gleich zu Beginn der Tour. Die Feldwege beispielsweise, die dringend geflickt gehören. Da gebe es Löcher, die seien so tief, "da schaut nicht mal der Kopf raus", sagt Birner. Seit Jahren seien immer wieder Mittel im Haushalt, gemacht werde dennoch nichts.

Das weiß auch Gemeinderat Karl-Heinz Weiss. Der erinnert sich noch an eine Sitzung, in der OB Ralf Broß sich dafür entschuldigt habe, dass noch nichts passiert sei. Weiss wohnt zwar in Rottweil, habe aber seit jeher ein Faible für Bühlingen, erklärt Gurreck. Wenn er nicht weiterkomme, dann wendet er sich an ihn.

Wie Gurreck engagieren sich viele Bürger für ihren Ort. Manche gießen die Blumen an öffentlichen Plätzen, einer ist Hausmeister des Feuerwehrhauses, ein anderer in der Kapelle St. Silvester. "Es gibt viele Leute mit Bürgersinn", erklärt Gerhard Gurreck. Und viele, die einem der fünf Vereine angehören. Wer sich dort einbringt, ist auch als Neuzugezogener schnell integriert.

Doch das mit der Integration ist so eine Sache: Einmal habe er alle Neubürger angeschrieben, sagt Gurreck. Die Resonanz war gering. Auch, weil in Bühlingen ein Treffpunkt fehlt, eine Dorfwirtschaft. Zwar gibt es den Eckhof im Eschachtal, der "Schwanen" im Ort steht aber seit acht Jahren leer. Das bedauern die Spaziergänger sehr. "Das ist schon ein Manko", findet Helga Vogt. Aber es habe auch seine guten Seiten – schließlich sei man von dort immer ewig nicht nach Hause gekommen, scherzt sie.

Anders als das einstige Gasthaus, das sich im Dornröschenschlaf befindet, wurden etliche alte Gebäude von neuen Besitzer schön hergerichtet. Der neue Schule etwa ist ein Schmuckstück, das die Künstlerin Marion Moritz renoviert hat, oder der ehemalige Hagenstall. Der wurde 1845 erbaut, weiß Karl Stofer, das wandelnde Lexikon Bühlingens. Bald zu jeder Ecke kennt er die Geschichte. Etwa, dass das Veits-Kreuz ein Bauer errichtet hat, weil sein Sohn eine tüchtige Frau gefunden hatte. Oder dass in einem Minikloster bei der Kapelle im Mittelalter drei Ordensschwestern lebten, die die Krankenpflege übernahmen. 1983 wurde die neue Kirche geweiht, seither wird die Kapelle nur noch sporadisch genutzt. Allerdings: Stirbt ein Bühlinger, wird jedes Mal die die Glocke in dem alten Gotteshaus geläutet.

Die Kombination aus Alt und Neu in ihrem Ort gefällt den Spaziergängern: der vor wenigen Jahren gebaute Kindergarten neben dem historischen Backhäusle, das jedes Jahr beim Fest zum Zentrum des Dorflebens wird, oder das Neubaugebiet, wo viele Wohnhäuser entstehen und junge Familien hinziehen.

Überhaupt gibt es vieles, an ihrem Ort, das sie mögen. Auch, was die Stadt macht. Nachdem der Gemeinderat durchgesetzt hatte, dass der Radweg von Rottweil nach Bühlingen beleuchtet werden soll, wurde dies zackig umgesetzt. "Wir haben es fast nicht glauben können: Die Beleuchtung ist relativ schnell gegangen", lobt Gerhard Gurreck. Er findet noch weitere Beispiele und befindet, das Positive im Verhältnis zu Rottweil überwiege deutlich. So sind sie, die Bühlinger. Bei aller Offenheit doch ein sympathisches Völkchen. Und ein selbstbewusstes. Beim Blick Richtung Stadt sagt Hans Josef Birner: "Wenn man da reingeht, ist Rottweil ein Vorort von Bühlingen."